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Primatenforschung: Tauziehen um die Vaterschaft

Vater werden ist nicht schwer? Von wegen: Bei Gorillas kommt nur der Chef des Clans bei den Damen zum Zuge – sofern es ihm gelingt, den sexuellen Drang der anderen zu zügeln.
Junger Berggorilla
Kein Wunder, dass der Silberrücken in der Gorillagruppe Respekt genießt: Zu voller Höhe aufgerichtet ist er mit den 1,80 Meter Körpergröße und seinen bis zu 200 Kilo Gewicht schon mächtig beeindruckend. Ihre endgültige Größe und die Geschlechtsreife erreichen die Männchen der im Virunga-Nationalpark Ruandas lebenden Berggorillas im Alter von rund zehn Jahren. Dann erst wachsen ihnen auch als Zeichen ihrer erwachten Männlichkeit die silbergrauen Haare auf dem Rücken. Doch zur Zeugung fähig zu sein, heißt für sie noch lange nicht, dass sie von da an auch tatsächlich Gorilladamen glücklich machen dürfen. Denn dies ist in Gorillagruppen ein Privileg des dominanten Männchen – untergeordnete Tiere müssen in dieser Beziehung zurückstecken. Junge Männchen verlassen denn auch in der Regel im Alter von etwa elf Jahren ihre Geburtsgruppe und streifen umher, um anderen Gruppen attraktive Weibchen abzuwerben.

Meist werden Gorilla-Banden von bis zu etwa 30 Tieren von einem einzigen Silberrücken angeführt, der dann der alleinige Vater sämtlichen Nachwuchses ist. Nicht selten – bei rund 40 Prozent der Verbände – halten sich in der Gruppe aber mehrere geschlechtsreife Männchen auf, die natürlich auch alle Interesse an der Weiblichkeit haben.

Silberrücken | Das dominante Männchen übernimmt die Führung der Gruppe und schützt sie bei Gefahr. Dafür besteht er auf dem Recht, als einziger der Gruppe Kinder zu zeugen – doch es gelingt ihm nicht immer ganz, es zu verteidigen.
Gelingt es dem dominanten Silberrücken dann immer noch, das Fortpflanzungsmonopol für sich alleine zu sichern? Oder macht er womöglich freiwillig Zugeständnisse und lässt andere auch mal zum Zug kommen, um sich deren Unterstützung in anderen Bereichen zu sichern?

Dieser Frage gingen nun Linda Vigilant vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie und ihre Kollegen nach. Sie sammelten die Hinterlassenschaften sowie Haare von vier Gorillagruppen mit mehreren erwachsenen Männchen ein, die seit mehr als drei Jahrzehnten vom Karisoke Research Center in Ruanda beobachtet werden. Aus diesen Proben extrahierten sie DNA, anhand derer sie genetische Profile von 92 Affen erstellten.

Mit Hilfe der genetischen Analysen führten die Wissenschaftler Vaterschaftsnachweise durch: 47 der 48 Jungtiere konnten sie eindeutig einem Vater zuordnen. Dabei zeigte sich, dass das Elternglück jeweils nur zwei Männchen einer Gruppe zuteil wurde: dem dominanten Silberrücken und dem Rangzweiten. Die Untergeordneten zogen dabei eindeutig den Kürzeren: Von ihnen stammten jeweils nur 15 Prozent der Jungtiere ab, 85 Prozent hingegen vom Ranghöchsten. Der Fortpflanzungerfolg hing dabei alleine vom sozialen Rang des Männchens ab, andere Einflussgrößen wie der Altersunterschied zwischen den beiden Ranghöchsten, die Anzahl der kinderlosen Weibchen oder die Gesamtanzahl geschlechtsreifer Männchen in der Gruppe spielten hingegen keine Rolle.

Der Chef von Berggorillaverbänden mit mehreren erwachsenen Männchen schafft es also nicht, das Recht auf Fortpflanzung vollständig auf sich zu monopolisieren. Aus dem verhältnismäßig großen Prozentsatz an von dem Rangzweiten abstammenden Kindern schließen die Forscher, dass der dominante Silberrücken nicht etwa aus freien Stücken gelegentlich auch mal einen anderen Kinder zeugen lässt – das täte er nur in seltenen Ausnahmefällen, um den Betreffenden an die Gruppe zu binden. Stattdessen, so folgern sie, findet zwischen den beiden Ranghöchsten ein permanentes Tauziehen um die Vaterschaft statt. So gewinnt dann ab und zu auch mal der zweite Mann der Gruppe die Gunst einer Gorilladame für sich.

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