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News: Treibhausgase aus Seen

Berliner Gewässerökologen vermuten, daß die Bedeutung der Binnengewässer bei der Emission von Treibhausgasen bisher unterschätzt wird.
Die im Dezember tagende Weltklimakonferenz in Kyoto widmet sich schwerpunktmäßig auch der Emissionsreduzierung von Treibhausgasen. Dabei stehen traditionsgemäß die industriellen Quellen im Mittelpunkt. Gewässerökologen aus dem Berliner Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) vermuten, daß Binnengewässern dabei größere Bedeutung zukommt als bisher angenommen. Denn aquatische Ökosysteme sind für 20 – 40 Prozent der globalen Methanemission verantwortlich.

Methan, mit seiner chemischen Formel CH4 gehört neben Kohlendioxid CO2 und Lachgas N2O zu den wichtigsten Treibhausgasen. Seine atmosphärische Konzentration steigt unaufhörlich und wird sich im Jahre 2000 gegenüber 1900 vermutlich verdoppelt haben. Sie beträgt dann etwa 1,8ppm (part per million = 1 Teil in einer Million Teile). Da das Gas sehr wirksam ist (ca. 25 mal mehr als Kohlendioxid), sind bereits geringste Konzentrationsanstiege bedeutsam. Dies macht wissenschaftliche Untersuchungen über Emission, Funktion und Regulation der Prozesse im Gewässer und die Funktion der beteiligten Organismen erforderlich. Zwar setzen auch Reisfelder, Watte, Sümpfe und Überschwemmungsgebiete Methan frei und sind wegen ihrer gewaltigen Ausdehnung wichtig. Doch eignen sie sich als Modell für das Verständnis zur Funktion und Regulation der Prozesse nicht so gut wie langfristig stabil ausgebildete Habitate in Seen, die Einblick auch in die mikrobielle Ökologie erlauben.

Interessante Hochrechnung

Dr. Peter Casper (IGB-Abteilung Limnologie Geschichteter Seen, Neuglobsow am Stechlinsee) nutzte einen halbjährigen Forschungsaufenthalt in der Abteilung Mikrobielle Ökologie des Institute of Freshwater Ecology (IFE) in Windermere, England, um die Emission der kohlenstoffhaltigen Gase CH4 und CO2 näher zu erforschen. Mit einem dortigen Team unter Leitung von Bland J. Finlay nahm er den hypertrophen (hoch mit Nährstoffen belasteten) See Priest Pot mit einer Fläche von 1 ha und einer Tiefe von 3,50 m unter die Lupe. Es zeigte sich, daß dieser See während der gesamten Untersuchungszeit (Mai-Oktober 1997) sowohl Methan als auch Kohlendioxid an die Atmosphäre abgibt. Der Hauptpfad der CO2-Emission ist die molekulare Diffusion über die Grenzfläche Wasser/Atmosphäre – anders als beim Methan, das vor allem über Gasblasen freigesetzt wird, die oft auch optisch gut zu beobachten sind. CO2 erreichte mit 39 mmol pro Quadratmeter und Tag das Hundertfache gegenüber der Methandiffusion (0,39 mmol CH4). Anders ausgedrückt: Im Sommer wurden täglich mehr als 12.000 l Gas (oder 6.2 kg Kohlenstoff als CH4 und CO2) aus diesem 1-ha-See in die Atmosphäre freigesetzt. Binnengewässer nehmen global eine Fläche von 2,5 Mio. Quadratkilometern ein. Wenn nur von der Hälfte dieser Seefläche die im Priest Pot ermittelte Menge Methan freigesetzt werden würde, entspräche dies ca. 50 Mio. Tonnen Methan pro Jahr oder fast 8 Prozent der jährlichen globalen CH4-Emission (640 Mio. t).

Die Emission aus Binnengewässern könnte durch Minderung der Eutrophierung verringert werden. Die Arbeiten im nährstoffarmen brandenburgischen Stechlinsee zeigen die Verhältnisse in einem unbelasteten Gewässer. Interessanterweise kann es pulsartige Freisetzungsereignisse geben. Wenn sich ausreichend Gas in den Sedimenten angesammelt hat, ermöglicht fallender Luftdruck die Freisetzung dieser Blasen. So fand Dr. Casper z.B. Ende August eine 10fach höhere Emission bei einem Luftdruckabfall von 10 mbar.

Methan wird unter sauerstofffreien Verhältnissen von Mikroorganismen gebildet. Bei diesen Mikroorganismen handelt es sich entwicklungsgeschichtlich um sehr alte Formen, die deshalb auch Archaea genannt werden. In einer Vielzahl taxonomischer Eigenschaften unterscheiden sie sich von den Eubakterien. Zu den Archaea gehören vor allem Mikroben, die in extremen Biotopen leben und z.B. extrem hohe Salzkonzentrationen, Drücke oder Temperaturen meistern. Mittels molekularbiologischer Methodiken konnte das Team in verschiedenen Sedimenttiefen des Priest Pot Archaea und speziell Methanproduzenten nachweisen. Das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei will nun im Rahmen langfristiger Kooperationen mit dem IFE daran arbeiten, diese Organismen zu identifizieren und ihre Diversität mit der in Seen des Stechlinseegebietes zu vergleichen. Dabei wird vor allem die Veränderung ökologischer Bedingungen, wie sie durch die Schichtungsrhythmik in unseren Gewässern auf die microbial community wirkt, eine Rolle spielen. Da im Rahmen des 5. Rahmen-Programms der Europäischen Kommission zur Forschungsförderung ab 1998 auch die Emission von Treibhausgasen aus aquatischen Ökosystemen einen Schwerpunkt bilden wird, will Dr. Casper einen Projektantrag dazu koordinieren, in dem europäische Arbeitsgruppen sowohl quantitativ zur Emission aus verschiedenen Biotopen als auch qualitativ zur mikrobiellen Ökologie der Prozesse und Organismen zusammenarbeiten.

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