Trauma Bonding: Wie toxische Partner vorgehen

In Beziehungen kann auch dann starke Abhängigkeit entstehen, wenn keinerlei äußere Kontrolle oder finanzielle Not im Spiel ist. Stattdessen bauen manche Menschen emotionale Nähe auf, um Macht auszuüben. Darauf deutet eine Studie hin, die im Fachblatt »Violence Against Women« erschienen ist. Sie rückt damit eine oft übersehene Dynamik in den Fokus: Liebe als Werkzeug psychologischer Manipulation.
Die Kriminologinnen Mags Lesiak und Loraine Gelsthorpe von der University of Cambridge interviewten 18 britische Frauen im Alter von 26 bis 60 Jahren. Diese hatten mehrfach körperliche oder psychische Gewalt durch einen Expartner erlebt, kamen aber emotional nicht ganz von ihm los. Alle Teilnehmerinnen waren finanziell unabhängig, sozial gut integriert und reflektiert. Die Gespräche dauerten je zwei bis drei Stunden und wurden im Anschluss qualitativ ausgewertet.
Die Analyse der Geschichten offenbarte ein gemeinsames Muster: Im Zentrum stand das sogenannte »trauma bonding« – eine emotionale Bindung, die durch wechselhaftes, missbräuchliches Verhalten entsteht. Die männlichen Expartner der Interviewten agierten laut deren Angaben oft über lange Zeiträume ohne offenkundige Gewalt. Dafür erzeugten sie besonders innige Nähe, indem sie sich betont verletzlich zeigten und eigene Traumata mit ihnen teilten. Zudem verhielten sie sich einmal scheinbar fürsorglich – und entwerteten ihr Gegenüber im nächsten Moment. Dieses ständige Pendeln zwischen Zuwendung und Zurückweisung kann offenbar eine besonders starke, suchtartige Bindung erzeugen. Einige Frauen beschrieben sich nach einem Kontaktabbruch als »wie auf Entzug«.
Auffallend häufig nutzten die Männer gemeinsam erlebte Verletzungen oder eine schwierige Kindheit, um Schuldgefühle zu erzeugen. So wurde Empathie zur Falle: Viele der Frauen blieben aus Mitleid oder aus dem Wunsch, den Partner zu »retten«, obwohl sie die ungesunde Dynamik bereits erkannt hatten.
Im Unterschied zu früheren Modellen, die »trauma bonding« als Folge psychischer Schwäche oder Koabhängigkeit verstanden, zeigt diese Studie: Es handelt sich um eine einheitliche, womöglich sogar gezielte Strategie übergriffiger Partner.
Die Wissenschaftlerinnen plädieren daher für einen Paradigmenwechsel: Statt Opfer zu pathologisieren, müsse man stärker auf die emotionalen Taktiken der Täter achten. Und die Gesellschaft sollte lernen, auch subtilen psychologischen Missbrauch ernst zu nehmen. Denn nicht immer sind ausbeuterische Beziehungen an der Oberfläche erkennbar.
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