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Quantenphysik: Die seltsame Physik von »Stranger Things«

Die Kultserie »Stranger Things« verbindet Fantasy mit faszinierenden Theorien über Parallelwelten. Aber wie viel Physik steckt wirklich dahinter?
Ein künstlerisches Poster mit dem Titel "Stranger Things" in großen, auffälligen Buchstaben. Im Hintergrund ist eine große rote Zahl 5 zu sehen, die von schwarzen, tentakelartigen Linien umgeben ist. Der Hintergrund ist in einem lebhaften Blau gehalten, mit mehreren "Netflix"-Logos in Orange. Das Design vermittelt ein mysteriöses und spannendes Gefühl, passend zur Serie.
Die fünfte Staffel von »Stranger Things« hat auf der Streamingplattform Netflix einen Zuschauerrekord aufgestellt.

In den fünf Staffeln der beliebten Netflix-Serie »Stranger Things« geht es um eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Teenagern, deren Wohnort von Monstern aus einem anderen Universum heimgesucht wird. Darin auftauchende Demogorgons, Schattenmonster und psychokinetisch begabte Zwölfjährige sind rein fiktive Kreationen. Aber das Konzept des Paralleluniversums, das den Kern der Serie bildet, beruht tatsächlich auf einer wissenschaftlichen Theorie, die Fachleute seit mehr als 75 Jahren immer wieder heiß diskutieren.

Obwohl die Serie im Fantasy- und Science-Fiction-Bereich angesiedelt ist, tauchen darin viele Konzepte aus der Grundlagenphysik auf. Die Prinzipien des Elektromagnetismus erklären wild umherdrehende Kompasse ebenso wie Magnete, die plötzlich von Kühlschranktüren herabfallen. Und in der dritten Staffel können die Charaktere mithilfe des Planckschen Wirkungsquantums h ein Tor zu einem anderen Universum – der Schattenwelt – schließen und so ihre Welt retten (auch wenn sich hier ein kleiner Plotfehler eingeschlichen hat – die Serie spielt zwar in den 1980er Jahren, nutzt aber einen Wert von h, der erst 2014 ermittelt wurde).

Nach dieser spektakulären Aktion stellen die Protagonisten der Serie jedoch fest, dass einer ihrer Freunde in der Schattenwelt gefangen ist. Deshalb fragen sie ihren Lehrer, wie sie dorthin reisen können. Seine Antwort lautet: »Ihr habt über die Viele-Welten-Interpretation von Hugh Everett nachgedacht, nicht wahr?« Diese Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik nimmt die wohl prominenteste wissenschaftliche Rolle in der Serie ein. 

Die Theorie der vielen Welten

In den 1950er Jahren schlug der US-amerikanische Physiker Hugh Everett eine Viele-Welten-Interpretation vor, um die Quantenmechanik begreifbarer zu machen. Seine Theorie hat seither viele Anhänger gefunden. Denn Everetts Arbeit veranschaulicht ein Konzept, das Fachleute teilweise bis heute vor ein Rätsel stellt: das Messproblem. Dabei geht es um die Frage, warum ein Quantensystem offenbar mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen kann (sich etwa an zwei verschiedenen Orten zugleich befindet), aber nach einer Messung in einen festen Zustand zerfällt.

Die gängigste Erklärung für dieses Rätsel, die sogenannte Kopenhagener Deutung, besagt, dass das unbeobachtete Quantensystem in einem überlagerten Zustand beider Möglichkeiten existiert, der durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben wird. Nach einer Messung landet es dann in einem dieser Zustände. Eine wirklich anschauliche Erklärung bleibt dabei aber aus.

Everett genügte das nicht und stellte daher eine geradezu fantastisch anmutende Alternative vor: Das Quantensystem existiert tatsächlich in mehreren Zuständen zugleich – und nach der Messung sieht ein Beobachter nur einen Zustand, weil sich das Universum in zwei Teile aufspaltet. Jede der Möglichkeiten ist demnach in einer anderen Welt realisiert. Die zahllosen Quantenzustände aller Teilchen schaffen Emerett zufolge eine unendliche Anzahl von Universen.

