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Drogenpolitik: Erste Bilanz nach Teillegalisierung von Cannabis

Der Cannabiskonsum der Deutschen hat sich in den Monaten nach der Teillegalisierung nicht dramatisch verändert, wie Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys 2024 zeigen.
Mann raucht einen Joint in der Nahaufnahme
Griffen seit der Einführung des Cannabisgesetz mehr Menschen zu Joint & Co? Der Epidemiologische Suchtsurvey liefert erste Daten zu dieser Frage.

Im April 2024 trat in Deutschland das umstrittene Cannabisgesetz in Kraft. Seither dürfen Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen Hanfpflanzen privat anbauen und berauschende Pflanzenteile erwerben sowie konsumieren. Kritiker der Teillegalisierung befürchteten daraufhin einen steilen Anstieg des Konsums der Droge. Die Bundesregierung nahm die Sorge ernst – und einigte sich darauf, die Auswirkungen wissenschaftlich engmaschig zu verfolgen. Nun liegen erste Daten zur Nutzung des Rauschmittels vor, die in den Monaten nach der Gesetzesnovelle erhoben wurden. Diese zeigen vor allem eines: Noch ist es zu früh, um daraus belastbare Schlüsse abzuleiten.

Das Fazit lässt sich auf Basis des neuesten Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) ziehen, der am 14. November 2025 veröffentlicht wurde. Alle drei Jahre erfassen Fachleute um Eva Hoch Trends zum Konsum unterschiedlicher Drogen in Deutschland, indem sie eine repräsentative Bevölkerungsgruppe dazu befragen. Im Jahr 2024 nahmen 7534 Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren an dieser Untersuchung teil.

Die Detailauswertung zu Cannabis zeigt zwar einen leichten Anstieg. Dieser lässt sich jedoch bereits seit mehreren Jahren in einem ähnlichen Ausmaß beobachten. So gaben 2012 rund 4,5 Prozent der Befragten an, im Vorjahr mindestens einmal zu Cannabis gegriffen zu haben. Im Jahr 2015 waren es bereits 6,1 Prozent, 2021 war die Zahl auf 8,8 Prozent angestiegen. In der Erfassung für 2024 sind es nun 9,8 Prozent. Der Anteil jener, die Cannabis regelmäßig nutzten, nahm zwischen 2021 und 2024 zwar etwas stärker zu, blieb jedoch im erwarteten Rahmen. Die Zahl der stark Konsumierenden – also jener Personen, die das Rauschmittel täglich oder nahezu täglich einnahmen – blieb stabil.

Ein zusätzlicher Boost durch die Teillegalisierung ist in den Daten demnach nicht erkennbar. Das war auch kaum zu erwarten, denn: Zum Zeitpunkt der Befragung, die zwischen August und Dezember 2024 stattfand, war das neue Gesetz erst wenige Monate in Kraft. »Die Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurveys sind nicht überraschend«, sagt Jakob Manthey, Suchtforscher am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, gegenüber dem SMC, und ergänzt: »Die ESA-Studie bestätigt vorherige Annahmen, dass sich die Cannabislegalisierung auf diesen Trend kurzfristig nicht auszuwirken scheint.«

Jugendliche und junge Erwachsene haben ein besonders hohes Risiko, ihrer Gesundheit zu schaden, wenn sie Cannabis nutzen. Der Survey erfasst jedoch nicht, wie sich das Konsumverhalten in dieser Untergruppe entwickelt hat. Daniel Kotz vom Universitätsklinikum Düsseldorf weist gegenüber dem SMC auf Beobachtungen aus einer anderen Untersuchung hin. »Laut aktuellen Zahlen der Drogenaffinitätsstudie des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) hat sich die Prävalenz bei den 12- bis 17-Jährigen auch nach Einführung des Gesetzes nicht verändert«, erläutert er.

Am häufigsten gaben ESA-Befragte an, Cannabis in Form von Joints zu rauchen, oft gemischt mit Tabak. Jene, die die Droge regelmäßig einnahmen, nutzten verstärkt Wasserpfeifen oder Verdampfer. Rund ein Viertel der Cannabiskonsumenten bejahte 2024, Mitglied in einem Verein zu sein, in dem Menschen gemeinschaftlich Hanf anbauen. Die nur geringfügig gestiegenen Zahlen der Nutzerinnen und Nutzer deuten darauf hin, dass viele dieser Klubmitglieder bereits vor der Teillegalisierung Kontakt mit der Droge gehabt haben dürften.

Der Survey habe zwar gewisse Einschränkungen, wie Jakob Manthey betont. »An der ESA-Studie 2024 haben 78 Prozent der Eingeladenen nicht teilgenommen. Ich nehme an, dass Konsumprobleme unter diesen Personen stärker vertreten sind«, erklärt er. Da die Befragung jedoch mehrmals wiederholt in dieser Form stattfand, könne man die Ergebnisse trotzdem zum Vergleich über mehrere Befragungszyklen nutzen. »Es handelt sich um eine hochwertige Studie mit dem besonderen Vorteil, dass sie seit vielen Jahren mit gleichbleibender Methodik durchgeführt wird«, meint auch Daniel Kotz. »Dies ermöglicht die Beobachtung von Trends auf Bundesebene«.

Der nächste Epidemiologische Suchtsurvey ist für Ende 2026 geplant und soll 2027 veröffentlicht werden.

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