Autoritär und populistisch: Was macht der Trumpismus mit Amerika?

Mit Sorgenfalten, ja mit Schrecken blicken viele Menschen seit Monaten auf die USA. Verwandelt sich die älteste Demokratie der Welt in einen autoritären Staat? Kein Zweifel: Donald Trump und die allermeisten republikanischen Mitglieder im US-Kongress greifen liberale Ordnungen an. Auf nationaler Ebene äußert sich dies zum Beispiel am breitbeinigen Umgang der US-Regierung mit Gerichten, an Angriffen auf die Unabhängigkeit der Universitäten oder indem Wahlen mit »falschen« Ergebnissen nicht akzeptiert werden. Darüber hinaus wird auch die nach 1945 entstandene und vor allem in den 1990er Jahren weiterentwickelte liberale internationale Ordnung unter Beschuss genommen: Die Rolle von Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der NATO, aber auch die Bedeutung des Völkerrechts werden von Trump und seinen Anhängern ganz grundsätzlich infrage gestellt, die Schuld an dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird dem ukrainischen Präsidenten in die Schuhe geschoben, und obendrein werden ohne Scham imperiale Besitzansprüche gegenüber Ländern wie Kanada, Panama oder Grönland vorgebracht.
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen nenne ich das, was da alles angegriffen wird, das »liberale Skript«. Die Gegnerschaft gegen dieses Skript ist dabei keineswegs ein exklusives Kennzeichen von Donald Trumps Amerika. Inzwischen leben mehr als 70 Prozent aller Menschen weltweit in autoritär geführten Ländern – und auch in vielen liberalen Demokratien mehren sich die illiberalen Kräfte. Wie lässt sich der Trumpismus in dieser weltweiten Entwicklung einordnen? Welche besonderen Merkmale hat er, und wie unterscheidet er sich von anderen autoritären Strömungen? Und handelt es sich bei den zahlreichen Anfechtern des liberalen Skripts überhaupt um systematisch verschiedene Typen?
Das liberale Skript wird angefochten
Zur Beantwortung dieser Fragen haben wir auf der Grundlage einer systematischen Web-Recherche 53 soziale Bewegungen, Parteien, militante Organisationen und Staaten ausgewählt und gezielt anhand zuvor definierter Merkmale analysiert. Dazu gehören etwa die jeweiligen weltanschaulichen Grundlagen; die Art, wie Identität konstruiert wird; die Art der Kritik an liberalen Prinzipien; die Intensität von Handlungen und Maßnahmen gegen diese Prinzipien; sowie die benutzten oder hervorgerufenen Emotionen. Unsere Fachpublikation hierzu ist gerade in Vorbereitung.
In den gesammelten Daten haben wir durch Vergleiche vier Cluster von Anfechtungen des liberalen Skripts identifiziert. Man kann sie in Anlehnung an ein Konzept des Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889–1951) als vier »Familien« bezeichnen. Jedes Familienmitglied entspricht dabei einer der 53 autoritären Strömungen. Die Familienzugehörigkeit ergibt sich aus Gemeinsamkeiten der Mitglieder untereinander. Nicht alle Mitglieder einer Familie müssen identische Merkmale aufweisen. Ein Mitglied gehört zu einer der vier Familien, wenn seine Ähnlichkeiten mit ihr die Unterschiede überwiegen.
Der erste Cluster – wir nennen ihn »die Fundamentalisten« – umfasst islamistische, rechtsextreme und sozialistische Bewegungen und Regierungen weltweit. Der zweite Cluster setzt sich hauptsächlich aus sozialistischen und anarchistischen sowie Umweltbewegungen aus verschiedenen Regionen zusammen; wir sprechen von »marktskeptischen Egalitären«. Der dritte Cluster umfasst primär ethnisch motivierte Akteure aus dem Globalen Süden, die »identitätsorientierten Akteure«. Der vierte schließlich beruht auf nationalistischen und populistischen Ideologien: die »autoritären Populisten«.
