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Exoplaneten: Tanz ums Sonnenfeuer

Wie nahe dürfen Gasplaneten ihren Sternen kommen, ohne zu verdampfen? Forscher aus England haben es berechnet - und kommen zu erstaunlichen Ergebnissen.
"Heißer Jupiter" in einem fernen Sonnensystem
1995 sorgten die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz für eine Sensation. Sie entdeckten den ersten echten Exoplaneten – also den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, der um einen sonnenähnlichen Stern kreist. Damit war klar, dass unser Planetensystem nicht das einzige im Weltall ist. Entsprechend groß war die Aufregung um den Fund.

Heute lockt die Entdeckung eines neuen Exoplaneten kaum noch jemanden hinter dem Ofen vor. Rund 270 davon haben die Astronomen bereits aufgespürt, und sie finden fast täglich neue. Das ist erstaunlich, weil diese Himmelskörper mit heutigen Teleskopen nicht zu sehen sind. Sie verraten sich nur durch die Wirkung, die sie auf ihre Umgebung ausüben.

Torkelnde Sterne

Die meisten Exoplaneten wurden entdeckt, weil sie mit ihrem Gewicht an ihrem Zentralgestirn zerren, während sie um ihn kreisen. Der gerät dadurch ins Torkeln. Wenn die Forscher das Lichtspektrum des Sterns untersuchen, können sie erkennen, wie sehr er taumelt. Daraus wiederum lässt sich ableiten, wie viel Masse der umlaufende Planet besitzt und in welchem Abstand er den Stern umrundet.

Exoplanetenjäger Nummer 1: Die Radialgeschwindigkeitsmethode | Die Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt Planeten auf Grund der Dopplerverschiebung des Spektrums eines Sterns, welches auf der Erde mit Hilfe wiederholter Teleskopbeobachtungen aufgezeichnet wird. Die Verschiebung gibt Aufschluss über Masse und Bahnparameter eines im Orbit befindlichen Begleiters.
Mit dieser Methode haben die Forscher mehr als 250 Exoplaneten gefunden, die meisten davon sind große Gasplaneten ähnlich dem Jupiter. Viele dieser fernen Welten kreisen extrem eng um ihren Stern – manche in einem Abstand von nur wenigen Millionen Kilometern. Zum Vergleich: Die Erde ist etwa 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Derart nahe an ihrem gleißenden Zentralstern werden die Exoplaneten auf mehrere tausend Grad erhitzt – der Grund, warum man sie Heiße Jupiter nennt.

Die Todeszone

Das wirft die Frage auf, wie dicht ein Gasplanet seinem Stern überhaupt kommen kann, ohne zu verdampfen. Der englische Physiker Tommi Koskinen vom University College London und seine Forscherkollegen haben es berechnet. Ihr Ergebnis: Es gibt eine scharf begrenzte "Todeszone" um Sterne herum. Kreisen die Planeten außerhalb dieser Region, bleiben ihre Atmosphären – und damit sie selbst – intakt.

Exoplanetensystem | So könnte es um eine ferne Sonne aussehen.
Bewegen sie sich innerhalb der Zone, dann erhitzt sich ihre Atmosphäre dramatisch, bläht sich auf und verdampft, wodurch der Planet schrumpft. Die Grenze liegt den Berechnungen zufolge bei 0,16 astronomischen Einheiten, das entspricht 24 Millionen Kilometern. Koskinen und sein Team gingen von einem jupiterähnlichen Planeten aus, dessen Atmosphäre aus Wasserstoff und Helium besteht – die übliche Zusammensetzung solcher Gasriesen. Die Forscher untersuchten, was passiert, wenn der Himmelskörper um einen sonnenähnlichen Stern kreist.

Es zeigte sich, dass die Röntgen- und UV-Strahlung des Sterns die äußere Planetenatmosphäre sehr stark erhitzt. Allerdings entstehen in ihr ständig dreiatomige Wasserstoff-Moleküle (H3+), die Infrarotlicht abgeben und dadurch ihre Umgebung kühlen. Solange der Planet mehr als 24 Millionen Kilometer von seinem Stern entfernt ist, kompensiert dieser Mechanismus die gewaltige Energieeinstrahlung und die äußere Planetenatmosphäre erwärmt sich auf nicht mehr als 3500 Grad – das sind Bedingungen, denen sie standhält.

Die Kühlung versagt

Unterhalb der 24-Millionen-Kilometer-Marke ändert sich die Situation komplett. Hier wird die Gashülle des Planeten so stark erhitzt, dass die Wasserstoff-Moleküle in einzelne Atome zerfallen. Das unterdrückt die Bildung von H3+ und legt die planetare Kühlung lahm. Dadurch klettern die Temperaturen in der äußeren Planetenatmosphäre auf mehr als 20 000 Grad Celsius, und sie bläht sich extrem auf. Die Gasmoleküle werden unter diesen Bedingungen so schnell, dass sie der Schwerkraft des Planeten entfliehen und ins All verschwinden – die Atmosphäre verdampft.

Ein jupiterähnlicher Planet | HD 189733b liegt in 62 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Füchschen ("Vulpecula"). Er ist rund zehn Prozent größer als Jupiter und umläuft seinen Stern in nur zwei Tagen.
Koskinen und sein Team widerlegen mit ihren Simulationen ältere Berechnungen, aus denen hervorgeht, dass die Planetenatmosphäre schon in viel größeren Entfernungen vom Stern instabil wird. Ihre Kalkulationen seien genauer als frühere, weil sie atmosphärische Winde und den Kühleffekt der Wasserstoffmoleküle berücksichtigen. Außerdem werden die Ergebnisse durch Beobachtungen an Exoplaneten gestützt.

Offenbar können die Gasriesen ihren Sternen dichter kommen als bisher angenommen. Auf die vermutete Existenz von Leben dort hat das freilich keinen Einfluss: Heiße Jupiter sind höchstwahrscheinlich vollkommen tot.

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