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Standardmodell der Teilchenphysik: CERN-Messungen lösen Rätsel um Masse des W-Bosons

Bei einem Teilchen, das eine Grundkraft überträgt, hatte eine mysteriöse Anomalie schon auf neue Physik hoffen lassen. Jetzt beseitigt ein Experiment am weltgrößten Beschleuniger die Widersprüche: Die Masse des W-Bosons passt zur Theorie.
Blick von oben in die Kaverne des gewaltigen CMS-Detektors, in dessen Zentrum mehrere Personen Bauteile montieren
Im gigantischen CMS-Detektor stoßen nahezu lichtschnelle Kerne des Wasserstoffs aufeinander. Dabei entstehen zahllose exotische Teilchen, die sich in der hochentwickelten Elektronik genau vermessen lassen.

Im Jahr 2022 schienen spektakuläre Ergebnisse aus den USA dem Standardmodell der Teilchenphysik einen Schlag zu versetzen. Ein Team am Fermilab in Illinois hatte die Masse des »W-Bosons« bestimmt, eines Elementarteilchens – und der Wert lag unerklärlich weit abseits des erwarteten. Das Ergebnis vom CDF genannten US-Detektor war obendrein präziser als alle bisherigen. Versteckte sich hier neue Physik, der Schlüssel zu unentdeckten Naturgesetzen für manche mysteriöse Phänomene in der Teilchenwelt?

Nun hat ein Experiment am größten Beschleuniger der Welt, dem LHC am CERN bei Genf, Hoffnungen auf eine Anomalie beim W-Boson zerschlagen. Laut vorläufigen Ergebnissen, die das CERN im September 2024 bekannt gegeben hat, passt die Masse des Kraftteilchens zu den Vorhersagen aus dem Standardmodell.

Das W-Boson überträgt die so genannte schwache Kernkraft, die für bestimmte radioaktive Zerfälle verantwortlich ist. Es ist eines der schwersten Elementarteilchen, seine Masse entspricht etwa dem 80-Fachen eines Protons (Wasserstoffkern). Sie ließ sich bisher nur schwierig bestimmen, denn das W-Boson zerfällt in zwei Partikel, von denen nur eines detektierbar ist – das andere entkommt unsichtbar als geisterhaftes Neutrino. Damit ist jede Messung recht ungenau, und das wiederum bot Spielraum für unbekannte physikalische Effekte. Diese würden sich in einer Abweichung der tatsächlichen Masse von der theoretisch vorhergesagten widerspiegeln.

Die neue Messung stammt vom CMS-Detektor, einem der vier Hauptexperimente am 27 Kilometer langen unterirdischen LHC. Hinter ihr steckt enormer Aufwand: Anhand von vier Milliarden simulierten LHC-Kollisionen mussten die Forschungsgruppen am CMS zunächst herausfinden, welchen Spuren in den realen Ereignissen sie genau nachzugehen hatten. Anschließend betrachteten sie die Daten von rund 300 Millionen tatsächlichen Zerfällen am LHC. Das Ergebnis: Das W-Boson ist rund 80 360 Megaelektronvolt schwer (MeV, eine in der Teilchenphysik übliche Einheit für die Masse), plus oder minus zehn MeV. Im Rahmen dieser Genauigkeit passt die Masse zu derjenigen, die das Boson laut Standardmodell haben sollte: 80 357 MeV.

Offen bleibt indes, warum der Wert vom CDF-Experiment so stark von allen anderen abweicht. Sowohl das Prinzip der Experimente in den USA (wo Protonen mit ihren Antiteilchen kollidiert sind) und am LHC (wo Protonen miteinander zusammenstoßen) als auch die Strategien bei der Datenanalyse unterscheiden sich. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine scheinbar fundamentale Anomalie ihren Ursprung darin hat, dass die subatomaren Vorgänge schlicht extrem knifflig zu simulieren sind und alternative Herangehensweisen andere Ergebnisse liefern.

  • Quellen
CMS-PAS-SMP-23–002 cds.cern.ch/record/2910372, 2024

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