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Akustische Täuschung: Klapperschlangen täuschen mit akustischem Trick

Wenn man Klapperschlangen auf den Pelz rückt, greifen sie erst einmal zu akustischen Tarnmanövern: Sie rasseln so, dass man denkt, sie seien näher, als man ihnen kommen möchte.
Texas-Klapperschlange

Das absichtliche Klappern der Klapperschlange ist eine effektive akustische Drohgebärde: Wer weiß, was gut für ihn ist und was das auch für Menschen gefährliche Gift anrichten kann, der verschwindet lieber schnell, sobald er ein typisches Rasselgeräusch hört. Die Schlange hilft dabei nach, indem sie umso schneller klappert, je näher man ihr kommt – und greift schließlich zu einem wirkungsvollen akustischen Trick, den man bisher übersehen hatte, wie nun ein Forscherteam der Ludwig-Maximilians- und der Technischen Universität in München sowie der Universität Graz im Fachblatt »Current Biology« berichtet.

Die in Amerika heimischen Klapperschlangen rasseln mit ihrem typischen beweglichen Gebilde aus hohlen, lose ineinandersteckenden alten Hornsegmenten am Schwanzende, was ein über mehrere Meter hörbares Klappern produziert. Grundsätzlich nimmt dabei die Frequenz des Geräuschs so zu wie das Abstandshalterpiepsen beim Rückwärtseinparken: Je näher eine Bedrohung der Schlange kommt, desto schneller aufeinander folgen die Rasseltöne.

Das lässt sich auch im Experiment gut zeigen, beschreiben Erstautor Michael Forsthofer und seine Kollegen: Sie dokumentierten die Rasselfrequenzen von 25 Texas-Klapperschlangen (Crotalus atrox), die sie einzeln auf einer kleinen Plattform getestet hatten, während sich künstliche Objekte langsam genähert hatten. Die Frequenz des Klapperns nahm dabei stetig auf rund 40 bis 50 Hertz zu. Offenbar scheinen die Schlangen in dieser Phase eine Botschaft darüber auszusenden, wie nahe sie dem langsam heranrückenden Objekt sind. Dann aber gab es stets einen Sprung: Die Schlangen klapperten ab einem bestimmten Abstand sehr plötzlich mit 60 bis 100 Hertz deutlich schneller.

Warum wechseln die Schlangen verlässlich so plötzlich die Frequenz? Wahrscheinlich funktioniert dieses Verhalten als psychoakustischer Trick zusätzlich zur schon gesendeten Warnung, spekulierte das deutsch-österreichische Team. Jemand, der der Schlange dennoch näher kommt, dürfte die überraschende Frequenzverschärfung unmittelbar so interpretieren, als ob er der Schlange von einem zum nächsten Augenblick plötzlich viel näher gekommen ist – womöglich näher, als einem bei einer Giftschlange guttut.

Diese Hypothese haben die Forscher nun in einem weiteren Experiment überprüft: Sie simulierten Schlangen und Geklapper in einer virtuellen Graslandschaft und ließen menschliche Probanden Spielfiguren hindurchmanövrieren. Die Freiwilligen sollten angeben, wenn sie auf Grund der Klapperschlangengeräusche meinten, sie seien rund einen Meter von der Schlange entfernt. Die Wissenschaftler simulierten dann unterschiedliche und unterschiedlich sprunghaft schnellere Klapperfrequenzen. Dabei zeigte sich, dass die Probanden beim gleichmäßig zunehmenden Klappern recht gut einschätzen konnten, wann sie den zuvor abgesprochenen Alarmabstand erreicht haben. Anders, wenn die Forscher das Klappern sprunghaft steigerten: Viele Probanden stoppten nun deutlich eher und viel weiter weg, weil sie den tatsächlichen Abstand zur Schlange deutlich unterschätzten.

Der Frequenzsprung funktioniert für die Schlange also offenbar als auditorischer Trick, der den echten Abstand verschleiert. Das sollte dem Tier in der Realität einen zusätzlichen Sicherheitsabstand verschaffen: Eine deutliche Warnung schreckt alle ab, bevor sie nahe genug kommen, um womöglich auf die Schlange zu treten. Die Klapperschlange könnte sich im Fall eines Falles zwar mit einem Biss wehren, spart aber wahrscheinlich Energie, wenn sie nicht unnötig zubeißen und Gift einsetzen muss, sondern eine Konfrontation möglichst vermeidet.

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