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Bionik: Superstabiler Käfer ist kaum platt zu drücken

Eine Puzzleteil-Verankerung der Flügeldecke macht diesen Käfer quasi völlig druckunempfindlich. Vom Auto überrollen lassen und weiterlaufen, als wäre nichts geschehen? Kein Problem für den Sechsbeiner.
Phloeodes diabolicus

Der Käfer Phloeodes diabolicus ist unter Insektenkundlern unter anderem deswegen berüchtigt, weil man ihn, einmal gesammelt, kaum wie andere Insekten auf eine Nadel im Schaukasten spießen kann, wie der Chef-Kurator des Londoner Naturkundemuseums, Max Barclay, der »Nature«-Nachrichtenredaktion erzählt: Seine Flügeldecken sind einfach zu fest und undurchdringlich. Den Grund dafür haben jetzt Wissenschaftler von der University of California in Irvine und der Purdue University untersucht. Die Insekten profitieren von einer bisher nicht beobachteten Verbindung, die verschiedene Schichten des Rückenpanzers an durchschnittlich fünf Stellen puzzleteilähnlich verzapfen, schreibt das Forscherteam in seiner Veröffentlichung in »Nature«. So schafft der höchstens 2,5 Zentimeter lange Käfer eine flexible, aber auch teilweise punktuell nachgebende und erst nach und nach abblätternde Oberfläche, die es ihm erlaubt, sich problemlos, ohne Schaden zu nehmen, von einem Auto überfahren lassen zu können (ein Experiment, das die Forscher erfolgreich demonstrieren).

Röntgenaufnahmen unter dem Mikroskop zeigen, dass die Schichten des Rückenpanzers sich unter Last verschieben und so die Belastung verteilen. Die Puzzleteilverbindung reißt dabei erst bei enormem punktuellem Druck: Tests mit aus dem Panzer geschnittenen Proben zwischen zwei Stahlplatten zeigen, dass 149 Newton aufgewendet werden müssen, um die Struktur zu zerbrechen. Zum Vergleich: Ein Mensch, der einen Käfer mit Daumen und Zeigefinger zerdrücken wollen würde, könnte je nach Fingerkraft nur rund 35 bis höchstens 63 Newton aufbringen, schreiben die Autoren. Die Anatomie des Käfers ist zudem so gestaltet, dass die Druckpunkte nicht über lebenswichtigen Organstrukturen zu liegen kommen, so dass eine kurzfristige Belastung keine schweren Folgen im Gewebe darunter hat.

In seinem natürlichen Lebensraum ist diese Druckunempfindlichkeit offenbar ein Vorteil: Die Tiere, die im Rindenbereich von Bäumen hausen, sind für Käfer mit zwei Jahren relativ langlebig. Angesichts von Feinden stellen sie sich eher tot, als sich zu verstecken oder im Verborgenen zu halten. Unter ihrer harten Deckflügelkonstruktion speichern die nicht flugfähigen Tiere Feuchtigkeit, was es ihnen erlaubt, in sehr trockenen Lebensräumen zu existieren.

© Purdue University video/Maryam Hosseini and Pablo Zavattieri
Die Puzzleteilverbindung im Panzer
Der unscheinbare Käfer verbindet die festen Deckplatten über puzzleteilartige Verbindungen mit dem Hinterleib. Dies erlaubt eine besondere Flexibilität unter Druck: Die Struktur verformt sich und Schichten blättern stellenweise ab, insgesamt bricht der Panzer aber nicht entzwei.

Das Konstruktionsprinzip sollte auch die Ingenieurwissenschaft interessieren, meinen die Forscher: Ein Nachbau der über Puzzelteilverbindungen stabilisierten Schichten aus dem 3-D-Drucker, bei dem zwei unterschiedliche Materialien kombiniert wurden, erwies sich als stabiler als typische Verbindungen, die heute etwa im Flugzeugbau zum Einsatz kommen. Dabei variieren Festigkeit und Elastizität des Materials stark, abhängig von der Anzahl der Puzzleverbindungen und der Größe und Stärke der einzelnen verbundenen Elemente.

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