Umstrittene Theorie

Für viele Physiker wirkt diese Idee weit hergeholt – vor allem, weil es keine Möglichkeit gibt, sie zu beweisen oder zu widerlegen, wenn die vielen Welten nicht miteinander interagieren können, sagt der Physiker Jorge Pullin von der Louisiana State University in Baton Rouge. Für andere, darunter den Physiker Sean Carroll von der Johns Hopkins University in Baltimore, ist die Viele-Welten-Interpretation jedoch die eleganteste Erklärung für das Messproblem. Tatsächlich ist diese Interpretation aktuell die drittbeliebteste von den vielen Deutungen der Quantenmechanik, wie eine Umfrage des Fachmagazins »Nature« Anfang des Jahres 2025 ergab.

»Ein Paralleluniversum wäre nicht dramatisch anders als unseres«Sean Carroll, Physiker

Das heißt aber nicht, dass die Physik die Idee einer Schattenwelt mit gesichtslosen Monstern und roten Blitzen unterstützt, wie sie in »Stranger Things« dargestellt wird. Die meisten alternativen Universen wären kaum anders als unser Universum, da die Unterschiede nur in einigen subatomaren Teilchen auftauchen. »Die vielen Welten folgen den gleichen physikalischen Gesetzen und enthalten die gleichen Menschen«, sagt Carroll. »Ein Paralleluniversum wäre von unserem nicht dramatisch verschieden.«

Unmögliche Portale

In »Stranger Things« tauchen die Charaktere durch Portale in Bäumen, Seen und Schulwänden in das Paralleluniversum ein, und die meisten kehren unversehrt von ihrer Reise zurück. Laut der Viele-Welten-Theorie ist es jedoch unmöglich, dass etwas, das in einer Welt passiert, irgendetwas in einer anderen Welt beeinflussen kann – ganz zu schweigen von einer Person, die zwischen den Welten hin- und herreist. Die Art von Portal, die in »Stranger Things« zu sehen ist, wird in der wirklichen Welt wohl unmöglich bleiben, erklärt Pullin. 

Doch nicht alle Fachleute sind davon überzeugt, dass verschiedene Welten völlig isoliert voneinander sind. So argumentierte der Physiker David Deutsch von der University of Oxford, Quantencomputer führten gewisse Berechnungen zeitgleich in unterschiedlichen Universen durch – und könnten so einige Aufgaben deutlich besser meistern als herkömmliche Rechner. Doch auch nach dieser Deutung ist eine universenübergreifende Zusammenarbeit nur für Quantensysteme möglich, aber nicht für Menschen oder riesige Monster.

»Wenn man die physikalischen Theorien genau befolgt, ergibt das keinen besonders spannenden Plot«Jorge Pullin, Physiker

Auch wenn sich »Stranger Things« nicht streng an die Physikbücher hält, bietet es Anlass zu interessanten Spekulationen – genauso wie andere Filme dieser Art. Zum Beispiel werden in »Doctor Strange in the Multiverse of Madness« (2022) und in »Spider-Man: A New Universe« (2018) mehrere Welten vorgestellt, die das Leben der Superhelden verkomplizieren. Und »Sie liebt ihn – sie liebt ihn nicht« (1998) oder »Dark Matter – Der Zeitenläufer« (2024) nutzen das Konzept der vielen Universen, um die unterschiedlichen Entscheidungen der Protagonisten und deren Konsequenzen aufzuzeigen.

In diesen und vielen anderen popkulturellen Beispielen weichen die Autoren stets von den strengen physikalischen Regelwerken ab. Aus Pullins Sicht würde es ohne eine gewisse Verbiegung der physikalischen Gesetze keine solche Faszination für Parallelwelten geben: »Wenn man die physikalischen Theorien genau befolgt, ergibt das keinen besonders spannenden Plot.«

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