Die zweite Trump-Administration ist eindeutig diesen autoritären Populisten zuzuordnen. Das gemeinsame Kennzeichen der entsprechenden »Familie« ist die Kritik an der liberalen moralischen Gleichwertigkeit aller und den damit verbundenen Grundsätzen der Toleranz sowie der gleichen Rechte für alle. Dieser Kritik auf dem Fuße folgt häufig das Infragestellen von Demokratie und Pluralismus sowie das Verbreiten »alternativer Fakten« als ein Element eines breit angelegten Angriffs auf die Epistemologie liberaler Gesellschaften. Im Cluster der autoritären Populisten sind alle Organisationsformen von Akteuren vertreten: Regierungen – zum Beispiel das Orbán-Regime in Ungarn –, politische Parteien – etwa die Dänische Volkspartei oder die peruanische Fuerza Popular –, soziale Bewegungen wie die deutsche Pegida sowie militante Organisationen wie die Miliz der Proud Boys in den USA oder die indische Karni Sena. Hierzulande bekannte Beispiele, die aber nicht zu unserem Sample gehören, sind die AfD, der französische Rassemblement National oder auch die FPÖ in Österreich.
Ein erheblicher Teil dieser sehr unterschiedlichen Akteure wird in der politikwissenschaftlichen Forschung zur Schwächung von Demokratien – wir sprechen auch von »demokratischer Regression« – als autoritär-populistische Parteien bezeichnet. Fünf Merkmale sind besonders wichtig, um ihre ideelle Positionierung zu verstehen. Auch diesbezüglich sind die US-Republikaner unter Trump eindeutig eine autoritär-populistische Partei:
Nationalismus: Politische Gemeinschaften enden an nationalen Grenzen. Für Populisten ist die politische Verantwortung mit den Grenzen des nationalen Territoriums identisch. Grenzüberschreitende Verantwortung und Solidarität gelten als Verrat an den einfachen Menschen im eigenen Land.
Antipluralismus: Der Nationalismus, der hier im Spiel ist, setzt einen homogenen Volkswillen voraus und ist gegen Vielfalt gerichtet. Es wird eine scharfe Trennlinie zwischen dem »wahren Volk« und denen, die nicht dazugehören, gezogen.
Dezisionismus: Politische Haltungen und Interessen sind vorgegeben. Der politische Wille des Volkes wird nicht durch Dialog und Auseinandersetzung mit anderen ermittelt oder verändert. Er steht fest, die politische Führung verkörpert ihn. Damit bedarf es auch keiner komplizierten Verfahren, um zu richtigen politischen Entscheidungen zu kommen.
Mehrheitsfixierung: Der Wille der Mehrheit muss umgesetzt werden. Es geht darum, ihren (scheinbar gegebenen) Willen unverfälscht umzusetzen. Das beste Mittel dafür sind schnelle Durchführungsbestimmungen sowie manchmal Volksabstimmungen.
Epistemologischer Relativismus: Die den liberalen Demokratien zugrunde liegende gesellschaftliche Vorstellung von Wissen und Wahrheit wird gezielt angegriffen, etwa durch die Infragestellung anerkannter Wissensquellen und epistemischer Autoritäten sowie die Verbreitung sogenannter alternativer Fakten.
All diese fünf Merkmale gehen mit autoritären Tendenzen einher: Weil beispielsweise abweichende Meinungen unzulässig sind, muss die Arbeit der Opposition behindert oder ganz unterdrückt werden. Wenn Gerichte verhindern, dass der »wahre Wille« des Volkes umgesetzt wird, sind Maßnahmen erforderlich, um diese Blockaden zu beseitigen und sie in Zukunft zu unterbinden. Die autoritäre Tendenz zeigt sich typischerweise in Angriffen auf die Gewaltenteilung, auf als feindlich angesehene Zeitungen oder Fernseh- und Radiosender oder in der offenen Missachtung des parlamentarischen Verfahrens. Dort, wo populistische Parteien an der Macht sind, verfolgen sie oft das Ziel, die demokratischen und rechtsstaatlichen Regeln so zu verändern, dass eine wirksame Opposition und eine unabhängige Kontrolle der Regierung unmöglich werden. Auf diese Weise soll die Macht dauerhaft gesichert werden, auch wenn nach wie vor noch Wahlen stattfinden.
