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News: Starthilfe mit Licht

Bisher ist reichlich wenig über die Entstehung von Kristallen bekannt. Jetzt brachten Forscher Licht in die Angelegenheit - im wahrsten Sinne des Wortes.
Alpha-Glycin-Modell
Kristalle sind nicht nur schön anzuschauen, sie sind auch nützlich. So werden Wafer - die Grundlage für Computerchips - aus einem einzigen großen Silizium-Kristall geschnitten. Und auch medizinische Wirkstoffe kommen oftmals in kristalliner Form zur Anwendung, weil sie so viel besser löslich sind. Die künstliche Herstellung von Kristallen zum Beispiel aus Lösungen ist allerdings häufig schwierig und langwierig.

Doch jetzt haben Bruce Garetz und seine Kollegen von der Polytechnic University in Brooklyn und Allan Myerson vom Illinois Insitute of Technology in Chicago offenbar eine Möglichkeit gefunden, der Bildung von Kristallen auf die Sprünge zu helfen - mit Hilfe von Licht. Dabei stellten die Wissenschaftler schon vor einigen Jahren fest, dass sich die Bildung von Kristallen in einer Harnstoff-Lösung erheblich beschleunigen lässt, wenn man sie mit einem linear polarisierten infraroten Lichtimpuls bestrahlt. Bei ihrem Experiment erfolgte die Kristallbildung innerhalb von einigen Nanosekunden und nicht - wie sonst üblich - innerhalb von Tagen oder Wochen.

Nach Ansicht der Forscher war die ordnende Hand des Lichtes dafür verantwortlich. Demnach verschob das elektrische Feld des Laserstrahls die Elektronen in den Harnstoff-Molekülen, und es traten asymmetrische Ladungsverteilungen auf, die ihrerseits dazu führten, dass sich die Moleküle an Hand des Feldes ausrichteten. Entlang dieser Strukturen konnten sich dann die Kristalle orientieren und so wesentlich schneller wachsen.

Doch diese Deutung traf in der Fachwelt auf Skepsis. Andere Forscher hatten alternative Erklärungen parat: zum Beispiel chemische Reaktionen, die durch das Licht ausgelöst wurden und die Kristallbildung vorantrieben, oder Verunreinigungen, die als Keimzellen dienten. In diesem Fall sollte es vollkommen egal sein, wie das Licht polarisiert ist.

Aber genau das haben Garetz und seine Kollegen jetzt widerlegt. Denn offensichtlich ist die Richtung der Polarisation sogar von entscheidender Bedeutung. In einem weiteren Experiment benutzten die Forscher statt Harnsäure Glycin - eine Aminosäure, die drei unterschiedliche Kristalltypen namens Alpha, Beta und Gamma ausbilden kann. Das Gamma-Glycin bildet parallel sich windende Stränge von Molekülen, der Alphatyp dagegen besteht aus aufeinander geschichteten Ebenen.

Als die Wissenschaftler die Glycin-Lösung mit Laserstrahlen unterschiedlicher Polarisationen behandelten und dabei die Kristallbildung beobachteten, stellten sie fest, dass unterschiedliche Polarisationsrichtungen andere Kristallformen hervorriefen. Linear polarisierter Licht, dessen elektrisches Feld in nur einer Ebene schwingt, löste die Ausbildung der Gamma-Struktur aus. Zirkular polarisiertes Licht dagegen - bei der die Schwingungsebene des elektrischen Feldes zugleich wie der Zeiger einer Stoppuhr um den Lichtstrahl rotiert - begünstigte die Entwicklung des Alpha-Kristalls.

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich die Kristalle tatsächlich anhand der elektrischen Komponente des Lichtes orientieren und nicht durch andere Effekte beeinflusst werden. Damit hätten die Forscher eine einfache und günstige Methode gefunden, die mitunder äußerst schwierige Kristallzucht erheblich zu erleichtern, und Episoden wie die folgende würden wohl bald der Vergangenheit angehören:

Die Abbot Laboratories konnten 1998 aus unbekannten Gründen das AIDS-Medikament Novir nur noch in einer neuen, schlecht löslichen Kristall-Form synthetisieren. Alle Bemühungen, den alten Zustand wieder herzustellen, scheiterten. Schließlich blieb den Verantwortlichen nichts anderes übrig, als das Arzneimittel in Gelkapseln statt in Pillenform zu verarbeiten. Mit Licht als Orientierungshilfe wäre das vielleicht nicht passiert.

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