Direkt zum Inhalt

Seltsame Fossilien: Von der letzten Mahlzeit gepfählt

Buchstäblich aufgespießt auf einem Donnerkeil - dieses kuriose Ende fanden gleich mehrere Fische im Meer, das einst das heutige Deutschland bedeckte. Wie konnte das passieren?
Fossil einer prähistorischen Kreatur in einer Steinplatte, die zwei symmetrische, flügelartige Strukturen zeigt. Die Oberfläche des Steins ist bräunlich und weist Risse auf. Eine Maßstabsleiste von 5 cm ist sichtbar. Die Textur des Fossils ist detailliert und zeigt feine Linien und Muster.
Diese Steinplatte, zusammengesetzt aus Fossil und seinem Negativabdruck in der Schicht darüber, zeigt das tragische und kuriose Ende eines Fisches.

Eine außergewöhnliche und ziemlich unangenehme Todesart raffte vor rund 152 Millionen Jahren im heutigen Deutschland eine ganze Reihe von Fischen dahin. Die gut 15 Zentimeter langen Fische der Gattung Tharsis hatten sich beim Fressen selbst gepfählt. Knapp zehn Zentimeter lange Stäbe steckten in Maul und Kiemen der Tiere fest - dünne, stiftartige Innenskelette von als Belemniten bezeichneten Tintenfisch-Verwandten. Deren abgebrochene Spitzen sind an Nord- und Ostsee als Donnerkeile bekannt. Wie Martin Ebert und Martina Kölbl-Ebert von der LMU München in der Fachzeitschrift »Scientific Reports« berichten, hatten die Fische versucht, durch ihre Kiemen die Fremdkörper auszustoßen - doch deren verbreitertes Ende blieb dann im Maul stecken. Die Tiere konnten sich nicht befreien und erstickten.

Das passierte wohl häufiger. Insgesamt vier fossile Überreste dieser tragischen Selbstaufspießung spürten die Fachleute auf. Allerdings fielen die Fische nicht ihrer Gier zum Opfer, sondern hatten wohl einfach Pech. Sie versuchten jedenfalls nicht, die Belemniten zu erbeuten. Tharsis hatte nur winzige Zähne und knabberte vermutlich Bakterien, Algen oder abgestorbenes Gewebe von schwimmenden oder am Boden liegenden Objekten. Die Urtintenfische waren wohl schon lange tot, trieben aber an der Oberfläche, weil ein Teil ihres Skeletts noch mit Gas gefüllt war. Eigentlich lebten diese Tiere im offenen Ozean weit im Süden. Nach dem Tod trieben sie jedoch in das Solnhofen-Archipel, eine flache Inselwelt im heutigen Süden Deutschlands. Dort lebte Tharsis vermutlich in großen Schwärmen - und mutmaßlich fraßen die Fische auch die Lebewesen, die sich nach und nach auf der schwimmenden Insel angesiedelt hatten.

Anscheinend begann die Tragödie, als die Fische beim Knabbern am verwesenden Belemniten das Rostrum genannte Innenskelett ins Maul bekamen und sich nicht wieder lösen konnten. Fische können sperrige Fremdkörper im Maul aber durch die Kiemenöffnungen seitlich am Kopf wieder ausstoßen, was die Tiere hier auch versuchten. Das Problem dabei ist, dass die Belemniten zum Kopfende hin breiter werden. Als die Fische schon rund fünf Zentimeter des Innenstabes durch die Kiemen wieder herausbefördert hatten, ging es endgültig nicht mehr weiter. Zusammen mit dem Belemniten sanken die langsam erstickenden Fische auf den Boden des Meeres - und blieben dort als kuriose Fossilien erhalten.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

  • Quellen
Ebert, M., Kölbl-Ebert, M., Scientific Reports 10.1038/s41598–025–00163–7, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.