Autoritäre populistische Parteien richten sich gegen liberale Demokratien und die regelbasierte internationale Ordnung. Kommen sie an die Regierung, machen sie sich daran, das politische System zu transformieren, und können sich so von einer populistisch-autoritären Partei in ein autoritär-populistisches Regime verwandeln. Putin in Russland war in gewisser Weise der Erste, der diesen Weg einschlug. Er diente als Modell für andere autoritäre Führer. Orbáns Ungarn, die PIS-Partei in Polen, Bolsonaro in Brasilien, Modi in Indien und last, but not least, Trump in den USA sind nur die bekanntesten Fälle.
Der Unterschied zum Faschismus
Viele Beobachterinnen und Beobachter fragen sich angesichts dieser weltweit zu beobachtenden Tendenzen, ob autoritäre Populisten nicht so etwas wie moderne Faschisten sind. Faschismus ist eine völkische, antidemokratische und gewaltbereite Ideologie, die eine autoritäre Führerherrschaft, die Unterdrückung von Opposition und die totale Kontrolle über Staat und Gesellschaft anstrebt. Im Gegensatz dazu will der autoritäre Populismus die liberale Demokratie »nur« illiberal umformen, die demokratische Fassade jedoch erhalten. Rhetorisch akzeptieren seine Vertreterinnen und Vertreter Wahlen als Legitimationsquelle, auch wenn sie nicht auf den Voraussetzungen freier und fairer Wahlen beruhen.
Der autoritäre Populismus will die liberale Demokratie »nur« illiberal umformen, die demokratische Fassade jedoch erhalten
Während Faschisten die Etablierung eines Einparteienstaats oder Führerregimes (oder zumindest eine totalitäre Tendenz) anstreben, wollen autoritäre Populisten im Allgemeinen keine totalitäre Ordnung etablieren – wobei dieser Unterschied mit zunehmendem Alter und steigender Repressivität des betreffenden Regimes abnimmt. Der autoritäre Populismus ist tendenziell auf die Vergangenheit ausgerichtet und möchte zum Beispiel eine althergebrachte frühere Ordnung wiederherstellen. Dies geschieht unter anderem mit einer verteidigenden Rhetorik, die sich etwa gegen »Verfall«, »Globalismus« sowie »Migration« richtet – und in Europa zum Beispiel auch gegen »Brüssel«. Demgegenüber agiert der Faschismus revolutionärer. Er will eine gänzlich neue Ordnung schaffen.
Der letzte Unterschied deutet darauf hin, dass der Trumpismus in den USA in seiner jetzigen Ausprägung eine spezifische Unterform des autoritären Populismus darstellt, jedoch keine Facette des Faschismus. Manchen der autoritär-populistischen Parteien kann sogar eine gewisse Gemeinwohlorientierung nicht abgesprochen werden. Bei wohlmeinender Interpretation könnte etwa die PIS in Polen so gedeutet werden, dass dort ein offener Nepotismus und die Privatisierung der Staatsressourcen nicht so offen zutage treten wie zunehmend in den USA unter Trump.
Die Strukturen des Rechtsstaats im Visier
Laut den US-amerikanischen Politikwissenschaftlern Stephen Hanson und Jeffrey Kopstein zielen nämlich diese Formen des autoritären Populismus nicht nur auf die Abschaffung der liberalen Demokratie ab. Sie wollen auch die Strukturen des bürokratischen Rechtsstaats zertrümmern. Das Ziel besteht darin, für die neuen Machthaber sowie deren Familien und Günstlinge die Kontrolle über den Staat zu erlangen.
An die Stelle des modernen Rechtsstaats tritt dann – in den Worten des deutschen Soziologen Max Weber (1864–1920) – der patrimoniale Staat oder die Wiederkehr der Herrschaft durch Machthaber, die auf das Medium der Rechtsstaatlichkeit verzichten und stattdessen auf persönliche Beziehungsverhältnisse setzen. Die moderne Errungenschaft des rationalen bürokratischen Staats wird bewusst aufgegeben. Auch das war beim Faschismus des 20. Jahrhunderts anders, zumindest in seiner totalitären nationalsozialistischen Variante: Laut dem Soziologen und Politiker Ralf Dahrendorf (1929–2009) erbrachte der Nationalsozialismus einen Modernisierungsschub für Deutschland – hier zeigt sich die Ambivalenz der Moderne. Einen solchen braucht man sich von autoritären Populisten aber eher nicht zu erhoffen.
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