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News: Tall Munbaqa/Ekalte - Bronzezeit in Syrien

Tall Munbaqa/Ekalte ist die derzeit am besten erforschte Stadtruine des 2. Jahrtausends v.Chr. in Nordsyrien. Die Ergebnisse einer mehr als 20jährigen Feldforschung ermöglichen einzigartige Einblicke in das tägliche Leben einer altorientalischen Stadt am Euphrat. Ende der sechziger Jahre wurde Tall Munbaqa wiederentdeckt. Ein Stausee war geplant und die Syrische Antikenverwaltung organisierte internationale Forschungsaktivitäten zur Bestandsaufnahme und Ausgrabung gefährdeter Altertümer. Seit 1975 füllt der 90 Kilometer lange Assadstausee das Euphrattal, an dessen östlichem Steilufer Munbaqa liegt.

Die Späte Bronzezeit (ca. 1600 – 1200 v. Chr.) bildet den Höhepunkt der Entwicklung der bronzezeitlichen Kulturen im Vorderen Orient. In dieser Zeit lernten die Menschen das Material Bronze zu verarbeiten. Bronze war der Stahl der damaligen Zeit. Zwischen den Völkern Vorderasiens herrschte ein reger politischer Kontakt und ökonomischer Austausch. Städte blühten auf. Die Hethiter in Kleinasien, die Ägypter im Niltal sowie die Mitanni und Kassiten im Zweistromland führten ihre internationale Korrespondenz und verfaßten ihre bilateralen Staatsverträge in akkadischer Sprache.

Für sie stand das fruchtbare und reiche Nordsyrien im Zentrum des Interesses. In den Strudel der politischen Auseinandersetzungen der damaligen politischen Großmächte – Ägypter, Hethiter und Mitanni, die später von den Assyrern abgelöst wurden – geriet auch Ekalte, das heutige Tall Munbaqa. Bei einem Feldzug Thutmosis III. im Jahre 1458 v. Chr. ging die in der nördlichen Euphratregion gelegene Stadt in Flammen auf.

Die Ruinen dieser alten Stadt finden sich auf der Höhe von Aleppo am östlichen Ufer des heutigen Euphratstausees. Tall Munbaqa/Ekalte wurde erstmals 1969 archäologisch untersucht. Bis 1994 schlossen sich weitere 20 Grabungskampagnen an. Sie werden seit 1983 kontinuierlich als eines der großen Grabungsprojekte der Deutschen Orient-Gesellschaft in Berlin unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Dittmar Machule in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Die Stadtruine konnte großflächig freigelegt werden. Die nicht ausgegrabenen Areale wurden in einer Magnetprospektion mit einem Cäsium-Magnetometer aufgenommen. Durch diese Kombination von archäologischer Feldforschung und modernster Technik entstand das einzigartige, umfassende Bild einer Stadt der Späten Bronzezeit.

Tall Munbaqa/Ekalte gehört zu den am besten ausgegrabenen Fundstätten dieser Zeitperiode in Syrien. Kein anderer Ort bietet eine solche Fülle an Informationen über as Leben in einer Stadt aus der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Die Siedlung wurde bereits gegen Ende der Frühen Bronzezeit gegründet (ca. 2500 v. Chr.) und bestand auch in der Mittleren Bronzezeit fort(1. Hälfte 2. Jt. v. Chr.). Zu Beginn der Späten Bronzezeit erlebt die Stadt ihre Blüte. Die Siedlung wird großflächig erweitert. Die Stadtfläche von ca. 400 m x 500 m ist mit einer Stadtmauer aus Lehmziegeln mit einem Steinsockel befestigt. Später wurde diese Mauer durch mächtige Kieswälle ersetzt. Von den fünf Stadttoren sind drei ausgegraben. Das "Nordost-Tor" ist das einzige Stadttor in Nordsyrien, bei dem sich der Torbogen aus Lehmziegeln vollständig erhalten hat. An der Flußseite erheben sich drei hoch über der Flußaue gelegene Antentempel, die zu den größten ihrer Art gehören. Ein vierter Tempel ist neben dem Nordtor zu vermuten.

Von den Toren aus erschließen bis zu 7 m breite, parallel angelegte Hauptstraßen das Stadtgebiet. Ein Netz aus Verbindungsstraßen und Sackgassen optimiert dieses Wegesystem. Es wird deutlich, daß die Stadt planmäßig unter funktionalen Gesichtspunkten angelegt worden war. Nahezu 50 Wohn- und Handelshäuser sowie Werkstätten, darunter eine große Bäckerei, wurden freigelegt. Die Grundrisse zeigen Haupträume mit ein- oder beidseitigen Nebenräumen. Die überbauten Flächen liegen zwischen 50 m² und 200 m². Allen Häusern sind gleichartige Einbauten in den Haupträumen gemeinsam. Hierzu gehören Treppen, Bänke, gemauerte Feuerstellen, Sockel und zwei, in der Regel an der Schmalseite gelegene, niedrige Wandvorlagen in Antenform.

Zu einem Kleinod unter den Fundorten wird Tall Munbaqa/Ekalte aber auch durch das in vielen Gebäuden noch vollständig vorgefundene Inventar. Hierzu zählen vielfältige Formen von Gebrauchskeramik, aber auch besondere Gefäße für die täglichen religiösen Handlungen, Arbeitsgeräte und Waffen aus Stein und Bronze, Erzeugnisse der "Schönen Künste" wie anthropomorphe und zoomorphe Figuren und Reliefs aus Terrakotta, Schmuck aus Silber, Bronze und Glas, Gesichtsmasken, Lebermodelle und glyptische Erzeugnisse.

Tall Munbaqa barg noch eine weitere Besonderheit. In den Häusern wurden 86 Tontafeln entdeckt. Sie sind der einzige größere Textkorpus der beginnenden Späten Bronzezeit in Nordsyrien. Da die meisten Tontafeln die Besitzverhältnisse der Familien dokumentieren und daher für diese von größter Bedeutung waren, ist es nicht verwunderlich, daß die Tafeln sicher verwahrt wurden. So fand sich ein Privatarchiv in einem Wandtresor, ein anderes war in einem Topf unter dem Fußboden vergraben. Die Texte geben Auskunft über Immobilienkäufe von Häusern, Gärten und Feldern, Testamente, Erbteilungen, Adoptionen, Schuldscheine und Briefe. Es gibt keine Hinweise auf einen Fürstensitz in Ekalte. Das politische Geschick der Bewohner lag im Gegenteil in den Händen eines gleichberechtigten Kollektivs von Stadtältesten und einem Gremium, das sich die "Brüder" nannte.

Die bisher ausgegrabene Stadtruine Tall Munbaqa/Ekalte offenbart auf faszinierende Weise den ganzen Umfang einer spätbronzezeitlichen Stadtkultur.

Das Helms Museum (Hamburger Museum für Archäologie und die Geschichte Harburgs) zeigt in seinem 100-jährigen Jubiliäumsjahr eine Ausstellung über die bronzezeitliche Stadt Ekalte in Syrien. Ausgegraben wurde sie unter Leitung von Professor Dr.-Ing. Dittmar Machule von der Technischen Universität Hamburg-Harburg in Verbindung mit der Deutschen Orient-Gesellschaft. Die Ausstellung ist vom 24. September bis 22. November im Helms Museum in 21073 Hamburg (Harburg) zu besichtigen. Anschließend in Freiburg, Münster und Duisburg. Die Ausstellung wurde gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts und der Deutschen Orient-Gesellschaft. Informationen: Prof. Dr.-Ing. Dittmar Machule, Tel. 040/7718-3109

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