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Astronomie: Tibet als neuer Ausguck ins All?

Simulationen mit Wetterdaten bringen das "Autonome Gebiet" als künftigen Standort für Teleskope ins Spiel. Die Bedingungen dort sollen zu den besten weltweit gehören.
Ali-Observatorium groß

Für einen optimalen Blick in den Sternenhimmel braucht es wenig Wolken, ruhige, saubere Luft und möglichst kein störendes Licht aus der Umgebung. Je höher und abgeschiedener eine Sternwarte liegt, umso eher sind diese Bedingungen erfüllt. Forscher um Quan-Zhi Ye vom Department of Physics and Astronomy der University of Western Ontario in Kanada haben nun ausgelotet, wie gut sich die 4500 Meter hoch gelegene Ngari-Präfektur in Tibet als Standort für künftige Teleskope eignet.

Die Forscher verwendeten dazu ein Computermodell des US-amerikanischen National Center for Atmospheric Research. Damit lassen sich Wetterdaten für verschiedene Orte weltweit in relativ kleinem Abstand bestimmen. Das Modell beruht auf meteorologischen Messungen aus dem Zeitraum von 1979 bis 2010. Aus den Wetterdaten berechneten die Forscher drei Kenngrößen für die astronomische Eignung eines Standorts, die mit der Abschattung durch Wolken, der Menge des Wasserdampfs in der Luft und der Ruhe der Luftmassen in der Gegend zusammenhingen.

Zunächst prüften die Forscher, wie gut die berechneten Kenngrößen zu den Messwerten an prominenten Teleskopstandorten wie etwa der Atacama-Wüste in Chile oder dem "heiligen Berg" Mauna Kea auf Hawaii passten. Obwohl die verwendeten Wetterdaten aus dem Computermodell für Orte in großer Höhe bekanntermaßen ungenau werden, konnten die Forscher die Messwerte in der Tendenz reproduzieren. Nun bestimmten sie die drei Kenngrößen für das 2010 nahe der Stadt Sênggê Zangbo errichtete Ali-Testteleskop in der Ngari-Präfektur. Sie stellten fest, dass die Bedingungen dort ähnlich gut sein sollten wie an den prominenten Astronomiestandorten.

Bereits seit 2003 sucht das National Astronomy Observatory of China (NAOC) nach einem Standort für erdgebundene Teleskope der nächsten Generation in der Region. Zu diesem Zweck haben sich 2005 auch die Astronomieverbände von China, Japan, Korea und Taiwan zur East Asian Core Observatories Association (EACOA) zusammengeschlossen. Momentan gilt der Standort des Ali-Teleskops in Tibet als besonders vielversprechend.

Die Ngari-Präfektur habe Potenzial für künftige Beobachtungen im optischen, infraroten und Millimeter-Wellenlängen-Bereich, schreiben nun auch die Forscher um Ye. Der Ort könne möglicherweise einen "einzigartigen Standort in der nördlichen Hemisphäre zur Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung bieten" und so Messungen aus der Antarktis und der Atacama-Wüste ergänzen.

Interessant sind solche alternativen Standorte auch deshalb, weil es bei einem der beliebtesten Plätze für astronomische Messungen, dem Mauna Kea, seit geraumer Zeit schwere Proteste gegen die Teleskope gibt. Der Berg ist nach hawaiischer Tradition heilig. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Hawaii war zuletzt ungewiss, ob dort in Zukunft überhaupt noch geforscht werden darf.

Doch auch in Tibet gibt es heilige Berge. Der heiligste von ihnen, der 6638 Meter hohe Kailash, liegt gerade einmal 200 Kilometer entfernt vom Standort des Ali-Teleskops. Die politisch angespannte Lage zwischen der Volksrepublik China und dem "Autonomen Gebiet" Tibet lässt zusätzliche Bedenken aufkommen, wie attraktiv Teleskope in dieser Region für die internationale Forschergemeinde wären.

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