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Orthografie: Tauben können Rechtschreibung

Buchstaben zu erkennen und ihre Reihenfolge richtig zu deuten - dafür braucht es offenbar gar keine spezialisierte Hirnregion, wie "lesende" Tauben nun belegen.
Taube unter einem Straßenschild

Das Gehirn von Tauben ist ganz anders aufgebaut als das von Menschen. Dennoch versetzt es sie in die Lage, in begrenztem Umfang mit Buchstaben umzugehen, wie eine Studie nun belegt. Die Vögel prägten sich im Experiment dutzende vierbuchstabige Wörter ein und unterschieden sie von ähnlich, aber falsch geschriebenen Wörtern. Ihre Leistung war ungefähr genauso gut wie die von Pavianen, die man früher schon demselben Test unterzogen hatte. Das Ergebnis zeigt, dass es für grundlegende Aufgaben beim Lesen offenbar keiner spezialisierten Hirnregion bedarf.

Entscheidend für dieses Argument der Forscher um Damian Scarf von der University of Otago im neuseeländischen Dunedin war vor allem die Art und Weise, wie die trainierten Tiere Fehler machten. Ihre vier Felsentauben (Columba livia) irrten sich beispielsweise eher, wenn das Testwort ein erlaubtes Wort der englischen Sprache darstellte, als wenn es aus einer unüblichen Buchstabenkombination bestand. Demnach prägten sie sich beim Training nicht allein die Form der Wörter oder die Abfolge der Buchstaben ein, sondern auch einige statistische Regelmäßigkeiten der englischen Orthografie – beispielsweise, dass "N" und "G" oft aufeinanderfolgen.

Genau wie Menschen oder Paviane waren sie überdies empfänglich für Vertauschungen innerhalb des Wortes. Die Wörter "PLAY" und "PALY" sind von der reinen grafischen Gestalt her etwa sehr unterschiedlich (verglichen mit "PLAY" und "PIAY"), im Hinblick auf ihre Buchstabenanordnung hingegen sehr ähnlich. Dass die Tauben dazu tendierten, Wortpaare mit Buchstabendrehern zu verwechseln, deutet darauf hin, dass sie die zu lernenden Wörter tatsächlich in ihre Buchstabenbestandteile zerlegt hatten und sich nicht nur das Wortbild merkten.

Mit ihrer Untersuchung wollen die Wissenschaftler klären, ob der Mensch die Fähigkeit zu lesen einem besonderen Hirnareal verdankt – im menschlichen Gehirn konkret dem so genannten visuellen Wortformareal, das die frühen Verarbeitungsschritte beim Lesen ausführt. Dass dessen Aufgaben im Prinzip auch vom Vogelhirn wahrgenommen werden können, führt die Forscher zu der Überzeugung, es handle sich um ein "recyceltes" Areal: Neuronale Netzwerke, die sich dazu entwickelt haben, visuell wahrgenommene Objekte zu verarbeiten, werden für die speziellen Erfordernisse beim Lesen sozusagen zweitverwendet.

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