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News: Tod im Ei

Vor etwa 80 Millionen Jahre hatten sechs Dinosaurierembryonen ausgesprochenes Pech: Ihr Nest wurde überschwemmt und von Schlamm begraben. Ihr Unglück ist das Glück heutiger Paläontologen, denn die gut erhaltenen Überreste liefern Einblicke in die embyronale Schädelentwicklung bei Titanosauriern.
Der Tod kam schnell. Mindestens viermal überflutete der Fluss das Nest. Danach begrub tiefer Schlamm die Eier und erstickte alles Leben in ihnen. Sechs Dinosaurier starben, bevor sie auf die Welt kamen.

Das Drama ereignete sich in Patagonien im heutigen Argentinien. Das Muttertier, ein vielleicht 15 Meter langer und mehrere Tonnen schwerer Titanosaurier hatte einen fatalen Irrtum begangen. Es grub – wie hunderte andere seiner Artgenossen auch – in den weichen Schlamm am Ufer eines Flusses eine Grube, legte hier seine Eier, bedeckte das Nest mit Pflanzen und überließ es seinem Schicksal. Doch die Mutter konnte nicht ahnen, dass das regelmäßige Hochwasser des Flusses diesmal zu früh kam und ihre Brut in den Tod reißen sollte.

79 bis 83 Millionen Jahre später – genauer: im Jahr 1997 – kam das Nest wieder ans Tageslicht. Luis Chiappe vom Natural History Museum of Los Angeles County grub die Eier wieder aus. An dieser Stelle haben Paläontologen bereits viele Dinosauriereier entdeckt – nicht umsonst heißt der Fundort Auca Mahuevo, verbirgt sich doch in dem Namen das spanische más huevos für "mehr Eier".

Der neue Fund erwies sich diesmal als besonderer Glücksfall. Denn die sechs Eier, welche die Wissenschaftler jetzt genauer untersucht haben, enthielten die Überreste von etwa 30 Zentimeter großen Embryonen. Insbesondere zwei fast vollständig erhaltene, etwa vier Zentimeter große Schädelskelette waren für die Paläontologen interessant, denn von Titanosauriern sind bisher nur ganz wenige Schädel überliefert. Die Tiere gehören zu den pflanzenfressenden Sauropoden – wie der bekannte Apatosaurus –, die gegen Ende der Kreidezeit die Erde bevölkerten.

Ein wichtiges Bestimmungsmerkmal sind die Schädel – und genau die fehlen bei den meisten Funden. Aus den raren Entdeckungen weiß man, dass die Nasenlöcher der Titanosaurier nicht an der Spitze der Schnauze saßen, sondern zwischen den Augen. Bei den Embryonen liegen die Nasenlöcher jedoch noch an der Schnauzenspitze und wandern offensichtlich erst später in der Entwicklung nach hinten.

Aus einer derartigen Analyse der embryonalen Schädelentwicklung der Titanosaurier können die Paläontologen Rückschlüsse auf die Evolution der Tiere ziehen. So sind die Verwandtschaftsverhältnisse zu den anderen Sauropoden nach wie vor umstritten. Bisher wissen die Paläontologen jedoch noch nicht, zu welcher Art die gefundenen Embryonen gehören. "Ich wäre nicht überrascht, wenn sie sich als neue Art herausstellen würden", meint Matthew Carrano von der Stony Brook University in New York. "Nichtsdestotrotz ist es ein fantastischer Fund und wird wichtige Einblicke in die Evolution liefern."

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