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News: Tiefgreifende Folgen

Ein paar Grad mehr in der Wassertemperatur eines Sees, und die Algenbevölkerung explodiert - das ist das normale Bild. Langfristig gesehen passiert aber offenbar genau das Gegenteil - zumindest in den tiefen tropischen Seen Ostafrikas.
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Zweimal im Jahr geht es rund im Tanganjika-See: Dann mischen sich die oberen paar hundert Meter des Wasserkörpers gründlich durch, Sauerstoff wird in die unteren Regionen verfrachtet und umgekehrt der aufgezehrte Nährstoffvorrat an der Oberfläche aus der Tiefe wieder aufgefüllt.

Diese Zirkulation findet immer dann statt, wenn die Wassertemperatur bis in die Tiefe einheitlich ist. Denn dadurch verschwindet die Sprungschicht im See – jener Abschnitt, in dem sich innerhalb nur weniger Meter oder gar Zentimeter die Dichte der Wasserschichten drastisch ändert. Kühlt sich das Oberflächenwasser also nach dem Sommer ab oder erwärmt sich nach dem Winter wieder, kommt es irgendwann zum Ausgleich mit den tieferen Wasserschichten. Noch ein kräftiger Wind dazu, und schon wird es turbulent.

Besieht man sich aber die Ergebnisse der Wissenschaftler um Piet Verburg von der University of Waterloo, könnte die Zukunft des Tanganjika-Sees deutlich ruhiger ausfallen, aufgrund eines tiefgreifenden Einflusses der Klimaerwärmung. Seit 1913 haben sich im nördlichen Becken des Sees die Temperaturen nahe des Grundes in über einem Kilometer Tiefe um 0,2 Grad Celsius und in 100 Metern Tiefe sogar um 0,9 Grad Celsius erhöht. Am meisten Wärme ist in den oberen 330 Metern gespeichert, mit dem Erfolg, dass sich der Temperaturgradient verschärft hat: Gegenüber 1913 hat er sich zwischen 110 und 200 Metern Tiefe sowie zwischen 200 und 800 Metern Tiefe jeweils verdreifacht.

Damit allerdings wird im oberflächennahen Bereich bereits weit mehr Energie zur Umwälzung verbraucht als früher – und fehlt somit in der Tiefe. So durchmischt sich der See zwar weiterhin, aber flacher. Die Wasserchemie bestätigt den Befund: Die Phosphatwerte – lebensnotwendiger und meist begrenzender Nährstoff, der dringend aus der Tiefe nachgeliefert werden muss – liegen niedriger als noch Mitte des letzten Jahrhunderts.

Dagegen haben sich die Siliciumkonzentrationen in den oberen 50 Metern seit 1975 verdreifacht: Ein Hinweis darauf, dass die Kieselalgen, die damit ihre Gehäuse zimmern, deutlich unter Nährstoffmangel leiden. Um 44 Prozent, so ermittelten die Forscher, ging deren Biomasse während der Durchmischungsphase zurück, zu Zeiten der Stagnation gar um 88 Prozent. Und es sind nicht nur die Kieselalgen, denen offenbar die Nahrung ausgeht. Insgesamt reduzierte sich die Biomasse der Algen im See seit 1975 um etwa 70 Prozent.

Ähnliche Beobachtungen machten Forscher auch am Malawi-See, einem anderen tiefen See Ostafrikas: Auch hier ging die Durchmischung der tieferen Wasserschichten innerhalb von 20 Jahren auf ein Drittel bis die Hälfte zurück. Die pflanzlichen Bewohner des Malawi-Sees scheinen jedoch noch keinen Hunger zu leiden, zumindest blieb die Biomasse wohl bisher annähernd gleich – wobei die Datenlage früherer Jahrzehnte hier ausgesprochen dünn ist.

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