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News: Störendes Stückwerk

Immer tiefer dringen Straßen und Siedlungen in ursprüngliche Wälder vor und zerschneiden dadurch den ehemals zusammenhängenden Lebensraum. Viele Arten sterben durch die Isolation aus. Und da jede von ihnen in einem Netzwerk verstrickt war, macht ihr Fehlen auch anderen, zunächst nicht gefährdeten Mitbewohnern das Überleben schwer.
<i>Leptonychia</i>
Mit einer intensiv roten Haut, welche trockene, schwarze Samen einhüllt, lockt die afrikanische Baumart Leptonychia usambarensis Vögel an. Sie sollen die zukünftigen Keimlinge verspeisen und so als Transportvehikel zu neuen Standorten verfrachten. Und obwohl ihnen kein saftiges Fruchtfleisch angeboten wird, gibt es doch eine ganze Reihe von Arten, die sich an den Samen des mittelhohen Bewohners der tansanisch-kenianischen feuchten Bergregenwälder gütlich tun.

Die Bäume sind auf die Unterstützung der Vögel angewiesen, denn die Darmpassage scheint die Keimfähigkeit der Samen zu erhöhen; außerdem liegt die Überlebensquote der Keimlinge in einiger Entfernung vom Mutterbaum höher als direkt unter dessen Krone. Mehrere Vogelarten übernehmen diese Aufgabe, wobei sie nicht ausschließlich an Leptonychia usambarensis fressen, sondern sich auch Früchte und Samen anderer pflanzlicher Regenwaldbewohner schmecken lassen. Ein System also aus mehreren Beteiligten, das daher wenig störanfällig scheint: Fällt einer aus, findet sich bestimmt ein anderer, der dessen Aufgabe übernimmt. Die Gefahr des Aussterbens sollte in einem solchen Netzwerk vergleichsweise gering sein.

Doch der Schein trügt. Norbert Cordeiro und Henry Howe von der University of Illinois in Chicago untersuchten das Vorkommen der Bäume und ihres Jungwuchses im Amani-Naturreservat, einem noch zusammenhängenden Regenwaldareal in den Usambara-Bergen, und nahe gelegenen Fragmenten, die seit mehr als 70 Jahren ihr abgetrenntes Dasein fristen. Dazu erfassten die Wissenschaftler die Vogelwelt der Gebiete und welche aufgespürten Arten davon sich auch wirklich als effiziente Samenverbreiter betätigten.

Erwartungsgemäß stellten die Forscher in den Fragmenten eine geringere Zahl an Vogelarten fest als im ursprünglichen Waldgebiet, obwohl die Liste durch einige Bewohner der aufkommenden Sekundärvegetation ergänzt wurde. Gleichzeitig flogen die potenziellen Samentransporteure offenbar weniger auf die Bäume: Im Naturreservat erhielt ein Baum dreimal häufiger pro Tag Besuch von einem hungrigen Vogel als in den Fragmenten. Dementsprechend wurde in den Waldinseln auch weniger als ein Viertel der schwarzen Knabberkerne vertilgt.

Die Verteilung des Jungwuchses machte die Folgen klar: Während sich die Keimlinge in den Waldstücken vor allem unter der Mutterpflanze tummelten, wuchsen ihre Geschwister im Naturreservat aufgrund des eingeschalteten Vogeltransports vor allem in größerer Entfernung. Insgesamt fiel die Nachkommenschaft in den Fragmenten um die Hälfte magerer aus als im ungestörten Lebensraum.

Ein solcher Rückgang wäre wenig verblüffend, wenn es sich um ein System von Arten handeln würde, die eng aufeinander angewiesen sind, und in dem das Ausfallen einer Komponente somit direkt auf die andere wirkt. Im Fall von Leptonychia aber sind die Beteiligten Generalisten, die noch nicht einmal allzu häufig den rot ummantelten Samen nachstellen – warum also sollten nicht die neuen Nachbarn aus der Sekundärvegetation mit ähnlichen Nahrungsvorlieben deren Rolle übernehmen?

Doch das scheint nicht der Fall, und so ist das Loch, das die ausbleibenden Samenfresser in das Netzwerk reißen, nicht mehr zu stopfen. Daher führt die Zerstückelung des Lebensraumes über das Ausbleiben der Vögel schließlich zur Gefährdung einer Baumart, die auf den ersten Blick kaum in Gefahr war. Wie viel größer ist dann erst das Risiko, wenn Bäume auf spezialisierte Vogelarten angewiesen sind, die normalerweise durch die Verinselung ihres Lebensraumes viel stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.

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