Hirnentwicklung: Schaden Energydrinks dem jugendlichen Gehirn?

»Red Bull verleiht Flüüügel!« Seit fast 40 Jahren flattern die Energydrinks schlürfenden Strichfiguren durch die Werbelandschaft – außer in den USA. Dort verklagte im Jahr 2014 ein enttäuschter Kunde den österreichischen Getränkehersteller und monierte: »Stimmt ja gar nicht!«
Mittlerweile ist der Markt an Energydrinks reichhaltiger geworden – und greller. Sie heißen Monster, 28 Black, Rockstar oder Effect, kommen meist in knallig-bunten Getränkedosen daher und vermitteln eine klare Botschaft: »Mit uns wirst du wacher, sportlicher, und du bist dabei auch noch verdammt cool.«
Die erste Dose Energydrink konsumieren Kinder in der Regel bereits vor dem 13. Geburtstag
Das kommt bei Kindern und Jugendlichen gut an. Die erste Dose Energydrink konsumieren sie in der Regel bereits vor dem 13. Geburtstag. Jeder dritte Teenager ab 14 Jahren genießt die süßen Wachmacher regelmäßig, ergab eine Umfrage des Forschungsinstituts Forsa im Jahr 2024. Acht Prozent der Befragten trinken Energydrinks mehrmals pro Woche, zwei Prozent sogar täglich. Sie erwarten sich davon – wenn schon keine Flügel – so wenigstens geistige Höhenflüge und körperliche Energieschübe.
Was bewirkt Taurin?
Die Verbraucherzentrale betrachtet Energy Drinks wegen des hohen Gehalts an Zucker und vor allem an Koffein kritisch. Schließlich ist die gefährliche Wirkung zu hoher Koffeinmengen auf das Herz-Kreislauf-System von Menschen jeglichen Alters gut bewiesen – von Unruhe, Gereiztheit, Herzrasen, Muskelzittern bis hin zu Panik und Herzrhythmusstörungen. Welche langfristigen Folgen ein regelmäßiger Konsum von Energydrinks speziell auf das sich noch entwickelnde Gehirn von jungen Menschen hat, wird aber erst in jüngerer Zeit erforscht. Neben Koffein finden sich in den Getränken natürlich noch weitere Inhaltsstoffe, darunter Zucker, Aromen, Farbstoffe, Vitamine, Antioxidanzien … und Taurin. Was weiß man über die Substanz mit dem ungewöhnlichen Namen?
Taurin, chemisch als 2-Aminoethansulfonsäure bezeichnet, wurde 1827 erstmals aus der Galle eines Ochsen isoliert, also einem männlichen Hausrind (lateinisch: Bos taurus). Es findet sich von Natur aus in größeren Mengen auch im Gehirn, im Herzen sowie in den Augen und Muskeln von Säugetieren. Anders als etwa Katzen können gesunde Menschen die Substanz in erheblichem Maß selbst herstellen. Der enzymatische Umbau passiert hauptsächlich in der Leber. Der Körper nutzt dabei die schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin oder Cystein, die in Proteinen enthalten sind. Zusätzlich können wir Taurin aus tierischen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Eiern und Milchprodukten direkt verwerten.
Neugeborene produzieren kaum Taurin
Bei Neugeborenen sind die Enzyme in der Leber noch nicht voll aktiv, weshalb sie den Stoff nur in minimalen Mengen produzieren. Sie erhalten ihr Taurin über die Muttermilch – oder unter Umständen durch Säuglingsnahrung: In den USA wird Taurin dieser nämlich bereits seit den 1980er-Jahren standardmäßig zugesetzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erlaubt den Zusatz zwar, empfiehlt ihn aber nicht explizit. Bei der maximal zulässigen Konzentration orientiert sie sich am Tauringehalt der Muttermilch, der im Schnitt bei 7,8 Milligramm pro 100 Milliliter liegt.
Taurin ist beim Menschen und anderen Säugetieren an vielen physiologischen Aufgaben beteiligt, es findet sich quasi überall im Körper. Eine große Rolle spielt es bei Wachstum und Reifung von Nervenzellen, besonders noch im Mutterleib. Bereits in den 1980er-Jahren beobachtete man bei Katzen, wie sich ein Taurinmangel bei Muttertieren auf deren Nachwuchs auswirkt: Die Jungen kamen tot oder unterentwickelt zur Welt, starben auch nach der Geburt häufiger als gut versorgte Jungtiere und zeigten Schäden im Gehirn. Es liegt nahe, insbesondere Frühgeborene zusätzlich mit Taurin zu versorgen. Ob es einen Nutzen gibt, ist wegen der dürftigen Datenlage allerdings unklar.
