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Trockenheit: Die Regenarmut dieses Frühlings könnte historisch werden

Seit Februar hat es kaum geregnet in Deutschland. Grund dafür ist ein spezielles Wettermuster. Das an sich ist nicht ungewöhnlich für die Jahreszeit – die Dauer allerdings schon.
Eine ausgetrocknete Flusslandschaft mit rissigem Boden im Vordergrund, umgeben von Bäumen unter klarem blauem Himmel. Der Fluss führt nur noch wenig Wasser, was die Auswirkungen von Dürre und Wassermangel verdeutlicht.
Dieses Bild zeigt einen Seitenarm des Rheins am 12. April 2025. Der Pegel des mächtigsten deutschen Flusses ist deutlich gesunken. Binnenschiffe können nur noch teilweise beladen fahren.

Keine Änderung in Sicht – diese fachliche Einschätzung der mittelfristigen Wettervorhersage verkommt allmählich zur Floskel. Seit Mitte Februar ist das Wetter in Deutschland beinahe gleich, die Atmosphäre scheint wie erstarrt. In weiten Teilen des Landes hat es nun seit Wochen nicht nennenswert geregnet. Im Norden wie im Süden, Osten und Westen sind die Böden staubtrocken, Flüsse und Seen führen Niedrigwasser. Die Trockenheit ist außergewöhnlich und könnte historisch werden: Deutschland steuert auf das regenärmste Frühjahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 zu.

Und es sieht weiterhin nicht nach Regen aus. »Bis ins letzte Maidrittel ist nichts zu holen«, sagt Adrian Leyser, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Allenfalls im Osten des Landes könnte es ein paar Schauer geben. Grund für die ausgeprägte Trockenheit ist hoher Luftdruck im Nordwesten Europas, der den Zustrom feuchter Atlantikluft verhindert. Blockadelage nennen Meteorologen solche Wettermuster, die mehrere Tage, Wochen oder gar Monate anhalten können. Mächtige, persistente Hochdruckgebiete blockieren dabei die typische Westdrift; sie riegeln den Kontinent atmosphärisch regelrecht ab. Tiefdruckgebiete ziehen dann nicht mehr von West nach Ost über das Land, sondern müssen weite Umwege nehmen. Über Mitteleuropa bildet sich ein so genanntes Regenloch.

Die Folge: Statt aus westlicher Richtung wird das Wetter in diesem Frühjahr vor allem von Osten her geprägt. Statt feuchter Meeresluft strömt trockene Kontinentalluft von den großen Landflächen nach Mitteleuropa. Die Wetterlage steht Kopf: Meteorologen sprechen von einer gestörten Zirkulation. Das Problem sei, erklärt Leyser, dass die heranströmende Luft aus Osteuropa oder Skandinavien völlig ausgetrocknet ist. Deshalb reiche es nur für unergiebige Schauer. Flächendeckenden Landregen gab es – bis auf einen schmalen Streifen in der Mitte des Landes – in diesem Frühjahr überhaupt nicht.

Im Harz ist es am trockensten

Die Regenbilanz ist entsprechend dünn: Nur 58 Liter Niederschlag fielen – über die gesamte Fläche der Bundesrepublik gemittelt – seit März auf jeden Quadratmeter. Weniger als ein Drittel der üblichen Regenmenge ist damit bislang erreicht; das Defizit beträgt aktuell 113 Millimeter. Es müssten also in den verbliebenen 17 Tagen des Mai 113 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel fallen, um auf ein normales Niveau zu gelangen. Das ist unrealistisch. Kommen hingegen weniger als 27 Liter pro Quadratmeter zusammen, wird das Frühjahr 2025 einen neuen Rekord aufstellen und das bisherige rekordtrockene Frühjahr 1893 unterbieten (85,3 Millimeter). Staubtrocken ist es vor allem rund um den Harz, wo verbreitet nur 10 bis 15 Prozent des Niederschlagssolls fielen; an einigen Orten im Nordosten kamen bislang noch nicht einmal 10 Liter Regen zusammen. Von Berlin bis zur Ostsee herrscht eine wirklich außergewöhnliche Dürre.

