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Elektronik: Supra meets Nano

Supraleiter mögen's kalt - sonst normal leitend, demonstrieren sie erst unterhalb einer Sprungtemperatur ihre verlustfreie Stromführung. Nun aber haben es Wissenschaftler geschafft, bei gleicher Temperatur in ein und demselben Material nebeneinander mikroskopisch kleine normal und supraleitende Gebiete zu erschaffen, die sich gezielt verändern lassen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für den Bau elektronischer Komponenten.
Es gibt einige Forschungsgebiete der Physik, in denen derzeit intensiv nach neuen Erkenntnissen gesucht wird, die möglichst bald zur Anwendungsreife kommen sollen. Die Supraleitung gehört ebenso dazu wie die Nanotechnologie. Versuchen die Entwickler in dem einen Zweig neue Substanzen zu entwickeln, die elektrischen Strom möglichst bereits bei Raumtemperatur verlustfrei transportieren, miniaturisieren andere mehr oder weniger komplexe Strukturen, um Geräte oder Werkstoffe mit bisher unbekannten funktionalen Eigenschaften auszustatten. So drehte sich kürzlich auf der Hannover Messe das erste freischwebende hochtemperatur-supraleitende Achslager für industrielle Anwendungen. Und über Entwicklungen in der Nanotechnologie erfährt man nahezu wöchentlich etwas Neues.

Nun hat Jean-Marc Triscone von der Universität Genf zusammen mit Kollegen aus Frankreich und Japan versucht, beide Welten zusammenzuführen, obgleich er sich offenbar der Elektronik verbunden fühlt. Er experimentiert mit so genannten Perowskiten. Das sind Verbindungen, bei denen die unterschiedlichen Atome, aus denen der Festkörper besteht, an genau fest vorgegebenen Positionen im Kristallgitter sitzen. Das Team von Triscone nutzt in seinen Versuchen ein Material aus Strontium-Titan-Oxid. Der reine Kompositstoff ist ein Isolator, leitet also keinen elektrischen Strom. Durch Dotieren – dem Einschleusen von Fremdatomen, um so Ladungsträger hinzuzufügen oder wegzunehmen – lässt sich daraus jedoch ein Halbleiter oder sogar ein Leiter herstellen. Gibt man ein wenig des chemischen Elements Niob hinzu, entsteht ein Metall, das bei tiefen Temperaturen darüber hinaus zum Supraleiter wird.

Einen nur 26 Nanometer dünnen Film dieses mit Niob versehenen Materials brachte die Arbeitsgruppe nun auf einen Träger aus reinem Perowskit auf. Darüber legten sie eine 50 Nanometer dicke Schicht, die aus einer Verbindung der chemischen Elemente Blei (Pb), Zirkonium (Zr), Titan (T) und Sauerstoff besteht. Die Substanz, die nach den Kürzeln für deren chemische Zusammensetzung kurz PZT genannt wird, zeigt ferroelektrische Eigenschaften. Das feste Material besitzt also – ähnlich wie Wassermoleküle – von Natur aus ein elektrisches Dipolmoment: An ausgewiesenen Stellen des Substrates erscheint es negativ geladen, an anderen positiv, was es äußerst empfindlich macht für elektrische Felder, die von außen auf den Atomverband einwirken. Piezoelektrische Kristalle, die auf Druck beispielsweise mit Funkenschlag reagieren und deshalb in manchen Feuerzeugen eingesetzt werden, sind typische Vertreter dieser Stoffgruppe.

Eine weitere Eigenschaft ferroelektrischer Verbindungen ist, dass sich deren Polarität durch Anlegen einer elektrischen Spannung auf räumlich begrenzten Bereichen umkehren lässt. So sind abwechselnd positiv oder negativ geladene Gebiete erzeugbar. Winzige derartige Strukturen stellten die Wissenschaftler um Triscone nun mit Hilfe der feinen Spitze eines Rasterkraftmikroskops her, das normalerweise zum Nanometer genauen Abtasten von Oberflächen dient.

Die unterschiedliche Verteilung der Ladungen in der Deckschicht hat Auswirkungen auf das darunter liegende Niob-dotierte Perowskit. Dort verschiebt sich ebenfalls die Elektronendichte, worauf das Material sehr empfindlich reagiert. Je nach Temperatur – Supraleitung ist immer temperaturabhängig – verlor die Substanz früher oder später ihre Fähigkeit, Strom verlustfrei zu leiten. Gebiete über positiv polarisierten Bereichen gingen bereits bei 236 Millikelvin in den normalleitenden Zustand über, die über den negativ polarisierten Flächen erst bei 296 Millikelvin.

Zwar ist der Unterschied nicht sehr gewaltig. Dennoch glauben die Forscher damit eine Technik entwickelt zu haben, mit der sich ganz neue, nur wenige Nanometer große, elektronische Bauteile erzeugen lassen, die abwechselnd als Supraleiter agieren können und dann wieder als normale Leiter.

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