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News: Täter oder Mitläufer?

Es scheint einen Zusammenhang zwischen einem Stamm von Herpes-Viren und der Multiplen Sklerose (MS) zu geben. Eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zeigte, daß bei 70 % aller Patienten, die an der verbreitetsten Art von MS leiden, gleichzeitig das Herpes-Virus-6 (HHV-6) in aktiver Form im Blut nachweisbar war.
Bei der Multiplen Sklerose greifen die Immunzellen das körpereigene Myelin an und verursachen dort entzündungen. Die Myelinscheiden umhüllen Teile der Neuronen des zentralen Nervensystems. Solche Entzündungen des Myelin werden nach Steven Jacobson und seinen Kollegen vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke auch von HHV-6 hervorgerufen. Dieses Virus infiziert fast ausschließlich jüngere Kinder und führt zur sogenannten roseola, einer Krankheit, die durch hohes Fieber und Hautausschläge gekennzeichnet ist.

Die Forscher haben 36 MS-Patienten auf das HHV-6 hin getestet (Dezemberausgabe von Nature Medicine). Zusätzlich wurde eine Kontrollgruppe von 66 gesunden Personen untersucht. Wie erwartet, fanden die Wissenschaftler bei fast allen Personen IgG, einen Antikörper gegen das HHV-6-Antigen, der bei langfristigen Erkrankungen auftritt. Aber bei 73 % der MS-Patienten zeigte sich zusätzlich IgM, ein Antikörper, der sehr kurzfristig gebildet wird und auf eine aktive Replikation der Herpesviren hindeutet. Im Gegensatz dazu waren nur bei 18 % der Kontrollgruppe IgM zu finden. Genauso aufschlußreich ist es, daß Virus-DNA bei einem Drittel der MS-Patienten vorhanden war, aber in keiner der Kontrollpersonen. Magnet-Resonanz-Bilder zeigten zahlreiche Schädigungen des Myelin im Hirn eines kürzlich Verstorbenen, und während der Autopsie wurde in diesen Regionen HHV-6 entdeckt. Die angrenzenden Gewebe waren jedoch frei vom Virus.

Jacobson warnt allerdings, daß die neuen Erkenntnisse nicht direkt zu Therapiemöglichkeiten führen. Bisher ist es nicht möglich das Virus abzutöten, ohne das Myelins verstärkt zu schädigen. Andere Experten vermuten, daß das HHV-6 eher als Symptom als als Grund der Multiplen Sklerose angesehen werden kann. „MS durchbricht die Hirn-Blut-Schranke”, sagt Patricia O'Looney, Biochemikerin und Mitglied der National Multiple Sclerosis Society in New York. „Die Zerstörung des Gewebes könnte es dem Virus erlauben in das Zentrale Nervensystem einzudringen.” Und dort würde es dann plötzlich als der Missetäter dastehen.

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