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News: Träge Fliegen

Aufgrund ihrer geringen Größe müsste sich eine Taufliege eher schwimmend durch die Luft bewegen. Davon gingen Wissenschaftler zumindest bisher aus. Aufnahmen mit drei Hochgeschwindigkeitskameras zeigten nun, wie die kleinen Insekten ihre Flugmanöver tatsächlich meistern.
Zu Tausenden bevölkern sie zur warmen Jahreszeit den Komposthaufen im Garten, denn faulendes und gärendes Obst zieht die Taufliegen (Drosophila melanogaster) magisch an. Im Volksmund werden sie deshalb auch Frucht- oder Essigfliegen genannt. Und wenn man nicht aufpasst, schreckt ein Griff in die Obstschale gleich einen ganzen Schwarm der kleinen Insekten in die Höhe.

Obwohl Drosophila Biologen als Modellorganismus dient und deshalb als bestens erforscht gilt, blieb eines bis heute unklar: die biomechanischen Grundlagen ihrer Manövrierfähigkeit. Bisher nahmen Wissenschaftler an, dass insbesondere bei kleinen Insekten die Luftreibung eine große Rolle spielt. Drosophila sollte also vielmehr in der Luft schwimmen als wirklich fliegen. Und würde der Flügelschlag der Fliege innehalten, so müsste auch ihre Bewegung im Raum innerhalb weniger Millisekunden gebremst werden.

Um diese Theorie zu prüfen, filmten Steven Fry von der Universität/ETH Zürich und seine Kollegen Taufliegen mit drei Infrarotkameras und einer zeitlichen Auflösung von 5000 Bildern pro Sekunde. Dabei untersuchten die Forscher nicht nur den freien Flug von Drosophila, sondern auch ihre blitzschnellen 90-Grad-Wendemanöver, die so genannten Sakkaden. Während dieser für den Fliegenflug typischen Manöver, die weniger als eine Zehntelsekunde dauern, sollten die größten Auffälligkeiten bei den Flügelbewegungen zu finden sein, so spekulierten die Wissenschaftler.

Doch schon die Analyse des geraden Fluges brachte erste Überraschungen. Bisher als unabdingbar erachtete aerodynamische Mechanismen, wie zum Beispiel das Zusammenschlagen der Flügel über dem Körper (clap-and-fling), spielten eine untergeordnete Rolle. Eine genauere Analyse der Drehmanöver war ebenso erstaunlich: Die Flügelschläge glichen selbst bei extremen Wendemanövern praktisch denen beim Geradeausflug. Offenbar bewirken also die Flügel von Drosophila selbst ausgefallene Flugmanöver mit geringfügigen Änderungen ihres Schlages und entsprechen gewissermaßen dem lenkfreudigen Steuerrad eines Formel-1-Rennwagens.

Ferner fanden Fry und sein Team heraus, dass das während der Sakkaden von den Flügeln erzeugte Drehmoment mit der gemessenen Winkelbeschleunigung des Körpers korreliert, nicht mit der Winkelgeschwindigkeit, wie es eigentlich hätte sein sollen. Daraus wiederum lässt sich schließen, dass die Dynamik des Fliegenkörpers von der Trägheit dominiert wird und nicht von der Reibung, wie bisher angenommen.

Um den Körper in Rotation zu versetzen, erzeugt die Fliege durch geringfügig unterschiedliche Bewegung ihrer beiden Flügel ein Drehmoment. Damit Drosophila sich dem Trägheitsprinzip entsprechend aber nicht einfach weiter um die eigene Achse dreht, muss sie mit wohl dosierten Flügelschlägen, die ein entgegenwirkendes Drehmoment erzeugen, schnell gegensteuern. Das Steuerungsprinzip heißt also Schub und Gegenschub und zwar innerhalb von etwa zehn Flügelschlägen, die für eine Sakkade benötigt werden.

Diese Erkenntnis liefert nun die Basis, um die dazugehörigen neuronalen und physiologischen Steuerungsmechanismen zu analysieren – die nächste Aufgabe, der sich die Forscher widmen wollen. Bis jedoch der Fliegenflug von den sensorischen Signalen über ihre Verarbeitung im Gehirn bis hin zu den einzelnen Flügelbewegungen im Detail verstanden ist, wird es laut Ansicht der Fry und Co noch etwas dauern.

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