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Astronomie: Starlink und die Folgen

Wie stark werden Megakonstellationen wie Elon Musks Starlink-Projekt Astronomen bei der Arbeit stören? Experten wagen nun eine neue Prognose - und skizzieren mögliche Lösungen.
Megakonstellation aus Satelliten (nicht maßstabsgetreue Illustration)

Zehntausende neue Satelliten wie die von Elon Musks Starlink-Projekt werden die Astronomie stark verändern – aller Voraussicht nach nicht zum Besseren. Das ist das Fazit einer virtuellen Fachkonferenz, auf der sich 250 Weltraumforscher, Ingenieure und Satellitenbetreiber im Juli zu dem Problem ausgetauscht haben. Nach Einschätzung der Experten werden die derzeit geplanten »Megakonstellationen« aus Satelliten so gut wie alle Observatorien auf der Erde beeinträchtigen. Die Bandbreite reiche dabei von »vernachlässigbar« bis »extrem«, heißt es im nun veröffentlichten Abschlussbericht der Veranstaltung, die unter anderem von der American Astronomical Society organisiert wurde.

Starlink und vergleichbare privatwirtschaftliche Projekte wollen den gesamten Globus mit schnellem Internet versorgen. Dazu ist jedoch ein engmaschiges Netz aus Kommunikationssatelliten nötig. Starlink soll nach seiner Fertigstellung Ende der 2020er Jahre aus mehr als 30 000 von ihnen bestellen, was die Zahl aktiver Satelliten im Erdorbit mehr als verzehnfachen würde. Bisher hat die Mutterfirma SpaceX etwa 650 der schwebenden Relays ins All geschossen.

Seit dem ersten Start von Starlink-Satelliten im Mai 2019 sorgt das Projekt für große Aufregung bei Astronomen: Anders als erwartet sind die Satelliten am Nachthimmel klar sichtbar und hinterlassen zuweilen helle Streifen auf Teleskopbildern. Auf der virtuellen Konferenz haben Betroffene und Verursacher daher nun potenzielle Lösungen für das Problem gesucht und in ihrem Abschlussbericht festgehalten.

Starlink-Satelliten | Rund 20 Satelliten hat die DECam des Cerro Tololo Inter-American Observatory (CTIO) kurz nach dem Start im November 2019 aufgenommen.

Am besten wäre es demnach für die Astronomie, wenn überhaupt keine Satelliten mehr in den niedrigen Erdorbit gelangen – in Anbetracht der derzeitigen Pläne von SpaceX wohl ein frommer Wunsch. Realistischer dürfte der Vorschlag sein, die Höhe der Umlaufbahnen auf rund 600 Kilometer zu begrenzen, wie es SpaceX ohnehin plant. Dadurch sind die Satelliten nur in den Abendstunden und kurz vor Tagesanbruch sichtbar, wenn es dunkel auf der Erde ist, die Solarzellen der Satelliten jedoch weiterhin die Sonne reflektieren. Konkurrent OneWeb dagegen plant knapp 50 000 Satelliten in einer Höhe von 1200 Kilometern, die sich dauerhaft außerhalb des Erdschattens bewegen und daher die ganze Nacht als helle Punkte sichtbar wären, sucht aber derzeit einen neuen Investor.

Daneben sollten die Firmen ihre Satelliten so designen, dass sie weniger Sonnenlicht zurückwerfen, etwa durch abgedunkelte Komponenten oder eine Art Sonnenschutz, empfiehlt das vor allem aus Astronomen bestehende Organisatorenkomitee der Fachkonferenz. Daneben könnten die Betreiber die Satelliten in den kritischen Passagen ihrer Bahn jeweils so drehen, dass nur die Kanten der Solarpanele in Richtung Sonne zeigen.

Andererseits sieht die Gruppe auch die Gemeinschaft der Astronomen in der Pflicht: Sie sollte verstärkt auf Software setzen, die Satellitenspuren aus Teleskopbildern entfernt. Die Experten räumen allerdings ein, dass diese und andere Maßnahmen nur bei manchen Observatorien den Schaden begrenzen werden. Teleskope, die große Himmelsausschnitte beobachten oder auf die Zeit um die Dämmerung angewiesen sind, würden in jedem Fall weniger leistungsfähig. Auch Zufallsentdeckungen würden seltener, da Megakonstellationssatelliten künftig einen erheblichen Teil des Nachthimmels überstrahlen werden und damit zwangsläufig den Blick auf spannendere Phänomene verstellen.

Generell dürften die Scharen von Satelliten eine große Zahl sehr diverser Projekte erschweren. So sind nicht nur Asteroidenjäger auf die Stunden nach der Dämmerung angewiesen, wenn die Sonne potenziell gefährliche Brocken klar hervorhebt. Auch Gravitationswellenforscher suchen zu dieser Zeit zuweilen den Himmel nach Strahlungsblitzen ab, um verschmelzende Neutronensterne in flagranti zu erwischen.

Die größten Leidtragenden dürften dagegen Vorhaben wie das Vera Rubin Observatory sein. Das Teleskop soll ab 2021 Milliarden Galaxien in einem großen Himmelsausschnitt im Blick behalten und mit einer extrem empfindlichen Kamera die Entwicklung des Kosmos nachvollziehen. Für die beteiligten Wissenschaftler steht außer Frage, dass Starlink und Co die Ergebnisse verschlechtern werden. Wie sehr, wird aber wohl erst die Zeit zeigen: »Astronomen fangen gerade erst an, die Bandbreite der Auswirkungen auf ihre Disziplin zu erfassen«, heißt es im Abschlussstatement der Konferenz.

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