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Erdoberfläche: Tiere formen unsere Landschaften stärker als gedacht

Sie buddeln, bauen, düngen: Wild lebende Süßwasser- und Landtierarten, vom Lachs bis zum Nilpferd, verändern ihre Umwelt und wenden jedes Jahr 76 000 Gigajoule Energie dafür auf.
Ein Biber steht im Wasser vor einem Damm aus Ästen und Zweigen. Der Hintergrund zeigt einen ruhigen Fluss. Der Biber schaut direkt in die Kamera, seine Vorderpfoten sind leicht angehoben. Die Szene vermittelt einen natürlichen Lebensraum.
Biber sind Meister in der Landschaftsveränderung. Sie bauen Dämme und können damit nicht nur ganze Flussläufe umlenken, sondern auch neue Feuchtgebiete schaffen.

Die Erdoberfläche entwickelt sich ständig weiter. Felsbrocken stürzen die Berghänge hinunter. Kollidierende tektonische Platten lassen die Landmasse beben. Wind, Regen und Flüsse tragen Sand ins Meer, wo er zu Sediment wird. Dies sind nur einige der traditionellen Wege, auf denen sich Landschaften verändern. Neue Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass eine mächtige Naturgewalt in diesem Bild fehlt: Tiere.

In einer Studie, die im Fachmagazin »PNAS« veröffentlicht wurde, identifizierte eine Forschungsgruppe um Biogeomorphologin Gemma Harvey insgesamt rund 600 wild lebende Tierarten, die ökologische Prozesse auf der Erdoberfläche beeinflussen. Das Team errechnete, dass diese jährlich schätzungsweise 76 000 Gigajoule Energie zur Gestaltung der Erdoberfläche beitragen. Das entspricht Tausenden von extremen Überschwemmungen.

Biber sind berühmt für ihre technischen Leistungen. Sie bauen Dämme und können damit nicht nur ganze Flussläufe umlenken, sondern auch neue Feuchtgebiete schaffen. Aber wenn es um andere Tiere geht, egal wie umfangreich sie ihre Nester bauen oder Höhlen graben, »hat man den Eindruck, dass sie zwar interessant und vielleicht sogar kurios sind, aber ihre Leistung ansonsten nicht wirklich wichtig«, sagt Hauptautorin Harvey. »Diese Studie stellt das in Frage.«

Schon Darwin beobachtete Regenwürmer bei der Bodenbildung

Das Forschungsgebiet, das sich mit den Formen der Erdoberfläche, ihrer Entstehung, Entwicklung und den Prozessen, die sie gestalten, beschäftigt, wird als Geomorphologie bezeichnet. Werden die Veränderungen durch Tiere verursacht, hängt man eine weitere Vorsilbe an: Zoogeomorphologie. Bereits 1881 erkannte Charles Darwin die Rolle der Regenwürmer bei der Bodenbildung.

Aber erst 1992 prägte der Geograf David Butler, heute emeritierter Professor an der Texas State University, den Begriff für diesen Effekt. Er führte ihn in einer Abhandlung über den Grizzlybär als Erosionsfaktor ein, in der er berechnete, dass die Bären im Glacier National Park im Lauf von 100 Jahren etwa 15 000 Kipplasterladungen Erde den Hang hinuntergeschoben hatten, während sie nach Nahrung suchten und ihre Höhlen gruben. »Wenn man dies weltweit für Hunderte von Tierarten tun würde, käme man auf erstaunliche Zahlen«, sagte er damals.

Die für diese Art von Untersuchung erforderlichen Daten waren zu der Zeit noch nicht verfügbar, doch jetzt – drei Jahrzehnte später – trug Harveys Team genug zusammen, um die Leistung von 500 Arten zu analysieren. Die Forscher fanden heraus, dass stampfende Nilpferde völlig neue Flusskanäle schaffen und Wühlkrebse die Ufer bestehender Kanäle verbreitern. Sie enthüllten, dass Termitenhügel in Brasilien ein Gebiet von der Größe Islands bedecken. »Das sind riesige Flächen«, sagt Harvey, »enorme Mengen an Boden, die bewegt und umgewandelt werden.«

Brian Yanites, Geomorphologe an der Indiana University Bloomington, hebt hervor, dass die neue Arbeit »ein wirklich eleganter Weg ist, das Problem auf einer Makroebene anzugehen«. Zuvor seien derartige Forschungsprojekte oft »auf eine Tierart, einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Landform« beschränkt gewesen.

Die Autoren um Gemma Harvey vermuten, dass die errechneten 76 000 Gigajoule wahrscheinlich noch stark unterschätzt sind. So haben sie die großen Hotspots der biologischen Vielfalt in Afrika, Südamerika und Asien nicht berücksichtigt, weil es nur wenige veröffentlichte Studien darüber gibt, wie Lebewesen das Land in diesen Regionen umgestalten. »Diese vielfältigen natürlichen Prozesse sind von entscheidender Bedeutung, aber wir riskieren, sie zu verlieren, wenn die Artenvielfalt abnimmt«, wird Harvey in einer Zusammenfassung der Studie zitiert. Fast 30 Prozent der in der Arbeit identifizierten Arten seien selten, endemisch oder bedroht. Ihr Verlust kann tief greifende Folgen für Ökosysteme und Landschaften haben.

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  • Quellen
PNAS 10.1073/pnas.2415104122, 2025

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