Direkt zum Inhalt

News: Tanz des Todes

Gute Nachricht für Gravitationswellen-Jäger: Die Wartezeiten auf ein solch bewegendes Ereignis sind kürzer, als bisher angenommen.
Neutronensterne verschmelzen
Manche Dinge brauchen unheimlich lange. Die Kollision zweier Neutronensterne beispielsweise sollte sich nach bisherigen Schätzungen in knapp einer Milliarde Jahren vollziehen. Rechnet man die Zahl solcher Doppelsysteme hoch, von denen gerade mal sechs bekannt sind, und teilt den Wert durch die durchschnittliche Lebensdauer der im Todestanz verbundenen Partner, dann kommt man auf etwa eine Neutronensternkollision pro Jahrzehnt. Wahrlich nicht viel – vor allem angesichts der Tatsache, dass Physiker nach solchen und ähnlichen Ereignissen Ausschau halten, um damit endlich ihre lang gesuchten Gravitationswellen nachweisen zu können.

Aber vielleicht war die Rate, mit der sich die hochdichten Sternenüberreste vereinigen, doch zu gering angesetzt. Marta Burgay, Doktorandin an der Universität Bologna, und ihre Kollegen vermuten jedenfalls, dass Neutronenstern-Pärchen bis zu sechsmal häufiger verschmelzen, als in bisherigen Schätzungen vermutet. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann müssten Astronomen nur noch ein bis zwei Jahren auf eintreffende Gravitationswellen warten – ein echter Fortschritt also. Doch wie lässt sich überhaupt die Rate berechnen? Wie kommt man auf die durchschnittliche Lebensdauer eines Doppel-Neutronenstern-Systems?

Russell Hulse und Joseph Taylor waren die ersten, die diese Zeit bestimmen konnten und unter anderem dafür 1993 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden. Die Forscher suchten in den Siebzigern systematisch nach Pulsaren. Das sind im Grunde auch Neutronensterne, also extrem kompakte Himmelskörper mit extrem hoher Dichte – die Reste eines massereichen Sterns. Im Unterschied zur Standardausführung rotieren diese Neutronensterne jedoch sehr schnell und senden dabei in regelmäßiger Folge Strahlungspulse aus – kosmische Leuchttürme sozusagen. Zwar waren Pulsare damals schon bekannt, doch Hulse und Taylor entdeckten 1974 einen neuen Typ: ein Pulsar, der einen Begleiter hat, wie sich herausstellen sollte, ein Neutronenstern.

Anhand von PSR B1913+16, das war jenes erste Neutronenstern-Doppelsystem, und zwei weiteren derartigen Pärchen konnten Hulse und Taylor den langsamen spiralförmigen Zusammensturz zweier Neutronensterne berechnen. Auch die Forscher um Burgay stellten nun solche Berechnungen an, bezogen sich nun aber auf ein neues System (J0737-3039), in dem sich zwei Neutronensterne in nur 800 000 Kilometern Entfernung – etwa zweimal der Entfernung Erde-Mond – gegenseitig umkreisen.

Burgay erklärt: "Die beiden Sterne befinden sich in einem Todestanz und nähern sich einander langsam auf einer spiralförmigen Bahn." Nicht einmal zweieinhalb Stunden brauchen die Partner für eine gegenseitige Umdrehung bei diesem Quickstep – deutlich schneller als die gut sieben Stunden, die der langsame Walzer in PSR B1913+16 dauert. In 85 Millionen Jahren sei jedoch Schluss. Die beiden Partner in J0737-3039 vereinigen sich dann in einer innigen Umarmung, nicht ohne für ein zünftiges galaktisches Beben zu sorgen, das die Raumzeit erschüttert – ein Ereignis, das wir prinzipiell mitbekommen könnten.

"Wenn der Ausbruch [an Gravitationswellen] zu unserer Zeit stattfinden würde, dann ließe er sich durchaus mit der derzeitigen Generation von Gravitationswellen-Detektoren, wie LIGO-I, VIRGO oder GEO nachweisen", ist sich Nicolo D'Amico sicher, seines Zeichens Direktor des Cagliari Astronomical Observatory auf Sardinien. Schon bevor es soweit ist, wird J0737-3039 zu seinem Todesschrei in Form von Gravitationswellen ansetzen. Denn kurz bevor die beiden Neutronensterne miteinander verschmelzen, ist ihre Umlaufbahn nur noch wenige hundert Kilometer lang, die die Sterne bis zu 30-mal in der Sekunde bewältigen. Entsprechend sollten sich Gravitationswellen mit einer Frequenz von 30 Hertz vom Ort des Geschehens ausbreiten. In der letzten Minute vor dem Zusammenstoß steigt die Frequenz dann auf das Dreißigfache an – gefolgt von dem endgültigen Gravitationswellenausbruch.

All das soll sich in J0737-3039 also in deutlich kürzerer Zeit abspielen, als bisher geahnt. Das allein lässt schon erwarten, dass messbare Gravitationswellen entsprechend häufiger an der Erde anbranden. Und noch etwas verbessert die Prognose: Pulsare wie in J0737-3039 sind vermutlich häufiger, als angenommen. Denn die Radioemission des rund 1600 bis 2000 Lichtjahre entfernten Systems ist vergleichsweise schwach – so schwach, dass sich dort draußen vielleicht noch viel mehr Systeme wie J0737-3039 befinden. Bleibt also nur noch abzuwarten, wann es das erste Mal rumpelt. Mit GEO600 hat zwischen Hannover und Hildesheim jedenfalls auch Deutschland seinen Horchposten für die Töne aus dem All.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.