Legales Cannabis: Was passiert, wenn Apotheken Gras verkaufen?

Der legale Verkauf von Cannabis in Apotheken führt bei regelmäßigen Freizeitkonsumenten eher zu weniger als zu mehr Problemen. Vor allem Risikogruppen, die auch andere Drogen nehmen, berichten über weniger Symptome von Missbrauch und Abhängigkeit. Das ist das Ergebnis eines Feldexperiments in der Schweiz. Es handle sich um die erste Studie ihrer Art, die Freiwillige nach dem Zufallsprinzip einer Test- und einer Kontrollgruppe zuwies, schreibt die Forschungsgruppe um den Psychiater Marc Walter von der Universität Basel in der Fachzeitschrift »Addiction«.
Die Stichprobe umfasst 374 Erwachsene aus Basel, darunter 299 Männer, von denen 281 Personen einer bezahlten Arbeit nachgingen. Im Schnitt waren die Freiwilligen 35 Jahre alt und konsumierten schon seit vielen Jahren Cannabis, und zwar im Mittel nach eigenen Angaben an rund 20 Tagen im Monat. Die Hälfte von ihnen durfte nun ein halbes Jahr lang in ausgewählten Apotheken Cannabis kaufen – zu einem Preis, der ungefähr dem auf dem illegalen Markt entsprach. Vier Sorten Gras und zwei Sorten Hasch standen zur Wahl, mit unterschiedlichen, aber präzise kontrollierten Konzentrationen der Wirkstoffe Cannabidiol und Tetrahydrocannabinol (THC). Darüber hinaus bekamen die Testpersonen Informationen zum Gebrauch und auf Wunsch eine persönliche Beratung. Die andere Hälfte der Freiwilligen diente als Kontrollgruppe und konnte ihren Bedarf weiterhin nur aus illegalen Quellen decken.
Nach sechs Monaten beantworteten alle Teilnehmenden online Fragen zu ihrem Befinden und ihrem Drogenkonsum. Wie viel Zeit verbrachten sie mit dem Gebrauch von Cannabis, wie lange waren sie »stoned«? Wie lange brauchten sie, um sich davon zu erholen? Litten sie danach unter Gedächtnis- oder Konzentrationsproblemen? Konsumierten sie auch in gefährlichen Situationen wie beim Autofahren? Wollten sie mit dem Konsum aufhören oder ihn senken, schafften es aber nicht? Dieses Screening ordnet problematischen Cannabisgebrauch auf einer Skala von 0 bis 32 ein.
Zu Studienbeginn erreichten beide Gruppen im Mittel einen Wert knapp unter der Grenze zum Missbrauch. Nach sechs Monaten war der Wert bei den Apothekenkäufern von 10,9 auf 10,1 Punkte gesunken und in der Kontrollgruppe von 11,2 auf 10,9 – ein »kleiner Effekt«, wie die Forschenden schreiben. Besser sah es in einer Teilmenge jener Versuchspersonen aus, die zusätzlich noch andere Drogen konsumierten: Bekamen sie legalen Zugang zu Cannabis, besserte sich ihr Ergebnis im Screening um knapp zwei Punkte. In der gesamten Apothekengruppe war der tägliche Konsum zwar im Mittel von 0,5 auf 0,8 Gramm angestiegen, unterschied sich aber nicht signifikant von dem der Kontrollgruppe. Auch weitere Unterschiede, etwa beim Alkoholkonsum und bei anderen psychischen Beschwerden, waren statistisch nicht bedeutsam.
Die Autoren geben zu bedenken, dass der Beobachtungszeitraum mit sechs Monaten kurz und die Stichprobe nicht repräsentativ gewesen sei; zum Beispiel waren Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen von der Studie ausgeschlossen. Außerdem könnten sozial erwünschte Antworten die Ergebnisse verfälscht haben. Denn die Versuchspersonen, die in der Apotheke einkaufen durften, waren sich ihres Privilegs und der Bedeutung der Studie sicherlich bewusst und könnten versucht haben, ihren Konsum und damit verbundene Probleme harmloser darzustellen.
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