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News: Stickstoff unter Druck

Jahrelang rätselten Forscher, was aus Stickstoff würde, wenn man ihn Drücken aussetzt, wie sie sonst nur im tiefsten Erdinneren herrschen. Jetzt endlich gelang die experimentelle Umsetzung: Der Stickstoff wird zum Halbleiter. Und das bleibt er sogar, wenn man ihn wieder vollständig entlastet.
Rund 78 Prozent des Volumens unserer Atmosphäre bestehen aus Stickstoff, einem farb-, geruch- und geschmacklosen Gas, das sich bei minus 196 Grad Celsius verflüssigt und bei minus 210 Grad Celsius erstarrt. Doch in aller Regel ist Stickstoff ein Gas aus zwei Atomen, die über eine der stabilsten Molekülverbindungen überhaupt miteinander verbunden sind.

Über die Veränderung des Aggregatzustandes von Stickstoff bei steigendem Druck ist indes weit weniger bekannt. Theoretisch wird aus dem Gas bei Drücken in der Größenordnung von 100 Gigapascal entweder ein Metall oder ein Halbleiter.

Warum diese Frage bislang unbeantwortet blieb, liegt schlichtweg an den experimentellen Hürden. In Druckkammern, die so klein sind, dass kaum ein Dutzend Bakterien darin Platz fände, lassen sich solche Drücke zwar bereits im Labor herstellen, doch messen lässt sich dann zwischen den Diamantstempeln kaum noch etwas.

Mikhail Eremets und seine Kollegen von der Carnegie Institution of Washington haben derlei Probleme überwunden und setzten das bisschen Stickstoff gleich derart unter Druck, dass in der kleinen Zelle bei 240 Gigapascal Zustände herrschten, wie sie sonst nur im inneren Erdkern vorkommen - allerdings bei wesentlich gemäßigteren Temperaturen, die zwischen minus 173 und plus 27 Grad Celsius lagen. Gleichzeitig waren die Forscher in der Lage, in jeder Phase des Experiments die elektrischen Eigenschaften des Stickstoffs zu messen. Einige der zahlreichen Versuche wurden bei Zimmertemperatur durchgeführt, und dabei beobachteten die Wissenschaftler, wie der Stickstoff bei 140 Gigapascal innerhalb von Minuten schwarz und undurchsichtig wurde und sich der Isolator zum Halbleiter wandelte.

So weit, so gut. Eremets und seinen Mitarbeitern gelang aber dann sogar die kontrollierte Entlastung, wobei der Aggregatzustand des Stickstoffs erhalten blieb - bei Temperaturen unter minus 170 Grad Celsius sogar bis hin zu Atmosphärendruck. Dies ist Ausdruck der überaus langsamen Kinetik - dem zeitlichen Ablauf der Rücktransformation.

Die Forscher sind somit die ersten, denen unter derart hohen Drücken die Messung elektrischer Eigenschaften gelang. Dass sie außerdem klären konnten, dass Stickstoff unter diesen Umständen nicht metallisch wird, sondern zum Halbleiter, wird all die freuen, die sich seit Jahren nur theoretisch den Kopf darüber zerbrechen konnten. Welche Auswirkungen diese Erkenntnisse für eine praktische Anwendung haben, liegt noch im Dunkeln, sicher aber werden die Forscher als nächstes den Wasserstoff unter Druck setzen. Der müsste dann - der Theorie zufolge - zum Metall werden.

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  • Quellen
Nature 411: 170–173 (2001)

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