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Sonnenumgebung: Sternsystem im kosmischen Vorgarten entdeckt

In der Himmelsdurchmusterung des Infrarotsatelliten WISE entdeckte der Astronom Kevin Luhman von der Pennsylvania State University ein nahegelegenes System aus zwei Braunen Zwergen. Mit ihrer geringen Entfernung von nur 6,5 Lichtjahren sind die beiden Sterne die drittnächsten nach Alpha und Proxima Centauri sowie Barnards Pfeilstern.
Ein Duo aus Braunen Zwergen

Dass unsere unmittelbare kosmische Umgebung eine Terra incognita ist, wurde uns in letzter Zeit gleich mehrfach bewusst: Kosmische Bruchstücke aus dem Asteroidengürtel, die erst kurz vor ihrer Ankunft bei der Erde sichtbar wurden, statteten uns unerwünschte Besuche ab. Ebenfalls in unserer kosmischen Nachbarschaft, wenngleich in weitaus größerer Distanz, gelang nun einem US-amerikanischen Astronomen eine erfreulichere Entdeckung: In einer Infrarotdurchmusterung des NASA-Satelliten WISE spürte Kevin Luhman von der Pennsylvania State University ein nur 6,5 Lichtjahre entferntes Sternsystem auf. Die Entdeckung erinnert an einen ähnlichen Fund im Jahr 1916, als der US-amerikanische Astronom Edward Emerson Barnard den nach ihm benannten "Pfeilstern" in 6,0 Lichtjahren Distanz anhand seiner hohen Eigenbewegung identifizierte.

Infrarotquelle mit schneller Eigenbewegung | Die Infrarotquelle WISE J104915.57-531906 fiel durch ihre hohe Eigenbewegung auf und ließ sich auch in älteren Durchmusterungen identifizieren. Die animierte Darstellung veranschaulicht die Positionsveränderung in den Jahren 1978 bis 2010 anhand von Daten aus dem Digitized Sky Survey, von 2MASS und WISE.

Auch Luhman untersuchte die Eigenbewegung von Sternen; jedoch nutzte er dabei eine weitere Dimension der astronomischen Beobachtungstechnik: Im Unterschied zu Barnard, dem nur optische Aufnahmen zur Verfügung standen, wertete Luhman Infrarotdaten aus und konnte dabei auf die empfindliche Himmelsdurchmusterung des "Wide-field Infrarot Survey Explorer" (WISE) der NASA zurückgreifen. Im infraroten Spektralbereich verraten sich relativ kühle Objekte, die kaum sichtbares Licht aussenden und somit optischen Teleskopen verborgen bleiben. Zu diesen dunklen Gestalten zählen auch Braune Zwerge – Sterne, deren Massen nicht ausreichen, um in ihrem Inneren eine der Sonne vergleichbare Energieproduktion zu starten.

In der Himmelsdurchmusterung von WISE fiel die Infrarotquelle WISE J104915.57-531906 durch ihre hohe Eigenbewegung auf: Bereits während der 13 Monate dauernden Beobachtungen des Satelliten, die im Jahr 2011 endeten, hatte das Objekt seine Position zu weit entfernten Hintergrundobjekten deutlich verändert. Der Nachweis wurde möglich, weil WISE jeden Punkt des Himmels im Lauf der Zeit mehrfach erfasst hatte. Mit der daraus ermittelten Eigenbewegung konnte Luhman die scheinbare Bahn für zurückliegende Jahre berechnen und das Objekt auch in älteren Himmelsaufnahmen aus den Jahren 1978 und 1999 identifizieren. Durch die Kombination von Daten verschiedener Durchmusterungen ließ sich zudem die Parallaxe und damit die Entfernung des Objekts bestimmen.

Ein Sternsystem aus Braunen Zwergen | Im Zentrum des Bildes ist die mit WISE beobachtete Infrarotquelle J104915.57-531906 zu sehen, die hier unaufgelöst ist. Erst die rechts oben dargestellte Aufnahme mit dem Teleskop Gemini South enthüllte die Doppelnatur des Objekts.

Zusätzliche spektroskopische Beobachtungen, die Luhman im Februar 2013 am 8,1-Meter-Teleskop Gemini South in Chile durchführte, sollten die physikalischen Eigenschaften enthüllen. Schon eine vorbereitende Direktaufnahme im nahinfraroten Bereich lieferte eine Überraschung: An der vorausberechneten Position fanden sich zwei Punktquellen im Winkelabstand von 1,5 Bogensekunden. Luhman schloss auf ein physisches Doppelsternsystem, da andere Infrarotdurchmusterungen hier keine Hintergrundquelle zeigten. Die anschließend aufgenommenen Spektren der beiden Komponenten sind mit den Eigenschaften Brauner Zwerge verträglich.

Die neuen Beobachtungen qualifizieren das System WISE J104915.57-531906 für den dritten Platz in der Rangliste der Sterndistanzen: Nur das System Alpha Centauri mit seinem 4,2 Lichtjahre entfernten Begleiter Proxima und Barnards Pfeilstern stehen uns näher.

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