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Saturn: Stürmische Zeiten auf dem Ringplaneten

Der Große Weiße Fleck auf Saturn
Saturn wirkt im Fernrohr als ein ruhiger attraktiver Himmelskörper, der in einem gelblichbraunen Licht leuchtet. Nur vage Streifen zeigen sich auf seiner Planetenkugel – ein großer Unterschied zu seinem inneren Nachbarplaneten Jupiter, dessen Atmosphäre sich stetig wandelt. Aber Saturn ist nicht so ruhig wie er auf den ersten Blick aussieht: Schon in den frühen 1980er Jahren maßen die beiden Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 bei ihren Vorbeiflügen Windgeschwindigkeiten um bis zu 1000 Kilometer in der Stunde und beobachteten in der Wolkendecke zahlreiche Gaswirbel heftiger Stürme. Dass Saturn im Fernrohr so unauffällig wirkt, liegt an einer dichten Dunstschicht oberhalb der eigentlichen Wolkendecke, welche die Kontraste stark reduziert.

Im Dezember 2010 änderte sich das ruhige Bild von Saturn drastisch, als Amateurbeobachter auf der Erde und die Raumsonde Cassini im Saturnsystem auf der Nordhalbkugel des Planeten bei mittleren Breiten einen hellen Fleck registrierten. Innerhalb weniger Tage weitete sich der bei 38 Grad Nord befindliche Fleck immer stärker aus und war bald darauf größer als der Durchmesser der Erde. Nun begann er sich weiter nach Osten entlang des Breitengrads auszudehnen, bis er zwei Monate später praktisch den gesamten Planeten umspannte. Er erhielt die inoffizielle Bezeichnung "Großer Weißer Fleck" in Anlehnung an den größten permanenten Sturmwirbel auf dem Jupiter, dem "Großen Roten Fleck".
Der Große Weiße Fleck auf Saturn | So stellte sich der Große Weiße Fleck auf Saturn dem Kamera-Auge der Raumsonde Cassini am 24. Dezember 2010 dar. Der Sturm erstreckt sich über eine Breite von 10 000 Kilometern und über eine Länge von 17 000 Kilometern, aber sein nach Osten weisender Schweif ist noch sehr viel länger.

Dies ist nicht die erste Beobachtung eines solchen gigantischen Sturmsystems auf dem Ringplaneten. In den zurückliegenden 130 Jahren systematischer Saturnbeobachtungen wurden bereits fünf ähnliche Ereignisse beobachtet, das letzte im Jahre 1990. Diesmal aber haben wir einen Beobachter vor Ort, die Raumsonde Cassini, die seit Juli 2004 den Ringplaneten umkreist und seitdem viele zehntausend Bilder und Messdaten zur Erde funkte. Dadurch haben wir einen so detaillierten Einblick in das Geschehen wie niemals zuvor.

In der Regel treten diese großen Sturmereignisse rund einmal pro Saturnjahr (29,5 Erdjahre) auf, was auf einen Zusammenhang mit den ausgeprägten Jahreszeiten auf dem Ringplaneten hinweist. Sie ereignen sich meistens im späten nördlichen Frühjahr oder frühen Sommer. Dieses Mal erschien der Sturm aber überraschend früh, denn das nördliche Frühjahr hat gerade erst begonnen. Nun veröffentlichten zwei Forscherteams ihre Erkenntnisse über den Großen Weißen Fleck auf Saturn in der Fachzeitschrift Nature vom 7. Mai 2011.

Schema der Sturmzone auf Saturn | Nach den Modellen der beiden Forschergruppen um Agustin Sánchez-Lavega und Georg Fischer lässt sich das Geschehen im Großen Weißen Fleck auf Saturn so verstehen: Aus einer Tiefe von rund 250 Kilometern unterhalb der sichtbaren Wolkenoberfläche von Saturn steigen warme Gasmassen aus einem Druckbereich von zehn Bar auf, die größere Mengen an Ammoniak und Wasser enthalten. Sie sind hier mit grünen Pfeilen markiert. Stoßen die Gasmassen auf die Tropopause, so bilden sich helle weiße Wolken aus Ammoniakeis, die sich entlang dieser Schichtgrenze horizontal ausbreiten und damit an die charakteristischen Amboss-Wolken irdischer Gewitter erinnern. Diese Wolken werden von starken Windströmungen in der oberen Atmosphäre erfasst, die in östlicher Richtung wehen. Dadurch entsteht der auf den Bildern der Raumsonde Cassini sichtbare Schweif des Großen Weißen Flecks. Das Gebiet mit den aufwallenden warmen Luftmassen scheint sich in westlicher Richtung zu bewegen, da in den tieferen Schichten westliche Winde vorherrschen.
Die Beobachtungen des Forscherteams um Agustin Sánchez-Lavega von der Escuela Técnica Superior de Ingenierá in Bilbao, Spanien, belegen, dass der Große Weiße Fleck eine Abfolge riesiger Gewitterzellen ist, die durch das Aufwallen von Wärme und Feuchtigkeit aus tieferen Atmosphärenschichten des Saturn entstehen. Es sind so genannte Konvektionszellen, in deren Inneren wärmere Gasmassen durch Auftrieb emporsteigen und an ihren Rändern kühlere Gasmassen wieder absinken.

