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News: Staubige Angelegenheit

Mit Hilfe von Elektronenmikroskop und Raman-Spektroskopie entdeckten Andrew Steele und Marc Fries von der Carnegie Institution of Washington in drei Meteoriten Mineralien, die eine ungewöhnliche Form von Kohlenstoff in sich tragen: Graphit-Nadelkristalle
Nadelkristalle
Die Forscher vermuten, dass diese nur wenige Mikrometer langen Gebilde bei hohen Temperaturen – also in Sonnennähe – aus kohlenstoffreichem Gas hervorgingen und in Einschlüssen aus Kalzium und Aluminium eingelagert wurden. „Sie entstanden als die Sonne noch jung war und der von ihr ausgehende Wind sehr stark“, berichtet Fries, und so könnten sie dann hinaus in den interstellaren Raum geblasen worden sein.

Dabei würde die Sonne natürlich keinen Einzelfall darstellen, mutmaßen die Forscher weiter – auch um andere junge Gestirne sollten die Kristalle zu finden sein. Weitere Lieferanten und effektive Verbreitungsapparate könnten ihrer Meinung nach Supernova-Explosionen gewesen sein. Und sollte der Raum tatsächlich voller Nadelkristalle sein, hätte das enorme Auswirkungen auf astronomische Beobachtungen, meinen Steele und Fries.

Die Kristalle würden beeinflussen, wie verschiedene Wellenlängen des Lichts durch den Raum dringen. Insbesondere Strahlung im nahen Infrarotbereich wäre davon betroffen. Als Folge würde das Glimmen weit entfernter Objekten abgeschwächt und bisherige Ergebnisse damit verfälscht. Dabei denken die beiden Astronomen vor allem an Supernovae vom Typ Ia. Diese Sternexplosionen zeigen stets dieselbe Leuchtkraft, und so lässt sich aus der auf der Erde gemessenen Helligkeit auf ihre Entfernung schließen.

In den 1990er Jahren führte dieser Umstand zu der Erkenntnis, dass das sich das Universum immer schneller ausdehnt – denn sehr weit entfernte Standardkerzen erschienen einfach zu dunkel, als dass konventionelle Modelle es hätten erklären können. Die Wissenschaft wusste keinen besseren Rat als eine beschleunigte Expansion des Weltalls anzunehmen und mysteriöse Dunkle Energie zu postulieren, die zu eben diesem Verhalten führt.

Bereits vor rund vierzig Jahren gab es allerdings Forscher, die lieber Nadelkristalle aus Graphit oder ähnliche Materialien für die ungewöhnlich starke Verdunklung der fernen Sternexplosionen verantwortlich machten. Doch bislang gelang deren Herstellung nur im Labor – in den Weiten des Universums ließen sich die Haarkristalle noch nicht nachweisen. „Wenn sie tatsächlich das Licht von Supernovae absorbieren“, erklärt Steele, „könnte dies die Messungen der Expansionsrate des Universums sehr beeinflussen.“

Da es sich womöglich um so genannten grauen Staub handelt – dieser streut rotes und blaues Licht in gleichem Maße –, würde er sich nicht so einfach wie gewöhnlicher interstellarer Schmutz in den Spektren der Supernovae verraten. Doch auch im nahen Infrarot konnten die Astronomen bislang keine Hinweise auf ihn finden. „Unsere Messungen machen es dem Staub schwer“, sagt Bruno Leibundgut von der Eso in Garching.

Zudem zeigten Messungen extrem weit entfernter Supernovae, dass sich die Expansionsrate im zeitlichen Verlauf genau so verhält wie von kosmologischen Theorien vorhergesagt, berichtet er. Dass die Kristalle auch diesen Effekt vortäuschen, würde also schon einem kleinen Wunder gleich kommen. Und auch Matthias Bartelmann vom Institut für Theoretische Astrophysik an der Universität Heidelberg sieht die Sache eher skeptisch.

Denn neben der angeführten Supernova-Methode gäbe es auch andere glaubwürdige Beweise für eine beschleunigte Expansion. So kommen Forscher etwa mit Hilfe der kosmischen Hintergrundstrahlung – wenn auch auf indirektem Wege – zu demselben Schluss. Da Fries und Steele nun aber endlich original Haarkristalle "made in space" gefunden haben, lassen sich deren physikalische Eigenschaften nun immerhin sorgfältig erforschen. Und dann wird sich vielleicht zeigen, ob es Wunder gibt oder nicht.

mp

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