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Weltraumteleskop Herschel: Sternengeburt im Überschallknall

Gas- und Staubnebel IC 5146 im Blick von Herschel
Gas- und Staubnebel IC 5146 im Blick von Herschel | Diese Falschfarbenansicht der Gas- und Staubwolke IC 5146 im Sternbild Schwan wurde mit dem Infrarotsatelliten Herschel in drei unterschiedlichen Wellenlängen bei 70, 250 und 500 Mikrometern aufgenommen. Die Bildbreite beträgt 0,8 Grad, das entspricht 42 Lichtjahren. Im bläulichen Bereich, der auch den Namen "Kokon-Nebel" trägt, befinden sich mehr als 100 neu entstandene Sterne, entlang des Filaments stieß Herschel auf mehrere Dutzend prästellarer Kerne, aus denen sich später Sterne entwickeln werden.
Eine Forschergruppe um Doris Arzoumanian an der Universität von Paris stieß auf Infrarotbildern der Gas- und Staubwolke IC 5146 im Sternbild Schwan und weiteren Materieansammlungen in den Sternbildern Adler und Kleiner Bär auf 90 langgestreckte Gasfilamente, die sich alle durch eine Breite von 0,3 Lichtjahren auszeichnen. Die Filamente erstrecken sich jeweils über mehrere zehn Lichtjahre. Die Aufnahmen lichtete der europäische Infrarotsatellit Herschel ab, der derzeit das größte optische Teleskop im All ist.

Eine Gas- und Staubwolke im Kleinen Bären | Ein wirres Gemenge bilden diese Gasfilamente, die der Infrarotsatellit Herschel im Sternbild Kleiner Bär aufnahm. Das Bild ist ein Komposit aus Aufnahmen bei Wellenlängen von 250, 350 und 500 Mikrometern. In den Filamenten dieser Region konnte Herschel keine Sternentstehung nachweisen.
Das Forscherteam vermaß die Dichteprofile von 27 Gasfilamenten und konnte bestätigen, dass sich vorwiegend in ihnen prästellare Kerne befinden, die sich noch zu Sternen entwickeln müssen. In einem Filament im Sternbild Adler entdeckten sie zudem schon 100 Protosterne, die kurz davor stehen, die Wasserstofffusion in ihren Kernen zu zünden. Die Astronomen vermuten, dass die ähnliche Breite aller beobachteten Filamente von 0,3 Lichtjahren das Resultat von "Überschallknallen" ist, die sich im interstellaren Medium ausbreiteten, einem dünnen Gas, das sich im Raum zwischen den Sternen unseres Milchstraßensystems befindet. Diese "Schallwellen" gehen auf Stoßwellen zurück, die von Supernova-Explosionen massereicher Sterne ausgehen. Sie durchlaufen das interstellare Medium, verdichten es und schieben es auch zusammen.

Die Staubfilamente sind sehr kalt, ihre Temperaturen betragen nur um zehn Kelvin (-260 Grad Celsius), daher sind ihre Schallgeschwindigkeiten mit 200 Meter pro Sekunde deutlich niedriger als in der Erdatmosphäre mit rund 340 Meter pro Sekunde auf Meereshöhe. Die Forscher vermuten, dass sich diese Überschallknalle durch die Gas- und Staubwolken ausbreiten, dabei Energie verlieren und sich schließlich auflösen. Übrig bleiben Filamente verdichteter Materie, welche die Entstehung neuer Sterne begünstigen. Tatsächlich konnten die Forscher mit einigen Bildern von Herschel nachweisen, dass sich in den Filamenten neue Sterne wie Perlen auf einer Schnur bilden.

Tilmann Althaus

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  • Quellen
Arzoumanian, D. et al.: Characterizing interstellar filaments with Herschel in IC 5146. In: Astronomy & Astrophysics 529, L6, 2011. DOI: 10.1051/0004–6361/201116596

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