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News: Tanzendes Zinn

Auf der Suche nach dem Antrieb für winzig kleine Nanoroboter haben Forscher schon so manchen kuriosen Effekt vorgeschlagen. Nun sind Wissenschaftler aus Kalifornien über ein Phänomen gestolpert, das beim Abscheiden von sehr dünnen Lagen Zinn auf Kupfer auftritt. Die Zinnatome vollführen einen gemeinschaftlichen Tanz über die Oberfläche bis zur völligen Auflösung.
Seit 1686 kennt die Wissenschaft den so genannten "Kampfer-Tanz". Kleine Partikel aus Kampfer bewegen sich in schwungvollen Bewegungen über eine Wasseroberfläche als handele es sich dabei um einen Ballsaal. Die freie Energie an Flüssigkeitsoberflächen erweckt dabei den Stoff zum Leben. Im 19. Jahrhundert hat der britische Wissenschaftler Lord Rayleigh diese Beobachtung genutzt, um die ersten brauchbaren Messungen der Oberflächenspannung von Wasser anzustellen.

Nun haben die Forscher Andreas Schmid, Norm Bartelt und Robert Hwang von den Sandia National Labarotories in Livermore herausgefunden, dass auch Zinn einen ähnlichen Tanz aufführt, wenn es sich über Kupfer ausbreitet und Bronze bildet (Science vom 24. November 2000). Innerhalb von zwei Sekunden versammeln sich Zinnatome, die bei Raumtemperatur abgeschieden werden, zu kristallinen Anhäufungen – Cluster genannt – oder Inseln. Die Zinninseln wandern über die Kupferoberfläche, nehmen dabei Kupferatome auf und lassen dafür Zinnatome im "Kielwasser" zurück. Aufgenommene Kupferatome bilden ab einer bestimmten Konzentration zusammen mit Zinn einen zweidimensionalen Bronzekristall. Dieser wird – kaum gebildet – von der Zinninsel zurückgelassen. Nach einiger Zeit, ist die Kupferoberfläche von kleinen Grüppchen aus Bronze bedeckt und die Zinninseln haben sich komplett aufgelöst.

Dieser "unerwartete kooperative Prozess" passiert, da sich umherschweifendes Zinn und solches, das bereits in Kupfer eingebettet ist, abstoßen. Wie Schmid erläutert, erniedrigen die Zinninseln die freie Oberflächenenergie, indem sie zu einer unlegierten Stelle huschen. Anders ausgedrückt: Wenn sie merken, dass eine Stelle schon von Zinn besetzt ist, bewegen sie sich weiter. So meiden sie auch ihre eigene Spur.

Um die Bronzeformationen in Echtzeit zu beobachten, haben die Forscher zwei moderne mikroskopische Verfahren genutzt. Zum einen das Rastertunnelmikroskop, bei dem eine winzige Metallspitze in nahem Abstand über die Oberfläche einer Probe fährt und so die Topographie abbildet, zum anderen das so genannte low-energy electron microscope (LEEM). Hier nutzen die Forscher die Beugung von Elektronen, um Objekte auf dem Kupfer sichtbar zu machen.

Schmids Versuch entspricht im Prinzip einem einfachen Nanomotor. Die Zinninseln wandeln chemische Energie in eine Bewegung nach vorne um und überwinden dabei auch die Reibung zwischen Zinn und Kupfer, erklären Flemming Besenbacher von der University of Aarhus und Jens K. Noskov von der Technical University of Denmark.

Wie stark sind nun diese natürlichen Nanomotoren? Laut Besenbacher und Noskov leisten die winzige Zinninseln 0,3 Pferdestärken pro Kilogramm – das Verhältnis von Leistung zu Masse beim Auto beträgt dagegen nur 0,1 Pferdestärken pro Kilogramm. Besenbacher und Noskov meinen: "Die Herausforderung ist nun, einen Nanomotor zu entwerfen, dessen Bewegung von außen gesteuert und der wieder aufgetankt werden kann."

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