Die hochdrucklastige Wetterlage hinterlässt ihre Spuren aber nicht nur beim Niederschlag. Auch beim Sonnenschein ist der Frühling 2025 auf Rekordkurs. 571 Stunden Sonnenschein kamen bundesweit bislang zusammen, damit ist der Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 mit 522,1 Stunden bereits überschritten. Zum Rekord fehlen noch rund 140 Sonnenstunden; dann wäre der erst im Coronajahr 2020 aufgestellte Rekord mit 709 Sonnenstunden schon wieder überboten. Entsprechend hoch ist seit Mitte Februar die Ausbeute beim Solarstrom: Zur Mittagszeit deckt die Fotovoltaik an sonnigen Tagen mit beinahe 50 Gigawatt Leistung oft den gesamten Strombedarf des Landes. Unterdurchschnittlich ist hingegen die Windernte: Von der Nordsee bis zu den Alpen herrscht eine ungewöhnliche Flaute. Einzig die Temperaturen sind unauffällig, sie liegen meist um das langzeitige Mittel herum.

Verantwortlich für die Blockade der Westdrift sind in diesem Frühjahr zwei spezielle Muster in der Atmosphäre: die Omega-Lage und die Hoch-über-Tief-Lage. Als Omega bezeichnen Meteorologen eine Konstellation der Hoch- und Tiefdruckgebiete, die dem griechischen Buchstaben ähnelt. Im Zentrum steht dabei ein gewaltiges Hoch in Mitteleuropa, flankiert von zwei Tiefs im westlichen und östlichen Mittelmeerraum. Das Besondere an dieser Lage ist ihre Beständigkeit. Das Hoch und die beiden Tiefs reichen bis in große Höhen – und kommen nicht vom Fleck. Deshalb können sie extremes Wetter verursachen. In diesem Frühjahr liegt Mitteleuropa eher am östlichen Rand dieses Omegas, im Zentrum des Hochs liegt Großbritannien. Bei einer Hoch-über-Tief-Lage bildet sich ebenfalls ein stabiles Höhenhoch, das sich in Europa häufig vom Baltikum über Skandinavien bis nach Großbritannien erstreckt. Südlich davon zieht allerdings ein von der Westdrift abgeschnürtes Tiefdruckgebiet seine Kreise und bringt dem Mittelmeerraum enorme Regenmengen.

Solche Blockadelagen sind im Frühjahr nicht ungewöhnlich – aber sie werden häufiger

Dass sich Blockadelagen im Spätwinter und Frühjahr bilden, ist zunächst nicht ungewöhnlich. Sie entstehen zu dieser Zeit am häufigsten. Auffallend ist jedoch, dass sie seit 25 Jahren immer häufiger auftreten – und länger anhalten. Eine Häufung trockener Frühjahre falle auch den Meteorologen beim Deutschen Wetterdienst auf, erzählt Adrian Leyser. Allerdings sei bislang noch kein signifikanter Trend feststellbar, sagt er. Dagegen könne man mit Sicherheit sagen, dass der Regenmangel in diesem Jahr »wirklich besorgniserregend« ist. »Das Damoklesschwert dieser Blockade schwebt weiter über uns«, sagt er.

Leyser spielt damit auf den bevorstehenden Sommer an, der nach Ansicht einiger Onlinemedien mal wieder ein Jahrhundertsommer werden könnte. Unabhängig davon, ob diese Schlagzeilen wahr werden, wäre ein heißer und trockener Sommer in diesem Jahr aber wirklich ein großes Problem. Die Böden sind in weiten Teilen Deutschlands jetzt schon ausgetrocknet, die Flusspegel wie der des Rheins bereits niedrig, die Waldbrandgefahr ist hoch.

Und wie wird der Sommer? Das lässt sich aktuell noch nicht verlässlich vorhersagen. Langfristmodelle sind in den vergangenen Jahren zwar immer besser geworden, aber ihre Prognosegüte ist noch mau. Sie liegen oft nicht wesentlich genauer, als wenn die Meteorologen würfeln würden. Und dennoch bieten die Modelle eine gewisse Orientierung, zumal die Vorgeschichte des Wetters Einfluss auf den Sommer haben kann. Denn Wetterlagen weisen eine Tendenz zur Erhaltung auf, insofern ist eine Fortsetzung der trockenen Witterung im Sommer wahrscheinlicher als sonst.

Dieses Bild spiegeln auch die Berechnungen wider. »Durch die Bank rechnen alle Modelle derzeit mit einem zu warmen und trockenen Sommer«, sagt Adrian Leyser. Laut dem Langfristmodell des DWD soll es zu 80 Prozent wärmer werden als sonst und zu 60 Prozent trockener. Etwas zurückhaltender sind die anderen Langfristmodelle wie etwa das vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), aber hier zeigt sich ebenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit für warmes und trockenes Sommerwetter. Mit Blick auf die Natur kann man nur hoffen, dass sie sich irren.

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