Taurin als therapeutischer Tausendsassa?
Belegt ist, dass Taurin antioxidativ wirkt und entzündungshemmende Effekte hat. Zudem soll der Stoff das Herz unterstützen, gegen Leberverfettung helfen und Nervenzellen vor Schädigung schützen, etwa bei Diabetes. Die Überlegungen, Taurin therapeutisch einzusetzen, sind vielfältig und teils ermutigend bis euphorisch. Die neuroprotektive These beruht allerdings auf Studien mit Tiermodellen neurodegenerativer Erkrankungen, also beispielsweise mit alzheimeranfälligen transgenen Mäusen. Ihre Aussagekraft ist daher umstritten.
Kann Taurin das Altern stoppen?
Lange galt die Annahme, dass sich bei Menschen im Alter weniger Taurin im Körper findet als in jungen Jahren und eine Tauringabe dem Altern entgegenwirken kann. Ein internationales Forschungsteam zeigte 2023 sogar, dass mit Taurin gefütterte Mäuse länger lebten und gesünder alt wurden.
Im Jahr 2025 widerlegte eine Langzeitstudie jedoch, dass der Taurinspiegel mit dem Alter sinkt. Die Forschungsgruppe aus den USA und Spanien verglich nicht die Taurinwerte verschiedener Altersklassen, sondern wertete Daten einzelner Personen über einen längeren Zeitraum aus. So stellten sie fest, dass die individuellen Taurinwerte stabil blieben oder sogar stiegen.
Damit ist auch die Hypothese hinfällig, eine Gabe von Taurin verzögere das Altern. Krasimira Aleksandrova vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie resümierte im Juni 2025 gegenüber dem Science Media Center: »Altern ist ein hochkomplexes Phänomen, bei dem viele biochemische Prozesse und Gewebe miteinander in Wechselwirkung stehen. Daher ist es vielleicht etwas naiv, einem einzelnen winzigen Molekül die Eigenschaften eines Wundermittels zur Verlangsamung des Alterns zuzuschreiben.«
Die laufende Forschung geht indes weiter: In der TauAge-Studie beispielsweise untersucht ein Team des Instituts für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München seit Ende 2024, wie eine tägliche Gabe von vier Gramm Taurin über sechs Monate die Alterung und den Stoffwechsel gesunder Personen zwischen 55 und 75 Jahren beeinflusst.
Älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mangelt es, solange sie gesund sind und sich normal ernähren, vermutlich nicht an Taurin. So zentral die Substanz also für den Körper ist, stellt sich doch die Frage, wie viel ein Mensch davon braucht und ob ein gedankenloser Taurinkonsum auch negative Auswirkungen haben könnte, insbesondere wenn er mit Koffein kombiniert wird.
Verleiht Taurin Ochsenkräfte?
Warum wird das Aminosäurederivat Energydrinks zugesetzt? »Taurin […] kann die körperliche Ausdauer steigern«, schreibt zum Beispiel das US-amerikanische Unternehmen Monster Beverage auf seiner Website. Als angeblicher Beweis gilt unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2017. Ein Team aus Pakistan hatte zwölf Ratten eine Woche lang Taurin in den Bauchraum gespritzt. Laut der Publikation zeigten die Tiere danach deutlich mehr Muskelkraft und brillierten im Labyrinth mit einem besseren Gedächtnis. Daraus abzuleiten, dass Taurin Sportler leistungsfähiger machen kann, ist wissenschaftlich allerdings mehr als fragwürdig.
In einer 2021 publizierten Metaanalyse wertete ein Team um Jennifer Kurtz von der Georgia State University dagegen 19 Humanstudien aus. Gut zwei Drittel davon hatten von positiven Effekten auf Sportleistungen berichtet. Doch die Forscher bleiben skeptisch: Eine abschließende Bewertung würden die uneinheitlichen und limitierten Befunde nicht zulassen.
