News: Sternengedränge am Firmament
Die Wissenschaftler untersuchten einen dieser blue straggler („blauen Nachzügler”) inmitten des Kugelsternhaufens 47 Tucanae, nur 15000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Tukan gelegen. Michael M. Shara und seine Mitarbeiter vom Space Telescope Science Institute in Baltimore wiesen nach, daß zumindest dieser Nachzügler ein massiver Stern ist, der 75mal so schnell wie unsere Sonne rotiert. Dadurch ist bewiesen, daß er durch eine Kollision oder einen ähnlichen Vorgang in dem überfüllten Raum des Sternenhaufens entstanden ist. Ihre Ergebnisse wurden am 1. November 1997 in dem Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
„Das ist ein wahnsinnig aufregendes Ergebnis”, sagt Rex A. Saffer von der Villanova University, einer der Co-Autoren der Arbeit, „denn es hilft uns, zu entscheiden, welche der konkurrierenden Vorstellungen zur Entstehung und Entwicklung der blauen Nachzügler richtig ist.”
Spektroskopische Analysen und Untersuchungen der scheinbaren Helligkeit ergaben Daten zu Temperatur und Masse, die zu einem normalen Stern mit der 1,7fachen Masse der Sonne passen. Doch dieser Stern dreht sich zwei- bis dreimal so schnell wie erwartet. Nach Ansicht der Wissenschaftler wurde der blaue Nachzügler durch eine Fusion zweier kleinerer Sterne gebildet. Dies könnte durch den heftigen Zusammenstoß zweier ursprünglich voneinander unabhängigen Himmelskörper geschehen sein. Die Astronomen um Shara nehmen jedoch an, daß zwei Sterne, die bereits durch ihre gegenseitigen Gravitationskräfte miteinander verbunden waren, sich langsam vereinigt haben. Sie glauben, daß sich die schnelle Rotation mit diesem Modell besser erklären läßt.
Adrienne Cool, Professorin für Astronomie an der San Francisco State University, hat mit dem Hubble-Teleskop einen anderen Sternhaufen im Sternbild Altar untersucht. In der Nähe seines Zentrums entdeckte sie eine bisher unbekannte Lichtquelle. Möglicherweise handelt es sich dabei um einen Stern, der seine Gashülle verlor, als ein anderer Stern vorbeiraste.
In dem Sternhaufen NGC 6397 sind eine Million Sterne in einem Raum konzentriert, der in den meisten Regionen der Galaxie lediglich Platz für einen einzigen böte. „Diese Häufung zwingt Sterne zu Interaktionen, die nirgends sonst im Universum zu sehen sind”, sagt Adrienne Cool. Beweis für die dynamischen Interaktionen der Sterne sind die ungewöhnlichen Wellenlängen des Lichtes. Dieses Licht wird von schwachen Sternen abgestrahlt, die Cool und ihre Kollegen in den letzten drei Jahren entdeckt haben. Sie leuchten blau, während die meisten Einzelsterne dieser Helligkeit rot erschienen. Die Helligkeit dieser Sterne verändert sich rasch, sie strahlen ungewöhnlich viel ultraviolettes Licht ab. Alle drei Merkmale sind typische Anzeichen dafür, daß die Lichtquelle kein gewöhnlicher Stern ist, sondern zwei Sterne, deren deren Bahnen miteinander gekoppelt sind.
Cool und ihre Arbeitsgruppe untersuchten ein Sternenpaar, bei dem ein kollabierter, unglaublich dichter, sterbender Stern – ein sogenannter Weißer Zwerg – seinem größeren, aber leichteren Begleitstern Materie herausreißt. Dadurch flackert das beobachtete Licht.
„Das Licht, das wir sehen, bezieht seine Energie aus der Anziehungskraft, nicht aus der Kernfusion, die normalerweise Sterne zum Leuchten bringt”, erklärt Cool.
Dieses Phänomen, das als kataklysmische Variable bezeichnet wird, kennen die Astronomen schon seit geraumer Zeit. Bei den früher entdeckten Beispielen handelt es sich jedoch um Sternpaare, die einander seit ihrer Entstehung umkreisen. Die Paare im Innern des Sternhaufens entstehen dagegen, wenn zwei vollentwickelte Sterne zu dicht aneinander vorbeirasen.
Cools Team untersuchte auch eine blaue Lichtquelle, die niemals zuvor gesehen wurde. Die Lichtintensität schwankte nicht und konnte deshalb nicht von einem Sternenpaar stammen. Schwach blau, stark ultraviolett und ungewöhnlich heiß – dies ist, nach Ansicht von Cool und ihren Kollegen, der ungeschützte, extrem heiße innere Kern eines Sterns, der von einem vorbeiziehenden Stern seiner äußeren Gasschichten beraubt wurde.
Kugelsternhaufen sind die bisher einzigen erforschten Regionen der Galaxie, in denen mit Sternenkollisionen zu rechnen ist. Die dicht gepackten Sterne erzeugen weit mehr Verkehr als in nahezu jeder anderen Region der Galaxie – oder des Universums. Der Abstand zwischen benachbarten Sternen in einem Sternhaufen beträgt nur 1/100 des normalen Abstandes zwischen Sternen. Doch obwohl Sternenkollisionen spektakulär erscheinen mögen, sind sie auch in diesem Bereich recht ungewöhnlich. Bedingt durch die Größe des Weltraums, ereignen sich Kollisionen innerhalb eines Kugelhaufens lediglich einmal in 10 bis 100 Millionen Jahren. Nur durch die Tatsache, daß Cluster mehr als 10 Milliarden Jahre alt sind, konnte es zu Hunderten von verheerenden Kollisionen kommen.
Schwache Sterne, die den wichtigsten Beweis für die Studie lieferten, sind mit Teleskopen, die sich auf der Erde befinden, nicht wahrnehmbar. Cool und ihre Kollegen konnten sie jedoch dank der größeren Schärfe des im Weltraum kreisenden Hubble-Teleskops entdecken. Die Forschungsarbeiten über kugelförmige Sternenhaufen nehmen zu, seit den Astronomen solche hochempfindlichen Instrumente zur Verfügung stehen.
Mehr als 100 riesige kugelförmige Cluster gibt es im Umkreis unserer Galaxie. Jede enthält ungefähr eine Million Sterne. Einige wenige kann man mit dem bloßen Auge als „verschwommene Flecken” sehen. Der Cluster, den Cool untersucht hat, trägt den Namen NGC 6397 und liegt in Richtung des Sternbildes Altar auf der südlichen Halbkugel.
„Die Millionen Sterne umfassenden Kugelhaufen unserer Milchstraße entstanden alle, als sich die Galaxie gerade bildete. Diese Sterne gehören deshalb zu den ältesten im Universum”, sagt Cool. „Dies sind die ältesten Sterne, deren Alter wir mit einiger Sicherheit bestimmen konnten”, fügt sie hinzu.
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