Dass es Gewitter sind, konnte das zweite Forscherteam Georg Fischer an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz anhand von Radiowellenbeobachtungen mit der Raumsonde Cassini belegen. Das Radio- und Plasmawellen-Instrument RPWS registrierte ab dem 5. Dezember 2010 eine stark erhöhte Blitzaktivität auf Saturn, die sich mit der Position des Großen Weißen Flecks deckte. Blitze strahlen neben sichtbarem Licht auch Radiowellen aus, die sich mit entsprechenden Empfängern registrieren lassen. Zeitweise maß RPWS rund zehn Blitze pro Sekunde, deren Radioemissionen bis zu zehntausendmal mal so stark waren wie vergleichbare Freisetzungen in der irdischen Atmosphäre. Die Messdaten bestätigen die Anwesenheit von mehreren Gewitterzellen in einem 5000 bis 8000 Kilometer großen Gebiet unterhalb des Großen Weißen Flecks.

Als Ursache für das Sturmsystem gehen die beiden Forscherteams von Konvektionszellen im Saturninneren aus. Diese befördern aus der tiefsten Schicht der Saturnatmosphäre, der Troposphäre, große Mengen von Wasserdampf und Ammoniak (NH3) in die Hochatmosphäre. Erreicht diese feuchte Mischung eine Region mit kühleren Temperaturen, so kondensiert der Wasserdampf und setzt dabei große Mengen latenter Wärme frei. Diese feuchtigkeitsverstärkte Konvektion transportiert so effizient Wärmeenergie, dass nur wenige aufsteigende Luftsäulen benötigt werden, um die gesamte aufwallende Wärmemenge aus den tieferen Schichten bis an die Wolkenoberfläche des Planeten zu transportieren.

Wahrscheinlich steigen die wasserdampfhaltigen Gasmassen aus rund 250 Kilometer Tiefe unterhalb der sichtbaren Wolkenschicht auf, wo Drücke zwischen zehn und zwölf Bar herrschen. Dort sagen die Modelle des inneren Aufbaus der Saturnatmosphäre die untere Grenze einer aus Wasserdampf bestehenden Wolkenschicht voraus. Darunter ist es für kondensiertes Wasser in Form von Nebeltröpfchen zu heiß. Die feuchten Gasmassen steigen bis in eine Schicht aus Ammoniakeiswolken bei Drücken zwischen ein und zwei Bar auf, worauf der Wasserdampf kondensiert.

Saturn durchläuft wegen seiner Achsenneigung von rund 27 Grad gegenüber der Umlaufebene ausgeprägte Jahreszeiten, die somit zu sehr unterschiedlicher Sonneneinstrahlung in die obere Troposphäre und die direkt darüber befindliche Stratosphäre führen. Allerdings sollte das direkte Sonnenlicht nur in die obersten Schichten der Troposphäre eindringen, also oberhalb der Schicht, wo Wasserdampf zu Wasser kondensiert und dabei latente Wärme freisetzt. Wie kann aber die variable Sonneneinstrahlung auf Saturn das Wettergeschehen eines Großen Weißen Flecks beeinflussen?

Ein Atmosphärenmodell der Arbeitsgruppe um Sánchez-Lavega versucht darauf eine Antwort zu geben. Ihre Beobachtungen weisen darauf hin, dass die auffälligen hellen weißen Wolken an der Saturnoberfläche dann entstehen, wenn eine Aufwallung warmer feuchter Luft Partikel aus gefrorenem Ammoniak und Wassereis in die obere Troposphäre transportiert. Dazu müssen sie mit Windgeschwindigkeiten von mehreren Metern pro Sekunde aufsteigen, in tieferen Lagen könnten diese sogar mehr als 100 Meter pro Sekunde betragen. Das jetzt im Saturnfrühjahr nach 30 Jahren wieder stärker einfallende Sonnenlicht stört nun in dieser Schicht die thermische Struktur der im Druckbereich von ein bis zwei Bar vorherrschenden Wolken aus Ammoniakeis. Dann haben die unterhalb befindlichen Konvektionszellen mit ihrem Wasserdampf eine Chance, die in ihnen steckende Wärme bis an die sichtbare Oberfläche des Ringplaneten zu transportieren, wodurch ein Großer Weißer Fleck entsteht und die Wärme schließlich in den Weltraum abgestrahlt werden kann.

Tilmann Althaus

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  • Quellen
Sánchez-Lavega, A. et al.: Deep winds beneath Saturn's upper clouds from a seasonal long-lived planetary-scale storm. In: Nature 475, S. 71 – 74, 2011. doi:10.1038/nature10203

Fischer, G. et al.: A giant thunderstorm on Saturn. In: Nature 475, S. 75 – 77, 2011. doi:10.1038/nature10205

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