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News: Süchtig nach Liebe?

Manche Tiere und manche Menschen bleiben sich ein Leben lang treu. Doch wären sicher einige tief beleidigt, bezeichnete man ihre ewige Liebe als pure Biochemie. Präriewühlmäuse können dagegen allerdings wenig einwenden: Bei ihnen ist offensichtlich ein einziger Neurotransmitter im Gehirn für die lebenslange Paarbindung verantwortlich. Denn je mehr Rezeptoren sie dafür aufweisen, desto früher und fester binden sie sich. Der Mechanismus gleicht den Prozessen, die im Gehirn von Süchtigen ablaufen.
Das Liebesleben der Präriewühlmaus (Microtus ochrogaster) würden manche als vorbildlich beschreiben: Haben sie sich einmal für einen Partner entschieden, bleiben sie ihm lebenslang treu. Dahinter stecken jedoch nicht hohe Moralansprüche, sondern reine Biochemie. Denn der Neurotransmitter Vasopressin sorgt im Gehirn der Tiere offenbar dafür, dass sie sich schnell zu Pärchen zusammenfinden.

Diese Erkenntnisse aus früheren Versuchen wollten Lauren Pitkow und ihre Kollegen von der Emory University experimentell überprüfen. Per Gentherapie schleusten sie männlichen, zwei bis fünf Monate alten Mäusen das Gen für den Vasopressin-Rezeptor V1aR ein. Als Zielort wählten sie das ventrale Pallidum, eine Region des Endhirns. Untersuchungen hatten gezeigt, dass alle monogamen Wühlmäuse hier eine höhere Dichte an Vasopressin-Rezeptoren aufweisen als ihre polygamen Verwandten.

Die Gentherapie verlief erfolgreich: Die Dichte der Rezeptoren in dieser Region stieg bei den behandelten Tieren um fast 100 Prozent. Die Forscher setzten die Mäuse nun für 17 Stunden mit Weibchen zusammen, doch sie paarten sich nicht. Das passt zu bekannten Forschungsergebnissen, bei denen sich die Nager frühestens nach 24 Stunden paarten.

Anschließend führten die Wissenschaftler ihre Versuchstiere in Versuchung: Sie platzierten die Mäuse in einem Käfig zwischen dem bereits näher beschnupperten Weibchen und einer Unbekannten. Während die Angehörigen der Kontrollgruppe sich nicht so recht entscheiden konnten, lag die Vorliebe bei den genetisch veränderten Artgenossen ganz klar bei der ersten Bekanntschaft: Zwölf der 13 Tiere verbrachten mehr als doppelt soviel Zeit in deren Käfig als in dem der neuen Nachbarin.

Die Mäuse hatten also bereits viel schneller erste haltbare Bande geknüpft – allein aufgrund der höheren Zahl an Rezeptoren. "Wir wissen außerdem, dass diese Region mit Suchtverhalten und Bestätigung zusammenhängt", erklärt Larry Young, der Leiter der Arbeitsgruppe. "Deshalb gingen wir davon aus, dass die Aktivierung des Rezeptors in dieser Region die Paarbindung durch einen Mechanismus fördert, der ähnlich einer Konditionierung abläuft."

Wird das Vasopressin während sozialen Interaktionen freigesetzt, aktiviert es den V1a-Rezeptor im ventralen Pallidum. Dadurch entsteht ein Belohnungsmechanismus, der die Mäuse in diesem Verhalten bestärkt. Die Folge ist, dass die Tiere ihre sozialen Kontakte weiter intensivieren und sich bald auf einen Partner konzentrieren. Und da polygamen Mäusen die Rezeptoren fehlen, können sie sich wahrscheinlich nicht fürs Leben binden – die Sucht nach ewiger Treue fehlt.

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