Direkt zum Inhalt

News: Torwächter

Import und Export sind wichtige Basisdaten für jede Volkswirtschaft. Ähnliches gilt für Zellen: Auch hier werden ständig die verschiedensten Stoffe ein- und ausgeführt. Damit dies alles in geregelten Bahnen verläuft, überwachen Kanäle in der Zellmembran, wer hinein und wer heraus darf. Jetzt entdeckten Wissenschaftler eine Familie von Ionenkanälen, die über den Energiehaushalt der Zelle gesteuert werden.
Eine Doppelschicht aus wasserabstoßenden Lipiden umschließt jede Zelle als Zellmembran. Daher können Ionen und andere wasserlösliche Stoffe normalerweise weder in die Zelle hinein noch aus ihr heraus gelangen. Die Hülle ist jedoch kein geschlossener Sack, sondern besitzt Ionenkanäle, die – quasi als Poren – die Passage bestimmter Ionen erlauben. Viele dieser Kanäle kann die Zelle je nach Bedarf schließen oder öffnen und somit den Ionenstrom kontrollieren. Bisher kannten die Wissenschaftler derartige Kanäle vor allem aus Nerven- und Muskelgewebe, die durch Änderung der Membranspannung geöffnet und geschlossen werden können und dadurch die Erregung weiterleiten. Die Ionenkanäle von nicht-erregbaren Geweben blieben für die Physiologen lange eine Terra incognita.

Potenzielle Kandidaten für Ionenkanäle stellen Proteine der so genannten TRP-Familie dar. Sie liegen eingebettet in der Zellmembran, wobei die Proteinkette die Membran im Zickzack sechsmal durchquert, sodass sich die freien Enden jeweils auf der Zellinnenseite befinden. Bei manchen sind diese freien Stränge besonders lang, weshalb sie die Wissenschaftler als long TRP channels oder LTRPC bezeichnen. Zwei dieser Proteine, LTRPC2 und LTRPC7, schauten sich zwei Arbeitsgruppen, jeweils von Andrew Scharenberg von der University of Washington geleitet, näher an.

Bei LTRPC7 gab es bereits Hinweise, dass es sich hierbei um einen Ionenkanal handelt, der über das energieübertragende Molekül ATP gesteuert wird, denn sein C-Terminus – sein "hinteres Ende" – fungiert als Proteinkinase, die eine Phosphatgruppe von ATP auf ein anderes Substrat – einschließlich LTRPC7 selbst – überträgt. Jetzt entdeckte Monica Nadler vom Beth Israel Deaconess Medical Center, dass es sich bei dem Protein tatsächlich um einen Ionenkanal handelt, der Calcium- und Magnesiumionen hinein und dafür einwertige Kationen herauslässt. Da der Auswärtsstrom der Kationen den Einwärtsstrom übersteigt, arbeitet LTRPC7 als Gleichrichter. Der Kanal schließt sich, sobald ein Magnesium-ATP-Komplex an seinem C-Terminus bindet.

Auch sein "Familienmitglied" LTRPC2 arbeitet als Ionenkanal, ist allerdings nicht so wählerisch wie LTRPC7. Es gewährt den Durchtritt von Calcium- und Natriumionen in beide Richtungen. Anne-Laure Perraud vom selben Institut wie Nadler fand heraus, dass LTRPC2 über ADP-Ribose gesteuert wird. Bisher betrachteten die Physiologen dieses Molekül als unwichtiges Nebenprodukt des Stoffwechsels. Doch sobald es sich an dem C-Terminus von LTRPC2 heftet, öffnet oder schließt sich der Kanal und verharrt dann in diesem Zustand.

Beide Ionenkanäle kommen wahrscheinlich in allen Zellen vor und spielen eine entscheidende Rolle im Ionenstoffwechsel. LTRPC7 ist sogar überlebenswichtig, Zellen mit defekten Kanälen sterben ab. Deutlich wird die Bedeutung der Kanäle bei Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt: Der hierbei unterbrochene Blutfluss führt zum Zusammenbruch der Sauerstoffversorgung, die Zelle kann daraufhin nicht mehr genügend ATP bilden. Infolgedessen bleibt LTRPC7 geöffnet, sodass Calcium ungehemmt in die Zelle eindringt. Dadurch gerät das ausgeklügelte Ionengleichgewicht der Zelle durcheinander, die Zelle stirbt schließlich ab. Ähnlich wirkt auch der Zuckermangel bei Diabetes-Patienten, da auch hier der ATP-Gehalt der Zelle zurückgeht und somit indirekt den Calciumhaushalt der Zelle stört. Jetzt hoffen die Wissenschaftler auf Medikamente, welche die Kanäle blockieren und damit die schädliche Wirkung des Calciumeinstroms verhindern können.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
University of Washington
Nature 411: 542–543 (2001)
Nature 411: 590–595 (2001)
Nature 411: 595–599 (2001)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.