Trübeströme: Was die gewaltigen Schlammströme im Meer antreibt

Ende 2019 erlebte der Kongo in Zentralafrika das größte Hochwasser seit 50 Jahren: Riesige Wassermassen ergossen sich in den Atlantik – mit großen Mengen an Schlamm. Zusammen lösten sie einen der größten, bekannten Trübeströme in der Tiefsee aus. Diese gewaltige Schlammlawine erstreckte sich über 1100 Kilometer Länge und in bis zu 4500 Meter Tiefe im Ozean; sie zerriss dabei auch wichtige Kommunikationskabel. Nach und nach werden mehr Details zu diesen für uns praktisch verborgenen Massenbewegungen bekannt. Ein Team um Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel etwa konnte zeigen, wie sich diese Trübeströme tatsächlich fortbewegen: Sie wälzen sich nicht kontinuierlich, sondern in Schüben vorwärts.
Die Arbeitsgruppe hatte im Oktober 2019 – und damit zufälligerweise erst kurz vor dem Ereignis – Seismometer im Bereich des Kongobeckens und -Canyons vor der Westküste Afrikas platziert, in einer der größten und tiefsten Unterwasserschluchten der Erde. Dabei achteten die Forscher darauf, dass sich die Geräte außerhalb der Hauptzone der Trübeströme befinden, so dass sie nicht zerstört werden konnten. Wenige Monate später zeichneten die Seismometer dann die bis zu 30 Kilometer pro Stunde schnellen Schlammlawinen auf.
Zum Erstaunen des Teams bewegte sich die dichte Front dieser Trübeströme nicht in einem einzigen, kontinuierlichen Fluss. Stattdessen kam es zu zahlreichen Schüben, die jeweils 5 bis 30 Minuten andauerten. Die schnellsten Strömungsschübe traten dabei bis zu 20 Kilometer hinter der Spitze der Schlammlawine auf. Sie überholten schließlich immer wieder die Front und lieferten das Sediment sowie die nötige Energie, um den Hauptfluss über die große Distanz von mehr als 1000 Kilometern aufrechtzuerhalten – ein völlig unerwartetes Verhalten.
Diese Beobachtung stelle bisherige Annahmen infrage, nach denen die höchsten Geschwindigkeiten an der Strömungsspitze zu erwarten wären, schreiben die Wissenschaftler. Turbulente Vermischung mit Meerwasser oder andere bremsende Kräfte beeinflussen wahrscheinlich erheblich das Verhalten der Ströme über lange Strecken. Sie können menschliche Infrastruktur in der Tiefsee deutlich beeinträchtigen. Andererseits verlagern sie aber auch große Mengen an Kohlenstoff zum Meeresgrund, wo er größtenteils eingelagert wird. Damit tragen sie zur Senkenwirkung der Ozeane bei.
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