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Analyseverfahren: Störe meine Felder nicht!

Wenn Wissenschaftler in Ruhe forschen wollen, verschließen sie sich oft in ihren Laboratorien. Nun zogen einige in die Abgeschiedenheit eines nahe gelegenen Waldes und stellten fest, wie herrlich ungestört sich dort physikalische Versuche durchführen lassen.
Lagen Sie schon einmal in der "Röhre"? Damit ist nicht der gute alte Backofen gemeint. Auch die Assoziation mit Hänsel und Gretel, die von einer bösen Hexe knusprig braun gebraten werden sollen, ist hier abwegig. Nein, gemeint ist der Kernspintomograf – jenes medizinische Gerät, in das sich so mancher, der unter chronischen Rückenschmerzen leidet oder einen dauerhaften Druck im Kopf verspürt, auf Anweisung der Ärzte quetschen soll. Und nicht wenige fragen sich: Wenn man schon einen solch gigantischen Apparat entwickelt, warum ist dann der Einstieg so eng geraten?

Die Antwort ist relativ einfach, wenn man das Grundprinzip der Aufnahmetechnik verstanden hat: Mit enorm starken, magnetischen Feldern richten die Mediziner die Atomkerne – vorzugsweise die des Wasserstoffs – im Körper des Patienten zunächst aus, um sie anschließend mit weiteren schnell wechselnden Feldern gezielt durcheinander zu rütteln. Wie einfach sich die Atomkerne dabei aus der Ruhe bringen lassen, und mit welcher Frequenz die Magnetfelder ihre Polarität ändern müssen, um die Kerne möglichst effektiv durchzuschütteln, können die Diagnostiker messen. So fahren sie Millimeter um Millimeter, Schicht für Schicht des Probanden ab und errechnen daraus dann ein Profil der Gewebestruktur. Dabei gilt: je stärker der Richtmagnet, desto besser die Aufnahme. Daher finden sich in vielen medizinischen Einrichtungen opulente Instrumente, die mit tonnenschweren, supraleitenden Spulen arbeiten – wegen ihres Gewichtes oftmals im Keller.

Aber nicht nur Mediziner nutzen die tanzenden Kernspins für ihre Untersuchungen. Auch Chemiker oder Materialforscher nennen solche Geräte ihr Eigen. Sie analysieren damit beispielsweise die Zusammensetzung unbekannter Stoffe oder deren physikalische Eigenschaften im einem Molekülverbund.

Physiker vom Zentralinstitut für Elektronik des Forschungszentrums Jülich und von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zeigen nun, dass man auf die monströsen supraleitenden Spulen verzichten kann und dennoch erstklassige Ergebnisse erzielt. Ihnen genügt das natürliche magnetische Feld der Erde, das gut 100 000 Mal schwächer ist als das der Laborgeräte. Wichtig für die Messung ist jedoch, dass selbst kleinste Störfelder vermieden werden – Stahlkonstruktionen oder Gebäude sollten mindestens hundert Meter entfernt sein. Selbst ein liegen gebliebener Schraubendreher kann das Ergebnis verfälschen.

Stephan Appelt vom Forschungszentrum Jülich und Bernhard Blümich von der RWTH Aachen verlagerten die Arbeitsstätte ihres Forscherteams daher einige Kilometer außerhalb von Jülich in einen nahe gelegenen Wald. Mit ihrer kompakten Apparatur spektroskopierten sie Wasserstoff-, Lithium- und Fluor-Atome in verschiedenen chemischen Zusammensetzungen. Dabei erzielten sie zum Teil zehnmal so gute Ergebnisse wie ihre Kollegen in den herkömmlichen Laboratorien.

Chemiker und Materialforscher können sich nun auf ein neues, sehr präzises Analyseverfahren freuen, das überdies relativ billig ist, weil der teure supraleitende Magnet nunmehr überflüssig wird. Patienten müssen sich aber wohl auch in absehbarer Zeit in die enge Röhre eines Kernspintomografen zwängen – hat sich die Methode der Jülicher und Aachener Arbeitsgruppe doch bislang nur für kleine Proben von wenigen Kubikzentimetern bewährt, die darüber hinaus vorher einem starken Magnetfeld ausgesetzt und innerhalb weniger Sekunden in die Messeinrichtung eingeführt sein mussten. So schnell dürften sich Patienten mit akuten Gebrechen kaum bewegen können.

Aber Appelt und Blümich peilen bereits ein mobiles Arbeitsgerät an, mit dem sie sogar kleinste Änderungen des Erdmagnetfeldes registrieren wollen. Es soll geologische Untersuchungen ermöglichen sowie bei der Suche nach Rohstoffen wie Erdöl helfen. Vielleicht findet es ja auch seinen Weg in die Medizin.

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