Für Jugendliche ist zu viel Koffein im Energydrink
Unstrittig belegt ist dagegen der Effekt von Koffein auf Wachheit und Konzentration. Red Bull etwa enthält mit 32 Milligramm Koffein pro 100 Milliliter die gesetzlich festgelegte Höchstmenge. Vom Koffeingehalt her entspricht eine Viertelliter-Dose etwa einer Tasse Kaffee. Die Standarddose für Monster Energy – den Marktführer in Europa – fasst einen halben Liter. Bei gleichem Koffeingehalt entspricht das also schon etwa zwei Tassen Kaffee. Für Erwachsene gelten zwei bis drei Tassen Kaffee am Tag als unbedenklich. Kinder und Jugendliche reagieren jedoch auf Koffein viel stärker als Ältere, die schon jahrelangen Kaffeekonsum gewohnt sind.
Selbst Erwachsene sollen laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht mehr als drei Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht pro Einzeldosis zu sich nehmen. Bei einem 50 Kilogramm schweren Heranwachsenden ist dieser Wert schon mit einer einzigen Halbliterdose Monster Energy überschritten. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts nimmt jeder vierte Energydrink-Konsument zwischen 12 und 17 Jahren regelmäßig mehr Koffein auf, als demnach gut für ihn wäre.
Was machen Taurin und Koffein im jugendlichen Gehirn?
Bis heute ist nicht vollständig erforscht, wie der heranwachsende Körper auf die Kombination von Koffein und Taurin reagiert. Thomas Lücke leitet die Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Bochum und erklärt, was im Gehirn geschieht, wenn wir Energydrinks zu uns nehmen: Sowohl Koffein als auch Taurin überwinden die Blut-Hirn-Schranke, gelangen also aus dem Blut ungehindert an die Nervenzellen. Dort bindet Koffein an die Adenosinrezeptoren und blockiert sie. »Damit hebelt das Molekül die beruhigende Wirkung des Neurotransmitters Adenosin aus.« Denn Adenosin seinerseits hemmt die Ausschüttung der anregenden Botenstoffe Glutamat und Dopamin. Koffein wirkt also wie ein Psychostimulans.
Taurin hingegen wirkt GABAerg, wie man fachsprachlich sagt. Das bedeutet, es agiert wie der beruhigende Botenstoff GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und damit als Gegenspieler des erregenden Neurotransmitters Glutamat. In der Summe haben Energydrinks einen stimulierenden Effekt, die Wirkung des Koffeins überwiegt. »Ich gebe quasi Vollgas und schleife gleichzeitig mit der Handbremse«, sagt Lücke und vermutet: »Gut ist das nicht.«
»Ich gebe quasi Vollgas und schleife gleichzeitig mit der Handbremse. Gut ist das nicht«Thomas Lücke, Kinder- und Jugendmediziner
Vor allem nicht für ein Organ, das noch bis weit ins junge Erwachsenenalter reift. Erst mit 25 Jahren gilt das Gehirn als vollständig entwickelt. Die Zeit rund um die Pubertät ist zudem eine kritische Phase, in der sich neuronale Netzwerke nochmals neu verknüpfen. Würden junge Menschen nur hin und wieder einen Energydrink konsumieren, seien die Mengen an aufgenommenem Koffein und Taurin »sicher«, meint Lücke. Nur bleibt es oft nicht bei der gelegentlichen Dose.
Richtig gefährlich wird der Konsum in der Kombination mit alkoholhaltigen Getränken. Laut der Psychologieprofessorin Cecile Marczinski von der Northern Kentucky University erhöhen Energydrinks den Belohnungseffekt von Alkohol. Wahrscheinlich verdeckt das Koffein auch die unangenehmen Warnsignale eines sich anbahnenden Rausches. Zudem hemmt Taurin das Cytochrom P450 2E1, mit dessen Hilfe der Körper Alkohol wieder abbaut. Für den Kinderneurologen Lücke ist die Energydrink-Schnaps-Kombi der Albtraum schlechthin, weil damit noch eine eindeutig neurotoxische Substanz hinzukommt.
Energy Shots – fatale Steigerung der Energydrinks
Als Energy Shots gelten flüssige Nahrungsergänzungsmittel, die Koffein, Taurin und andere Substanzen in hoher Konzentration enthalten. Die Shots sollen schnell Energie liefern und leistungsfähig machen.
