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Invasive Arten: Südamerikanische Biberratte wird sich weiter ausbreiten

Schon jetzt haben sich die Nutrias vielerorts in Europa etabliert. Wie Forscher berechnet haben, bieten vor allem Regionen hier zu Lande günstige Habitate. Zudem könnte der Klimawandel die Ausbreitung der Nager beeinflussen.
Nase eines Nutrias

Einst brachten Händler die Biberratte oder Nutria aus Südamerika nach Europa, um sie in Pelztierfarmen zu züchten, doch inzwischen leben viele der biberähnlichen Tiere als invasive Art an europäischen Flüssen und Gewässern. Wie Forscher um Anna Schertler von der Universität Wien nun in der Fachzeitschrift »NeoBiota« berichten, bieten Gebiete in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg besonders günstige Bedingungen für die biberähnlichen Nager. Ob der Klimawandel die Ausbreitung beeinflusst, können die Forscher zwar nicht präzise abbilden, aber sie gehen davon aus, dass die Tiere in nördlichere Habitate ausweichen und vor allem Südeuropa weniger lebensfreundlich für sie werden dürfte.

Nutrias (Myocastor coypus) sehen zwar den Bibern ähnlich, sind aber mit einem durchschnittlich halben Meter Körperlänge etwas kleiner als jene. Zudem sind die Pflanzenfresser an ihrem runden, mit Schuppen bedeckten Schwanz sowie ihren schmutzig gelben Vorderzähnen zu erkennen. Seit 2015 werden die Nager laut EU-Verordnung als invasive Art gelistet. Das heißt, die EU-Mitgliedsländer sind verpflichtet, die Ausbreitung der Tiere einzudämmen – aus verschiedenen Gründen, wie Anna Schertler laut einer Presseaussendung der Universität Wien erklärt: »Bei hohen Populationsdichten entstehen beträchtliche Schäden an Uferbefestigungen und in der Landwirtschaft, etwa auf Maisfeldern. Auch natürliche Lebensräume und seltene Pflanzenarten können geschädigt werden.« In zehn EU-Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Österreich oder Italien, gelten die Biberratten bereits als etablierte invasive Art.

Luft nach oben für die Nutrias

Um herauszufinden, wo sich die Nagetiere weiter ausbreiten und festsetzen könnten, haben Schertler und ihre Kollegen mehr als 24 200 Aufzeichnungen über Nutrias in Europa gesammelt, die aus 28 Ländern und einem Zeitraum zwischen 1980 und 2018 stammen. Mit den zurzeit herrschenden Klimabedingungen würden sich fast 43 Prozent der EU (ausgenommen Zypern) als günstiges Habitat erweisen, in einem Drittel dieser Gebiete leben heute schon Nutrias. Doch auf knapp 73 Prozent dieser günstigen Flächen gäbe es bislang keine dieser Nager. Sie könnten die für sie passenden Regionen demnach noch besiedeln. Besonders geeignet seien dafür Gebiete in Deutschland, Belgien, Luxemburg, die Niederlanden und Ungarn.

Nutria in Prag | Die Biberratten kommen vor allem in Städten vor, wie hier neben der Karlsbrücke in Prag. Häufig füttern dann auch Menschen die Tiere.

»Es zeigte sich, dass die derzeit bekannten Vorkommen nicht einmal die Hälfte der potenziell geeigneten Fläche in Europa abdecken und dass somit in den nächsten Jahren mit einer weiteren deutlichen Ausbreitung zu rechnen ist», prognostiziert Koautor Franz Essl.

Ebenso prüften die Forscher, wie der Klimawandel die Ausbreitung beeinflussen könnte. Sie vermuten, dass vor allem die Regionen in Südeuropa und zum Teil in Mitteleuropa für die Nager unwirtlich werden könnten und die Tiere in nördlichere Regionen ausweichen dürften. Die Biologen betonen aber auch, dass derartige Szenarien mit vielen Unsicherheiten behaftet seien und noch genauer erforscht werden müssen.

Überträger der Toxoplasmose

Wie die Wiener Forscher auch berichten, hätten Nutrias in der Vergangenheit für beträchtliche Schäden gesorgt. So seien etwa in der italienischen Landwirtschaft in einem Zeitraum von sechs Jahren Schäden in Höhe von einer Million Euro entstanden. Auf zehn Millionen Euro schätzen Experten sogar die Aufwendungen, um in Italien von Biberratten durchwühlte Uferbereiche wieder zu befestigen. Die Tiere beeinflussen auch die Vegetationsvielfalt in Feuchtgebieten und zerstören die Nester von Sumpfvögeln. Wenn Regionen zu trocken werden, wandern die Nutrias ab – bis zu 120 Kilometer in zwei Jahren können die Tiere an Wegstrecke zurücklegen, wie Schertler und ihre Kollegen schreiben. Zudem können die Nager zwei- bis dreimal im Jahr Nachkommen produzieren, was zur weiteren Ausbreitung der Tiere beiträgt. Außerdem seien sie Überträger von Krankheiten wie der Toxoplasmose.

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