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News: Sternstunden für Pyramiden

Seit Jahrtausenden sind die Menschen von den großen Pyramiden von Gizeh fasziniert. Und auch die Archäologen beschäftigen sich immer wieder mit ihnen. Denn viele Fragen dieses letzten noch stehenden Weltwunders der Antike sind noch nicht geklärt: Wie alt sind die Bauwerke nun wirklich? Wie konnten die Ägypter die Cheops-Pyramide schon vor etwa 4500 Jahren so genau nach Norden ausrichten? Eine Wissenschaftlerin ist jetzt einen unkonventionellen Weg gegangen und will mit astronomischen Berechnungen gleich beide Fragen beantworten.
Ein großes Problem für Ägyptologen ist die ungenaue Chronologie der antiken Kultur am Nil. Einige wenige überlieferte Königslisten nennen zwar die Pharaonen und ihre Regierungszeiten, aber sie stimmen nicht in allen Punkten überein und weisen Fehler auf. Als Resultat schwankt die Chronologie des Alten Königreichs, in dem die großen Pyramiden bei Gizeh entstanden, um mehr als hundert Jahre. Außerdem rätseln Archäologen wie Astronomen schon lange über die fast exakte Nord-Ausrichtung der Cheops-Pyramide. Sie wurde oft mit angeblichen astronomischen Beobachtungen der Ägypter in Zusammenhang gebracht, die jedoch bisher nie belegt werden konnten. Die Ägyptologin Kate Spence von der University of Cambridge hat nun gleich für mehrere Pyramiden-Probleme eine Lösung anzubieten (Nature vom 16. November 2000).

Alle acht Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh weichen nur ganz geringfügig von der Nord-Süd-Ausrichtung ab: die frühesten Pyramiden leicht nach Osten und die später gebauten leicht nach Westen – die Cheops-Pyramide ist mit etwa drei Bogenminuten am genauesten nach Norden gerichtet. Bisher nahmen die Wissenschaftler an, die alten Ägypter hätten eine Möglichkeit zur Ausrichtung ihrer Bauwerke besessen, die immer dieselben Ergebnisse hervorbringt – beispielsweise über eine Beobachtung des Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangspunktes. Die Ägyptologin Spence erkannte nun jedoch, dass die Tatsachen gegen diese These sprechen: Mit ein und derselben Methode hätten die alten Baumeister immer dieselben Fehler produzieren müssen, aber die exakte Ausrichtung der Pyramide des Cheops wurde vorher und nachher immer verfehlt. Der "Polarstern" konnte den Ägyptern auf jeden Fall nicht geholfen haben, den Himmelsnordpol zu finden: Der Polaris steht erst für uns heute nahe dem nördlichen Himmelspol.

Hier setzt nun die Idee von Spence ein, die erkannte, dass sich der Himmelspol über der Erde in dem Maße verändert, wie sich die Erdachse verlagert. Diese so genannte Präzession hat einen Rhythmus von 26 000 Jahren. Spence fand zwei Sterne, mit denen die Ägypter dennoch den Himmelsnordpol bestimmt haben könnten. Im Jahre 2467 v. Chr. standen Kochab, im Sternbild Kleiner Bär, und Mizar, im Sternbild Großer Bär, zu einem bestimmten Zeitpunkt so am nördlichen Sternhimmel, dass sie mit einer senkrechten Linie zu verbinden waren, die genau den Nordpol des Himmels kreuzte.

Ein ägyptischer Astronom dieses Jahres musste also nur beobachten, dass sich die beiden Sterne um den unsichtbaren Himmelspol drehten. Standen sie dann senkrecht übereinander, konnte er das Lot fällen und hatte die exakte Nordrichtung gefunden. Dieses Verfahren erklärt die Abweichungen der verschiedenen Pyramiden von der Nord-Süd-Richtung: Mit einer Verlagerung der beiden Sterne Mizar und Kochab erhielten die Ägypter bei jedem Pyramidenbau eine neue, leicht verfehlte Nordausrichtung. Diese lässt sich jeweils mit den astronomischen Daten in Verbindung bringen und entspricht einer relativen Chronologie der Pyramidenbauten. Mit dieser Theorie war es Spence nun möglich für den Bau der Cheops-Pyramide ein Datum zwischen 2485 und 2475 v. Chr. anzugeben. Früher lag das Datum bei 2554 v. Chr. und schwankte mit einem Fehler von hundert Jahren – nun liegt der Fehler nur noch bei fünf Jahren.

Die Ägyptologin vermutet, dass es im alten Ägypten eine Zeremonie gab, mit der ein neuer Pharao zu Beginn seiner Herrschaft den Ort seines späteren Grabes, der Pyramide, einweihte. Bei diesem Vorgang soll auch schon die Ausrichtung der Pyramide, beziehungsweise normalerweise nur die der Pyramiden-Westseite, festgelegt worden sein. Da antike Texte zum Pyramidenbau aber völlig fehlen, liegen die Hoffnungen der Ägyptologen darin, dass sie Aufzeichnungen finden, in denen diese Zeremonie erwähnt wird. Eine verfeinerte, verlässlichere Chronologie des alten Ägypten, mit Bedeutung für alle frühen Mittelmeerkulturen, wäre die Folge.

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