Sowohl das Bundesinstitut für Risikobewertung als auch die Verbraucherzentralen warnen davor, die mit den Shots ausgegebene Verzehrempfehlung von einer Portion pro Tag zu überschreiten. Die sehr geringen Volumina – 25 bis 90 Milliliter – erhöhen aber das Risiko genau dafür. So kann ein Shot 200 Milligramm Koffein enthalten, also je nach Volumen bis zu 8000 Milligramm pro Liter. Das übersteigt die für Energydrinks festgelegte Höchstgrenze von 320 Milligramm Koffein pro Liter um das 25-Fache. Ähnliches gilt für Taurin, hier sind Portionswerte von bis zu einem Gramm möglich.
»Die Hersteller der Energy Shots nutzen eine Gesetzeslücke, denn für Nahrungsergänzungsmittel gelten diese Höchstmengen-Regelungen nicht«, erläutern Verbraucherzentralen. Besonders für Kinder und Jugendliche können die Shots gefährlich werden, wenn sie mehrere Portionen schnell hintereinander konsumieren.
Zum Hochgefühl trägt möglicherweise zudem der hohe Zuckergehalt bei: Eine gängige Dose Red Bull mit 355 Millilitern enthält 37 Gramm, also mehr als zwölf Stück Würfelzucker, und knapp 150 Kilokalorien. Ein einziges Red Bull liefert einem Jugendlichen damit schon deutlich mehr als die von der WHO empfohlene Tageshöchstgrenze an freiem Zucker. Dieser übertüncht den bitteren Geschmack des Koffeins, weshalb man das kühle Getränk schneller wegkippt als eine Tasse Kaffee. Zuckerfreie Varianten mit den umstrittenen Süßstoffen Aspartam, Acesulfam und Sucralose haben denselben Effekt.
Nach Konsum von Energydrinks in der Notaufnahme
Diverse Übersichtsarbeiten dokumentieren die Hinweise auf eine Schädlichkeit von Energydrinks für das Herz-Kreislauf- und Nervensystem bei Jugendlichen. Beispielsweise werteten US-amerikanische Fachleute Meldedaten der nationalen Giftnotrufzentralen aus. Für den Zeitraum von 2010 bis 2013 gab es 10 588 Meldefälle, die im Zusammenhang mit Energydrinks standen. Diese umfassten Jugendliche, die die Getränke bewusst getrunken hatten, ebenso wie Kinder, die sich unbeabsichtigt mit Energydrinks »vergiftet« hatten. Die jüngsten Patienten waren keine fünf Jahre alt. Zahlreiche Betroffene mussten wegen neurologischer und Herz-Kreislauf-Beschwerden in Notaufnahmen behandelt werden, 14 Fälle galten als lebensbedrohlich, ein Mädchen starb.
Und was gilt für die Hirnentwicklung? Es existieren wenig erstaunlich keine kontrollierten Studien, in denen Kinder längere Zeit dem Einfluss von Energydrinks ausgesetzt wurden. Die meisten Erkenntnisse zu Koffein und Taurin und deren direkter Wirkung auf das sich entwickelnde Nervensystem stammen aus Tierversuchen oder aus Experimenten mit Zellkulturen.
Wenn Zellkulturen unter Koffein leiden
Solche Untersuchungen können erste Hinweise liefern, sagt der Neurowissenschaftler und Neonatologe Ivo Bendix vom Universitätsklinikum Essen. Seine Arbeitsgruppe behandelte isolierte Zellen aus Rattengehirnen 24 Stunden lang mit größeren Mengen an Koffein und Taurin. »Wir haben gesehen, dass die Neurone weniger Fortsätze bildeten und diese Verzweigungen kürzer waren«, fasst Bendix die Ergebnisse zusammen. Außerdem entwickelten sich aus sogenannten Vorläuferzellen nicht so viele Oligodendrozyten – jene Stützzellen, die im zentralen Nervensystem die langen Nervenzellfortsätze mit einer schützenden Myelinschicht umgeben. Mangelt es an Myelin, leiten die Nerven Impulse deutlich langsamer weiter; es kann zu Nervenschäden bis hin zum Absterben der Neurone kommen.
