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Energie der Zukunft - Zukunft der Energien: Stürmisch

Selbst wenn das Alte Testament stimmt und man Sturm erntet, wenn man Wind sät, reicht das nicht, um entspannt in eine gesicherte Zukunft der Energieversorgung blicken zu können.
Windräder über einem Wald
Früher wurde die Kraft des Windes hauptsächlich als "Treibstoff" genutzt: Die heutigen Segeljachten sind nostalgische Erinnerungen an diese gute alte Zeit. Damals haben Abenteurer wie Christoph Kolumbus mit betakelten Schiffen neue Welten entdeckt. Doch trugen einen die Winde nicht nur in die Ferne. In flachen Gegenden, dort wo es keine schnell fließenden Gewässer gab, nutzten die Menschen die Kraft der Lüfte überdies, um beispielsweise Eisen zu schmieden oder Korn zu mahlen.

Fossile Energieträger wie Kohle oder Öl haben die Windmühlen der vergangenen Jahrhunderte weitgehend verdrängt. Doch seit geraumer Zeit erleben sie eine Renaissance. Nicht nur in Europa, auch in Asien – insbesondere in Indien – sowie in den Vereinigten Staaten boomt das Geschäft mit den sich drehenden Rotoren. Heute bringen sie Spannung in unser Leben; sie erzeugen Elektrizität. Beträgt der Anteil der Windkraft an der Stromversorgung europaweit derzeit etwa drei Prozent, prognostiziert die European Wind Energy Association bis zum Jahr 2030 einen Anstieg auf um die 25 Prozent. Die im Kreis herumwirbelnden Flügel sollen in Europa dann insgesamt 300 Gigawatt Leistung erbringen, genug um etwa 200 Millionen private Haushalte mit Strom zu versorgen.

Marktentwicklung weltweit | Pro Jahr auf der Welt neu installierte Leistung (in Megawatt): Deutschland gilt in diesem Markt als führend in der Welt.
Die Dynamik ergreift die ganze Erde. Weltweit schätzen die Experten für das Jahr 2005 einen Zuwachs an neu installierter Leistung von rund 11 Gigawatt. Das entspricht einer Steigerung von etwa 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit erreichen die Rotoren global nunmehr insgesamt 59 Gigawatt. Die Hälfte des weltweiten Marktvolumens von mehr als 11 Milliarden Euro wird von der Deutschen Industrie erwirtschaftet – meist von kleinen oder mittelständischen Unternehmen. Doch schielen ebenso die großen Energieerzeuger bereits nach dieser lukrativen Einnahmequelle. In Deutschland liefert die Branche nach eigenen Angaben bereits mehr Strom als die Wasserkraft, und sie beschäftigt rund 64 000 Menschen. Die etwa 18 000 deutschen Windräder besitzen zusammen eine elektrische Leistung von 18 Gigawatt. Das ist nahezu so viel, wie die aller deutscher Kernkraftwerke (22 Gigawatt) – wenngleich die Windkonverter deutlich weniger Strom produzieren, weil sie den Unbillen des Wetters ausgeliefert sind und sich daher nicht kontinuierlich drehen können.

Additiv statt alternativ

Das ist ein Problem der Windenergieerzeuger: Will man wegen eines dummen Zufalls nicht irgendwann einmal im Dunkeln sitzen, weil in ganz Deutschland plötzlich Flaute herrscht, machen die Anlagen bislang nur Sinn, wenn sie in einem größeren Verbund mit anderen Anlagen zusammen arbeiten. Oder es geschieht ein kleines Wunder, und irgendjemand erfindet die ultimative Batterie. Viele träumen zwar davon, aus der Bewegungsenergie der Luft einmal Wasserstoff herzustellen – einen an und für sich idealen Energiespeicher. Doch ist diese Art der Energieumwandlung nicht sehr effektiv: Schließlich muss aus Wind zunächst Strom gewonnen werden, diesen nutzt man dann, um Wasserstoff herzustellen, aus dem schlussendlich wieder Elektrizität wird. Aber so viel Potenzial, dass man so verschwenderisch mit den Ressourcen umgehen kann, haben die Lüftchen nicht.

