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News: Tanzen bis zum Erstarren

Gläser sind stark unterkühlte Schmelzen, bei denen die Kristallkeimbildung unterdrückt wurde. Obwohl es Menschen schon seit Jahrtausenden gelingt, solche Materialien herzustellen, so ist doch der Prozess der Glasbildung nicht restlos verstanden. Ein Experiment, bei dem Wissenschaftler die Bewegung von einzelnen Farbstoffmolekülen in einem Polymerfilm nahe der Übergangstemperatur beobachteten, könnte nun Klarheit bringen. Demnach rotieren die Moleküle in ganz unterschiedlicher Weise - anders als sie es in normalen Flüssigkeiten tun.
Wenn Flüssigkeiten gefrieren, ordnen sich die Moleküle in aller Regel zu einem Kristall – nicht so bei unterkühlten Flüssigkeiten. Sie werden so schnell abgekühlt, dass die Moleküle gar keine Gelegenheit haben, sich entsprechend auszurichten. "Wenn man die Temperatur einer unterkühlten Flüssigkeit erniedrigt, dann bewegen sich die Moleküle immer langsamer, bis schließlich das Material so kalt ist, dass alle Bewegung stoppt", erklärt Vanden Bout von University of Texas in Austin.

Der Forscher untersuchte mithilfe einer Lasertechnik (single molecule spectroscopy), die Rotation einzelner Farbstoffmoleküle in einem Polymerfilm, der sich einige Grad über der Übergangstemperatur zum Glas befand. Bestehende Methoden erlaubten nur eine Aussage gemittelt über viele Teilchen. Nun gelang es mit der mikroskopischen Technik, das Fluoreszenzlicht einzelner Farbstoffmoleküle zu untersuchen und so in Echtzeit auf deren Bewegungsverhalten zu schließen.

"Schaut man sich die Bewegung der Moleküle in einer unterkühlten Flüssigkeit an, so stellt man fest, dass sie nicht der einer gewöhnlichen Flüssigkeiten gleicht." In diesen rotieren nämlich alle Moleküle in ähnlicher Weise. Bei unterkühlten Flüssigkeiten drehen sie sich hingegen sehr unterschiedlich. Manche bewegen sich bis zu zehnmal schneller als andere, wobei sich kleine Bereiche gleicher Rotation ausbilden. Dabei sind diese Gebiete nicht statisch, vielmehr wechselwirken sie mit anderen und bremsen sich so zum Beispiel gegenseitig ab.

Forscher haben schon länger vermutet, dass ein solch heterogenes Verhalten bei der Glasbildung eine Rolle spielt, allerdings fiel es bislang schwer, diese Bewegung der Moleküle zu erfassen. Das Experiment an einzelnen Molekülen enthüllte nun erstmals die komplizierten molekularen Bewegungen, die für die Bildung von Glas verantwortlich sind. Offenbar ist die Heterogenität für diesen Prozess entscheidend.

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  • Quellen
Science 292: 255–258 (2001)
Science 292: 233–234 (2001)
University of Texas, Austin

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