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Wetter: Stürme zerlegen auch antarktisches Eis

Nach langen Jahren mit Zuwachs schrumpft mittlerweile auch das Schelfeis rund um den Südpol. Stürme tragen ihren Teil dazu bei. Auch am gefährlichsten Gletscher der Erde?
Nansen-Eisschelf

Lange Zeit trotzte das antarktische Eis der Erderwärmung: Mit Ausnahme der weit nach Norden ragenden Antarktischen Halbinsel hielten sich das Schelfeis und die Gletscher relativ stabil, teilweise wuchs die Eisfläche im Mittel sogar noch an. Doch seit ein paar Jahren hat sich der Trend umgekehrt – die Antarktis verliert demnach inzwischen jährlich etwa dreimal so viel Eis wie zu Beginn des Jahrtausends. Der Verlust beträgt mehr als 200 Milliarden Tonnen pro Jahr; von den drei Billionen Tonnen Eis, die seit 1992 geschmolzen sind, gingen 40 Prozent in den letzten fünf Jahren dahin. Schuld an dem verstärkten Rückgang könnten neben höheren Sommertemperaturen und dem Zustrom wärmeren Meerwassers auch häufigere oder schwerere Stürme sein, wie eine Studie von Wissenschaftlern um Robert Dziak von der National Oceanic and Atmospheric Administration in »Frontiers in Earth Science« nahelegt.

Sie hatten 2015 vor dem Nansen-Eisschelf in der Ostantarktis drei Bojen mit Hydrofonen ausgebracht, um damit Eisbeben aufzuzeichnen. Diese hinterlassen charakteristische akustische Spuren, die beim Brechen von Eismassen entstehen. Besonders massiv traten solche Eisbeben zwischen Januar und März 2016 auf, bevor schließlich am 7. April 2019 zwei gigantische Eisberge vom Eisschelf abbrachen und ins Meer stürzten. »Die starken Winde eines Orkantiefs lösten sie letztlich endgültig vom Eisschelf«, so Dziak: »Der Prozess, der zum Ablösen und Zerfall von Eisschelfen führt, ist noch nicht gänzlich verstanden. Unsere Studie weist darauf hin, dass Stürme dabei eine bislang unterschätzte Rolle spielen könnten.«

Im Januar 2020 will Dziaks Team die Bojen vor dem Nansen-Eisschelf einsammeln und stattdessen die Hydrofone vor dem Thwaites-Gletscher platzieren. Dieser gilt mittlerweile als einer der »gefährlichsten« Gletscher der Welt, da er zum einen über eine gewaltige Eismasse verfügt und zum anderen wie ein Sperrriegel andere Gletscher auf ihrem Weg zum Meer blockiert. Sein Kollaps würde den Meeresspiegelanstieg weiter beschleunigen und das Gletschergefüge der Westantarktis drastisch verändern. An einer Stelle haben Glaziologen bereits eine rund zehn Kilometer lange, vier Kilometer breite und bis zu 300 Meter hohe Höhle ausgemacht, die wohl während der letzten zehn Jahre entstanden ist. Insgesamt sind hier schätzungsweise 14 Milliarden Tonnen Eis geschmolzen. Angesichts der Gesamtmasse des Thwaites-Gletschers ist das immer noch relativ wenig, doch destabilisieren Löcher wie dieses die Gletscherfront und erleichtern ihren Zusammenbruch.

Würde der Thwaites-Gletscher komplett schmelzen, stiege der Meeresspiegel um 65 Zentimeter; durch die Nachbargletscher könnten weitere 1,8 Meter hinzukommen, so die Schätzungen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Gletscherlinie an der Ostflanke zurückzieht, verdoppelte sich im letzten Jahrzehnt von 600 Metern pro Jahr zwischen 1992 und 2011 auf mittlerweile 1,2 Kilometer pro Jahr von 2011 bis 2017. Insgesamt sei der gesamte Eisverlust aber immer noch geringer als auf der Westseite, schreiben Forscher. Dort ziehe sich die Grundlinie des Eises – also der Bereich, wo es auf dem Untergrund liegt – seit 1992 relativ stetig mit 600 bis 800 Metern pro Jahr zurück.

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