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Wettlauf gegen die Zeit: Suche nach vermisstem Tauchboot technisch herausfordernd

Mit einem kleinen Tauchboot wollten »Titanic«-Fans zum berühmten Wrack gelangen. Doch nun wird die »Titan« selbst vermisst. Kommunikation und Ortung sind unter Wasser laut Experten schwierig.
Das vermisste Tauchboot »Titan«
Im Mittelatlantik läuft eine groß angelegte Such- und Rettungsaktion, nachdem das Tauchboot »Titan« mit fünf Insassen bei einem Tauchgang zum Wrack der »Titanic« verschwunden ist.

Update vom 22. Juni: Nach dem Fund von Trümmerteilen im Suchgebiet geht die US-Küstenwache inzwischen vom Tod aller Passagiere aus.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: In der Nähe des »Titanic«-Wracks im Atlantik suchen Rettungskräfte nach fünf Vermissten in einem verschollenen Tauchboot. »Wir setzen alle verfügbaren Mittel ein, um sicherzustellen, dass wir das Schiff lokalisieren und die Menschen an Bord retten können«, sagte Kommandant John Mauger von der US-Küstenwache am Montagnachmittag (Ortszeit) in Boston. Das Boot wird bereits seit mehr als 24 Stunden vermisst.

Das Unternehmen Oceangate Expeditions bringt gelegentlich Privatleute für viel Geld zum Wrack der 1912 gesunkenen, weltberühmten »Titanic«, die am Grund des Ozeans in 3800 Metern Tiefe liegt. Zu den Insassen der vermissten »Titan« sollen ein milliardenschwerer britisch-pakistanischer Geschäftsmann, dessen 19-jähriger Sohn sowie der britische Unternehmer und Abenteurer Hamish Harding gehören, der seine Teilnahme in den sozialen Medien angekündigt hatte. Nun gehe es zunächst darum, das Tauchboot an der Wasseroberfläche oder in der Tiefe des Ozeans aufzuspüren, sagte Mauger.

Da der Sauerstoff in der knapp sieben Meter langen »Titan« nach Betreiberangaben für 96 Stunden reiche, gehe man davon aus, dass derzeit weniger als 70 Stunden bleiben. »Wir prüfen und mobilisieren alle Optionen, um die Besatzung sicher zurückzubringen«, zitierte die britische »BBC« aus einer Mitteilung von Oceangate Expeditions.

Zur Ortung werden mehrere Flugzeuge und Schiffe sowie Bojen mit Sonar an Bord eingesetzt, die Geräusche in einer Meerestiefe von bis zu knapp 4000 Metern erfassen können. Erst wenn der genaue Ort des Bootes klar sei, könne eine mögliche Rettung angegangen werden, sagte Kommandant Mauger. Bei der groß angelegten Rettungsaktion arbeitet die US-Küstenwache mit kanadischen Einsatzkräften und privaten Booten und Handelsschiffen an der vermuteten Stelle rund 1500 Kilometer östlich der US-Metropole Boston zusammen.

Die fünf Vermissten hatten den Tauchgang den Angaben zufolge am Sonntagmorgen (Ortszeit) begonnen. Die Besatzung des kanadischen Begleitschiffs »Polar Prince« habe nach etwa einer Stunde und 45 Minuten den Kontakt verloren. Das Tauchboot bringt von seinem Heimathafen St. John´s auf der kanadischen Insel Neufundland für 250 000 Dollar (229 000 Euro) pro Person gelegentlich Touristen zum Wrack der »Titanic«. Bei der »Titan« handelt es sich im engeren Sinn nicht um ein U-Boot, weil es nicht aus eigener Kraft in Häfen ein- und ausfährt.

Oceangate zufolge dauern die Touren insgesamt acht Tage. Das Unternehmen bewirbt die Fahrten mit dem Kohlefaser-Tauchboot laut »BBC« als Chance, »aus dem Alltag herauszutreten und etwas wirklich Außergewöhnliches zu erleben«. Die Firma hatte kürzlich mitgeteilt, dass eine Expedition unterwegs sei.

Der Ozeanforscher Robert Blasiak vom Stockholm Resilience Centre wies gegenüber der »BBC« auf die schwierigen Bedingungen im Suchgebiet hin. »Der Ozean ist im Durchschnitt vier Kilometer tief, dieses U-Boot befindet sich also in großer Tiefe«, sagte Blasiak. »Wir wissen, wo die ›Titanic‹ ist, aber wir wissen nicht, wo das Tauchboot ist. Es könnte also sein, dass es bei Weitem nicht so tief unterwegs ist, und darauf sollten wir alle zum jetzigen Zeitpunkt hoffen.«

Dem australischen U-Boot-Experten Eric Fusil von der University of Adelaide zufolge ist es zudem extrem schwierig, von der Wasseroberfläche aus mit dem Tauchboot zu kommunizieren. »Leider blockiert das Meerwasser die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen sehr schnell«, sagte er dem australischen Science Media Center. »Deshalb sind die Ortung per Radar oder GPS kaum möglich, Scheinwerfer- oder Laserstrahlen werden innerhalb weniger Meter absorbiert.« Die einzige Chance sei derzeit, das Gebiet mit einem akustischen Sonargerät abzusuchen. Er sei sich aber nicht sicher, wie nah und vor allem wie schnell man mit solchen Instrumenten an das Gebiet herankommen könne.

Fusil nannte mehrere mögliche Szenarien, die zu einem Kommunikationsverlust hätten führen können: Stromausfall, Feuer an Bord, Implosion auf Grund von Defekten im Rumpf und unvorhergesehene Verwicklungen unter Wasser wie Strömungen oder Wrackteile, in denen sich das Gefährt möglicherweise verheddert hat. Je nach Art des Problems stünden die Chance für die Insassen schlecht, lebend geborgen zu werden.

»Unterwasserfahrten sind aus technischer Sicht genauso herausfordernd wie Weltraumfahrten, wenn nicht noch anspruchsvoller«Eric Fusil, U-Boot-Experte

Der Schiffbau-Ingenieur Alistair Greig vom University College London sagte im Gespräch mit der »BBC«, es würde womöglich schwierig, das Gefährt an die Oberfläche zu holen, wenn es nicht mehr aus eigener Kraft vom Meeresboden aufsteigen könne. »Auch wenn das Tauchboot noch intakt ist, gibt es, wenn es tiefer als 200 Meter ist, nur sehr wenige Schiffe, die so tief vordringen können, und schon gar keine Taucher«, sagte Greig. »Die für die U-Boot-Rettung der Marine konzipierten Fahrzeuge können sicherlich nicht annähernd in die Tiefe der ›Titanic‹ vordringen. Und selbst, wenn sie es könnten, bezweifle ich sehr, dass sie an der Luke des Touristentauchboots festmachen könnten.«

Die Uhr tickt. »Jeder U-Boot- und Tieftaucher weiß, wie unbarmherzig die Unterwasserwelt ist«, warnte Eric Fusil. »Unterwasserfahrten sind aus technischer Sicht genauso herausfordernd wie Weltraumfahrten, wenn nicht noch anspruchsvoller.« (dpa/kmh)

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