Daher spricht man beim Wind schon seit langen nicht mehr von einer alternativen Energiequelle, sondern von einer additiven. Sie tritt nicht an, um Erdöl oder Erdgas überflüssig zu machen, zumal es sich hierbei zudem um Kraftstoffe handelt, die vornehmlich dazu dienen, als Benzin oder Diesel ein gewisses Maß an Mobilität zu gewährleisten, oder – im Falle des Erdgases – um Wärme zu erzeugen. Aus den Luftzügen soll dagegen Elektrizität gewonnen werden. In dieser Funktion treten sie aber – zusammen mit dem Wasser und der Sonne – an, das Ende der Kernenergie möglich machen zu wollen. Wichtigstes Attribut dieser Atom-Konkurrenten: Sie zählen zu den erneuerbaren Quellen. Daher sprechen die Betreiber der Anlagen oft davon, den Wind zu ernten: Die Energie, die sie der bewegten Luft entziehen, liefert unser Zentralgestirn – die Sonne – flugs nach, ohne merklich davon betroffen zu sein.

Doch gibt es – zumindest in Deutschland – eine Schwierigkeit: An guten – weil windigen – Standorten steht bereits ein Windkonverter am anderen. Das Problem ist weniger optischer Natur, wenngleich Windkraftgegner – auch davon gibt es nicht wenige – nicht selten von einer "Verspargelung" Deutschlands sprechen. Angesichts der Menge an hässlichen Überlandstrommasten, die in Hunderten von Kilometer langen Ketten ausgehend von großen, zentralen Kraftwerksanlagen quer durchs Bundesgebiet ziehen – und offenbar niemanden stören – eine merkwürdige Empörung. Mittlerweile fehlt es in Deutschland aber an geeigneten Standorten für Windräder.

Aufs offene Meer

Daher zieht es die Windkraftwerkserbauer aufs offene Meer. Hier stören weder Berge noch Täler, weder Gebäude noch Bäume den freien Zug der Luft. Deutsche Betreiber glauben, mit so genannten Offshorewindparks die zu erntende Leistung mindestens noch einmal verdoppeln zu können. Doch fehlen bislang Erfahrungen mit dem Betrieb solcher weit vor der Küste liegenden Anlagen, die nicht nur der rauen See dauerhaft trotzen müssen, sondern auch besonders pflegeleicht sein sollen, weil Wartungsarbeiter jeweils relativ lange Anfahrtswege hätten.

Damit kommen wir zur zweiten großen Herausforderung für den Ausbau von Windrädern: Zwar ist die Technik prinzipiell schon sehr alt. Für Hochleistungsmaschinen müssen aber viele Komponenten neu entwickelt werden. Erreichen heutige Anlagen doch bereits Spannweiten von über 120 Metern. Die auf die Rotorblätter wirkenden Kräfte sind so enorm, dass sie oft nur noch von speziell entwickelten Verbundwerkstoffen aufgenommen werden können. Um die Effizienz der Anlagen zu steigern, arbeiten viele Wissenschaftler zudem an Vorhersagemodellen, um den Stromkonzernen einiger Maßen sicher sagen zu können, wann mit wie viel Energie aus den Windrädern zu rechnen ist. Und damit die Stromnetze mit der wechselhaften Einspeisung, die schädliche Spannungsspitzen im Verbundsystem erzeugen können, nicht überfordert werden, benötigen die Anlagen moderne Elektronik.

An all diesen Herausforderungen wird derzeit fieberhaft geforscht und getüftelt. Relativ sicher ist aber eines: Die Windenergie wird einen merklichen Beitrag zum künftigen Energiemix liefern. Wie groß der genau sein wird, muss die Zukunft zeigen.

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