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Influenza: Was macht Vogelgrippe so gefährlich?

Vogelgrippeviren sind womöglich deshalb oft tödlich für Säugetiere, weil das Immunsystem sie nicht mit Fieber bekämpfen kann. Darauf weisen Daten aus einer Studie an Mäusen hin.
Grippestation im Feldkrankenhaus Aix-les-Bains der US Army in Frankreich während des 1. Weltkrieges
Zwischen 1918 und 1920 erlagen zig Millionen Menschen der »Spanischen Grippe«. Ihr Erreger enthielt ein fieberresistentes Protein, das von einem Vogelgrippevirus stammte.

Um Influenza für uns gefährlicher zu machen, genügt vielleicht ein einzelnes Protein aus Vogelgrippeviren. Mitunter reichen sogar einige kleine DNA-Änderungen aus, um dessen Effekt zu simulieren. Darauf deutet eine Studie einer Arbeitsgruppe um Matthew Turnbull von der University of Glasgow hin.

Für ihre Experimente nutzten die Fachleute einen Influenzastamm, der Mäuse schwer erkranken lässt. Das Team stellte unterschiedliche Varianten dieses Virus her, um sie anschließend in Versuchstieren zu testen. In manche der Erreger schleuste es ein Gen namens PB1 aus Vogelgrippeviren ein. In anderen nutzte es eine Version, die sich nur in zwei DNA-Basen vom ursprünglichen Virusgen unterschied.

PB1 codiert für einen Teil der viralen DNA-Polymerase – also jener Maschinerie, die es dem Virus erlaubt, sein Erbgut zu vervielfältigen. Was die Versionen aus den Vogelgrippeviren sowie das veränderte Protein besonders macht, ist ihre Fähigkeit, auch bei hohen Temperaturen zu arbeiten. 

Bei normaler Körpertemperatur setzte eine Infektion mit jedem der Influenzaviren Mäusen heftig zu. Eine um zwei Grad Celsius erhöhte Körpertemperatur schützte sie dagegen im Fall des ursprünglichen Erregers vor den schwersten Verläufen. Anders verhielt es sich bei den hybriden Versionen mit PB1 aus Vogelgrippeviren und dem gentechnisch veränderten PB1: Hier verlor simuliertes Fieber seinen Schutzeffekt. 

Das Immunsystem nutzt unterschiedliche Strategien, um sich gegen Infekte zu wehren. Eine davon besteht darin, die Kerntemperatur des Körpers zu erhöhen. Fieber dämmt die Vermehrung von Erregern ein, deren Maschinerie zumeist darauf ausgelegt ist, bei unter 37 Grad Celsius optimal zu arbeiten. Influenzaviren, die bei Menschen Infekte auslösen, greifen meist Zellen in den oberen Atemwegen an – ein Bereich, in dem die Temperatur um 33 Grad Celsius liegt. Die Erreger der Vogelgrippe sind jedoch darauf optimiert, im Verdauungstrakt der Tiere bei 38 bis 40 Grad Celsius zu gedeihen.

Hohe Sterberate bei fieberresistenter Influenza

Diese Fähigkeit, so spekulieren die Studienautorinnen und -autoren, könnte ihr Überspringen auf Menschen gefährlich machen. Die tödlichsten Grippeviren der vergangenen 100 Jahre lösten 1918, 1957 und 1968 Erkrankungswellen aus, die jeweils Millionen von Todesopfern forderten. All diese Pandemieverursacher hatten sich PB1-Proteine von Vogelgrippeviren angeeignet. Die Forschenden testeten auch deren Temperatursensitivität. Dabei zeigte sich, dass Fieber ihre Aktivität nicht beeinflusst.

Ob Fieber allein den Schutz vermittelt oder ob Immunprozesse, die durch das Fieber angestoßen werden, maßgeblich dazu beitragen, ist noch unklar. Der Arbeit zufolge gibt es jedoch Hinweise auf Ersteres. Denn eine erhöhte Temperatur bewahrte kultivierte menschliche Zellen ebenfalls vor dem Angriff von Influenzaviren.

Sollten weitere Untersuchungen den Mechanismus bestätigen, könnte sich das darauf auswirken, wie wir mit Grippe umgehen. Einerseits könnte die DNA-Sequenz von PB1 auf möglicherweise besonders kritische Stämme hinweisen, deren Verbreitung es unter Säugetieren zu verhindern gilt. Andererseits sprechen die Ergebnisse dafür, zu testen, ob fiebersenkende Medikamente bei Grippepatienten mit größerer Vorsicht eingesetzt werden sollten. Denn wenn eine erhöhte Temperatur einen Teil der Infekte abschwächt, wäre es vielleicht ratsam, auf solche Wirkstoffe zu verzichten.

  • Quellen
Turnbull, ML et al.: 10.1126/science.adq4691, Science 2025

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