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Gentechnik: Tintenfische verändern beim Denken ihr Erbgut

Das Nervensystem von Kraken und Co ist ebenso fremdartig wie leistungsfähig. Eine überraschende Entdeckung könnte nun sogar der Gentechnik neue Perspektiven eröffnen.
Ein Tintenfisch in Defensivstellung mit abgespreizten Armen und Tentakeln.

Kraken und Kalmare schreiben die Erbinformation ihrer Neurone beim Transport um, so dass ihr Nervensystem eine viel größere Vielfalt an Proteinen enthält. Insbesondere haben Gene dadurch je nach Ort in der Zelle eine andere Basenabfolge. Zu diesem ungewöhnlichen Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe um Isabel Vallecillo-Viejo vom Eugene Bell Center in Woods Hole in einer Untersuchung an den Nervenzellen des Nordamerikanischen Kalmars (Doryteuthis pealei).

Wie das Team in »Nucleic Acid Research« schreibt, fand es in den Axonen der Nervenzellen zwei Enzyme, die die Basenabfolge von mRNA verändern. Diese RNA transportiert die Information aus den Genen zu den Proteinfabriken der Zelle. Das bedeutet, die Enzyme in den Enden dieser Nervenfortsätze haben nicht nur einen anderen Aufbau als in der DNA des Zellkerns vorgegeben, sondern eine andere Struktur als im Rest der Zelle.

Damit unterscheidet sich der Umgang mit RNA bei den Kopffüßern dramatisch vom Rest des Tierreichs – eine Differenz, die möglicherweise Aufschluss über andere Besonderheiten ihres Nervensystems gibt. Die Nervenzellen der Tintenfische haben extrem lange Axone, die sich über dutzende Zentimeter erstrecken, und genau in diesen entdeckte das Team um Vallecillo-Viejo die Erbgutveränderungen. Bisher war nur bekannt, dass Kraken die Gene für entscheidende Axonproteine nachträglich anpassen, nicht aber, dass das direkt dort passiert.

In den Axonen entdeckte die Arbeitsgruppe die Enzyme ADAR1 und ADAR2, die in der mRNA die Base Adenin in Inosin umwandeln. Die ähnelt dem Guanin, so dass auf diese Weise der Buchstabe A im genetischen Code in den Buchstaben G umgewandelt wird. Bei anderen Tieren finden solche Veränderungen ausschließlich im Zellkern statt und gelten dann für die gesamte Zelle. Außerdem werde mRNA in den Tintenfischnerven nahezu tausendfach häufiger umgeschrieben als bei allen anderen Tieren.

Neben neuen Erkenntnissen über das Nervensystem der Kopffüßer – und nicht zuletzt ihre ebenso rätselhafte wie berüchtigte Intelligenz – erhoffen sich Fachleute von der Entdeckung neue Anstöße für die Gentechnik. Mit Hilfe solcher nachträglicher RNA-Veränderungen kann man Gene ebenso gut umschreiben wie durch eine Veränderung der DNA-Sequenz – doch solche Veränderungen werden nicht vererbt und verursachen keine dauerhaften Schäden. Damit wäre RNA-Editierung nicht nur sicherer als Verfahren wie CRISPR, sondern würde auch nicht den Einschränkungen des Gentechnikrechts unterliegen.

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