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Lügendetektoren: Tomografie gegen den Terror

Terroristen lügen, aber ihr Gehirn kennt die Wahrheit. Ihm kann man das Wissen entreißen. Der Magnetresonanztomograf ist also, so konnte man dieser Tage lesen, die ultimative Waffe im Kampf gegen den Terrorismus. Oder doch nicht?
Kernspintomografie
Es ist ein alter Menschheitstraum, Lügner mit absoluter Sicherheit zu entlarven. Viele Methoden wurden ausprobiert: Im mittelalterlichen Rom war das zum Beispiel der Bocca de la Verita. Wer seine Hand in das geöffnete Maul des Wasserspeiers steckte, verlor sie, wenn er gleichzeitig log. Allerdings zweifelten der Überlieferung nach manche Beteiligte so sehr an der Funktionsweise, dass sie gleich selbst mit dem Schwert nachhalfen. Auch Folter wird und wurde seit Menschengedenken für ein probates Mittel zur Wahrheitsfindung gehalten. Allerdings – von moralischen Bedenken mal ganz abgesehen – erfüllt sie ihren Zweck ziemlich schlecht, da sie ihre Opfer häufig zu falschen Geständnissen bewegt. Es bedarf also geeigneterer Methoden.

In den 1950er Jahren begann eine Methode auf wissenschaftlicher Grundlage ihren Siegeszug: die Polygrafie. Der Lügendetektor verwendet die Reaktionen des Körpers auf Stress als Indiz für den Wahrheitsgehalt von Aussagen. Denn beim Lügen, so die Theorie, ist der Mensch aufgeregter als sonst, und das schlägt sich auch in physiologischen Maßen nieder: Der Herzschlag beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, der Lügner schwitzt stärker. All dies lässt sich messen und aus den Veränderungen schließen dann Experten, welche Aussagen wahr sind und welche gelogen. So alt wie die Methode selbst ist jedoch auch der Streit von Wissenschaftlern über ihre Zuverlässigkeit.

Seit einigen Jahren sind bildgebende Verfahren, welche die Aktivität des Gehirns sichtbar machen, als Mittel zur Wahrheitsfindung in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. So untersuchte jetzt beispielsweise Daniel Langleben von der Universität von Pennsylvania die Fähigkeit eines Computers, Lügen von insgesamt 22 Versuchsteilnehmern aufgrund der von einem Magnetresonanztomografen aufgezeichneten Hirnaktivität zu entlarven. Die Versuchsteilnehmer bekamen zwei Spielkarten und sollten anschließend den Besitz der einen leugnen, den der anderen dagegen gestehen. Sollte ihnen die Täuschung gelingen, lockten 20 Dollar als Belohnung. Während der ersten Durchgänge übte der Computer, wobei er immer erfuhr, ob der Proband gerade flunkerte oder nicht. Daraus entwickelte er einen Algorithmus, mit dessen Hilfe er versuchte, spätere Lügen aufzudecken. Wenn er diesen anschließend auf denselben Probanden anwendete, sagte er mit durchschnittlich 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit voraus, ob dieser gerade schwindelt [1].

Neue Hightech-Methode im Kampf gegen den Terror entwickelt?

Bei genauerer Betrachtung ist das Ergebnis allerdings gar nicht so exakt: Die Präzision der Vorhersage galt nur für einzelne Probanden. Versuchte der Computer jedoch von der Versuchsgruppe auf andere Personen zu schließen, lag er öfter mal daneben. Genauer gesagt unterstellte er ihnen in jedem fünften Fall, in dem die Teilnehmer die Wahrheit sagten, das Gegenteil [2]. Ein hoher Wert, angesichts der Konsequenzen, die ein solcher Irrtum in der Realität für einen Beschuldigten haben könnte, wenn das Verfahren tatsächlich einmal in einem Prozess eingesetzt wird. Zum Vergleich: Bei anderen wissenschaftlichen Methoden wie der DNA-Analyse gelten vor Gericht schon Werte von weniger als 99 Prozent Verlässlichkeit als zu ungenau.

Und was passiert, wenn der Verdächtige bei der Eichprozedur nicht mitspielt, sondern versucht, den Computer bewusst zu täuschen? Am Ende wären die 99 Prozent gar nicht zu erreichen, wenn die entscheidende Frage nach dem Attentatsversuch kommt. Und sollte er vor Gericht bestreiten, dass die für andere Personen ermittelten Werte für ihn gelten, kann ohne Kenntnis allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten niemand das Gegenteil beweisen – im Zweifel für den Angeklagten. Entgegen der Behauptung, die Methode sei gegen jede Beeinflussung gefeit, fehlt darüber hinaus bisher jeder Beleg, dass Personen nicht mithilfe der so genannte Biofeedbackmethode lernen können, den Computer durch die willentliche Kontrolle ihrer Hirnströme zu täuschen.

Überhaupt scheinen die bisherigen Versuchsszenarien realitätsfern [3]. Ein Proband, der aufgefordert wird zu lügen und bei Erfolg dafür sogar belohnt wird, befindet sich eben in einer grundlegend anderen Situation als ein vermeintlicher Terrorist oder Verbrecher, dem eine empfindliche Strafe, wenn nicht sogar der Tod droht. Wie wirkt sich diese Belastung auf die Messung aus? Es ist bisher nicht einmal bekannt, welchen Aspekt der Lüge die Hirnaktivität abbildet: Ist es wirklich die Anstrengung, die Wahrheit zu verbergen? Oder sieht man das – im Versuch sicher nicht sehr stark ausgeprägte – Unrechtsbewusstsein beim Lügen? Wie reagiert das Gehirn von Menschen, denen ein solches fehlt, beispielsweise Psychopathen oder entsprechend indoktrinierten Personen im Gegensatz zu Langlebens Studenten? Alles Fragen, die vor großen Schlagzeilen zu überdenken wären.

Die Suche nach dem einen Lügenzentrum im Gehirn verlief bisher jedenfalls erfolglos. Das von Langleben veröffentlichte Modell zur Vorhersage von Lügen umfasst Veränderungen in gleich 14 Hirnregionen. Auch Studien anderer Forschergruppen ergaben bisher kein übersichtlicheres oder einheitlicheres Bild: Neben einer in nahezu allen Untersuchungen gefundenen überdurchschnittlichen Aktivität des präfrontalen Kortex, ergab sich für fast jedes an kognitiven Leistungen beteiligtes Gehirnareal in irgendeiner Forschungsarbeit eine signifikante Korrelation. Der Schluss, den die Gruppe um Langleben zieht, klingt dementsprechend ernüchternd: Insgesamt sei Lügen anstrengender als die Wahrheit zu sagen, daher sei währenddessen auch mehr Aktivität im Gehirn zu beobachten – ein klares Muster existiere jedoch nicht.

Langleben selbst äußert daher Zweifel an der baldigen Einsetzbarkeit bildgebender Verfahren als Lügendetektoren und fordert weitere eingehende Untersuchungen. Auf keinen Fall, so warnt er, sollten sich Wissenschaftler und Entscheidungsträger von der Euphorie über die neuen Verfahren leiten lassen und diese zum Einsatz bringen, bevor sie wirklich ausgereift sind und Standards bezüglich Anwendung und Auswertung durch besonders geschulte Experten existieren. Mag sein, dass dies eines Tages gelingt – Anlass, eine neue Waffe im Kampf gegen den Terror zu feiern, besteht jedoch noch lange nicht.

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