»Das Gehirn kann so einiges wegstecken. Aber werden in der Pubertät bestimmte Netzwerke nicht angelegt, kann das später zu Problemen führen«Ivo Bendix, Biomediziner
Das Gehirn könne zwar so einiges wegstecken, sagt der Biomediziner, aber gerade während der Pubertät müssen die Oligodendrozyten die neuen Nervenfaserbahnen ordentlich in Myelin einpacken – die Myelinisierung erreicht in dieser Entwicklungsphase ihren Höhepunkt. »Werden bestimmte Netzwerke jetzt nicht korrekt angelegt, kann das später zu Problemen führen«, befürchtet Bendix.
Auswirkung auf Schlaf und Schulleistung möglich
Auch Amelia Lake, Professorin für Ernährung im Bereich der öffentlichen Gesundheit an der Teesside University in Großbritannien, sieht das Thema Energydrinks und Jugendliche äußerst kritisch. Sie hat 2024 gemeinsam mit ihrer Gruppe eine Übersichtsarbeit veröffentlicht. Die Auswertung von 57 Studien legt nicht nur einen Zusammenhang nahe zwischen dem Konsum von Energydrinks, Rauchen, Alkoholkonsum sowie Drogenmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen. Heranwachsende, die regelmäßig Energydrinks konsumierten, schliefen außerdem schlechter und fielen durch schwächere Schulleistungen auf.
Neben erwartbaren Folgen übermäßigen Zuckerkonsums wie Zahnkaries, Übergewicht und Diabetes Typ II fanden sich bei den Energydrink-Fans zudem mehr Hyperaktivitätsstörungen, Depressionen und Angststörungen bis hin zu Suizid. Amelia Lake betont allerdings, dass solche Studien – wie viele andere – keine ursächliche Wirkung belegen, sondern lediglich statistische Zusammenhänge.
In vielen europäischen Ländern für Minderjährige verboten
»Energydrinks sind eng mit einer Jugendkultur verbunden, mit allem, was cool ist«, sagt Lake – Musik, Extremsport und Computerspielen etwa. Neben der Wirkung nennen befragte Jugendliche auch sozialen Druck, den Einfluss von Gleichaltrigen und Neugierde als Gründe für ihren Konsum. Amelia Lake setzt sich daher dafür ein, die Werbung für Energydrinks einzuschränken und den Verkauf an Jugendliche unter 16 Jahren generell zu verbieten.
Letzteres haben andere europäische Länder längst umgesetzt: In Lettland etwa dürfen Energydrinks an Minderjährige seit 2016 weder verkauft noch verschenkt werden. Litauen verbot den Verkauf bereits zwei Jahre zuvor. In Estland, Schweden und Norwegen gelten ähnliche Regelungen, Polen zog Anfang 2024 nach. Eine EU-einheitliche Vereinbarung fehlt jedoch.
Warum passiert in Deutschland nichts?
Lake kritisiert scharf, dass Gesetzgeber noch mehr Beweise dafür forderten, dass Energydrinks Kinder und Jugendlichen schaden. Das Zögern liege sicherlich zum Teil an der unklaren Studienlage. Es gebe nun einmal keine Studien an Minderjährigen, die einen kausalen Zusammenhang von Energydrinks mit schwerwiegenden Erkrankungen und psychischen Störungen zeigen. Ein solches Studiendesign würde schließlich bedeuten, jungen Menschen potenziell zu schaden – ein unethischer, regulatorisch unmöglicher Ansatz.
Die Verbraucherzentralen in Deutschland verlangen – wie Lake – ein Verkaufsverbot an Minderjährige sowie eine bessere Kennzeichnung der Produkte. Doch beides ist bislang nicht in Sicht. Lake sieht die mächtige Lobby der Getränkeindustrie als treibenden Motor gegen ein Verbot. Für die Hersteller lohnt sich das Geschäft mit dem angeblichen Energie-Kick definitiv: Weltweit erwarten Marktanalysten für die kommenden Jahre einen jährlichen Umsatz von 100 bis 300 Milliarden Euro. Allein in Deutschland setzten Energydrinks im Jahr 2024 rund 6,2 Milliarden Euro um. Ob allerdings die dadurch generierten Steuereinnahmen die gesundheitlichen Kosten durch Energydrinks aufwiegen? Das darf man genauso bezweifeln wie das Wachstum von Flügeln.
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