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News: Transvestiten auf Zeit

Der Kampf um ein Weibchen gehört zu den wichtigsten Ereignissen im Leben eines Männchens. Und viele entwickeln ausgefallene Strategien, mit denen sie versuchen, die Konkurrenten auszustechen. Die Männchen einer Natternart zum Beispiel spielen vorübergehend Weibchen, um ihre Artgenossen zu täuschen, damit sie selbst zum Zuge kommen. Wahrscheinlich schützen sich die vom Winterschlaf noch geschwächten Tiere dadurch vor einer kräfteraubenden Balz.
Wie schwierig ist es doch, die richtige Frau zu finden, und sich dabei noch gegen zahlreiche Konkurrenten durchzusetzen. Vor dem Problem stehen auch die Männchen der Rotseitigen Strumpfbandnatter (Thamnophis sirtalis parietalis). Wenn die Schlangenmännchen aus ihrem Winterschlaf erwachen, denken sie sofort an Nachwuchs und stürzen sich auf die Weibchen in ihrem Umkreis. In dicken Knäueln umschlingen sie die Angebetete.

Aber manche Männchen tricksen ihre Artgenossen aus. Denn schon vor 15 Jahren stellten Wissenschaftler fest, dass sich bei mehr als einem Viertel der 'Paarungsknäuel' im Zentrum nicht etwa ein Weibchen, sondern ein Männchen befand. Indem es weibliche Pheromone über die Haut abgibt, narrt es andere. Doch welchen Sinn sollte das haben?

Rick Shine von der University of Sydney und seine Kollegen von der Oregon State University untersuchten die Pseudo-Weibchen genauer. Die Tiere waren dicker als ihre männlichen Gegenüber, und sie bewegten sich langsamer. Sie zeigten nur ein unterdrücktes Balzverhalten und paarten sich auch seltener mit echten Weibchen. "Männchen, die weibliche Hautfette produzierten, wurden im Verhalten als auch in ihrer Anziehungskraft zu Weibchen", berichtet Shine.

Um sicherzugehen, dass die Schlangen ihre hormonelle Maske selbst produzieren und nicht einfach durch Hautkontakt zu Weibchen erhalten, rieben die Forscher männliche und weibliche Tiere aneinander. Derartig behandelte Männchen konnten andere jedoch nicht täuschen. Als die Wissenschaftler aber die männlichen Pheromone abwuschen und durch weibliche ersetzten, waren die Pseudo-Weibchen unter den Männern plötzlich heiß begehrt. Diese 'künstlichen' Transvestiten verloren auch jegliches Interesse an der Fortpflanzung. Allerdings nur vorübergehend: Schon am nächsten Tag hatten sie sich zu den heißblütigsten Verfolgern gewandelt. Für andere Männchen waren sie hingegen nun nicht mehr attraktiv (New Scientist vom 26. Februar 2000).

Wie Shine herausfand, durchlaufen alle Männchen nach dem Winterschlaf diese 'Pseudo-Weibchen'-Phase. Die Tiere sind direkt nach der langen Ruhepause ohne Nahrung noch sehr schwach. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass der Fortpflanzungstrieb unterdrückt wird, um die frisch aufgewachten Schlangen zu schützen. Beim Kampf um die Weibchen würden sie sehr wahrscheinlich den Kürzeren ziehen und dabei nur unnütz Energie vergeuden. Ganz abgesehen davon verwirren die Schauspieler natürlich ihre Konkurrenten – und kommen damit viel eher selbst zum Zuge, wenn sie sich erstmal ausreichend gekräftigt haben.

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