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Typ-1-Diabetes: Neues Medikament gegen die Zuckerkrankheit

In den USA wurde erstmals eine Antikörpertherapie zugelassen, die den Ausbruch von Typ-1-Diabetes hinauszögern kann. Die Entwicklung könnte eine neue Ära in der Therapie von Autoimmunkrankheiten einleiten.
Ein junges Mädchen spritzt sich Insulin mit einem Injektor in den Bauch.
Bei einem Typ-1-Diabetes produziert der Körper nur sehr wenig oder gar kein Insulin. Es tritt in der Regel schon im Kindes- oder Jugendalter auf. Etwa 90 Prozent der Menschen mit Diabetes haben allerdings einen Typ-2-Diabetes. Insulin kann in das Fettgewebe der Unterhaut (subkutan) gespritzt werden (Symbolfoto).

Für Mikayla Olsten war die lebensbedrohliche Situation ihrer an Diabetes erkrankten Schwester ein Weckruf. Im Jahr 2016, Mikayla war gerade 14 Jahre alt, landete Mia Olsten mit Nierenversagen und Flüssigkeit in der Lunge auf der Intensivstation. Der Grund: Ketoazidose, eine Komplikation des Typ-1-Diabetes (T1D), die oft das erste Anzeichen dafür ist, dass der Körper nicht genügend des zuckerregulierenden Hormons Insulin produziert. Der Blutzuckerspiegel steigt an, und es entstehen giftige Abbauprodukte, die die Organfunktionen beeinträchtigen.

Obwohl Mikaylas jüngste Schwester heute wieder gesund ist, gehört sie zu den schätzungsweise neun Millionen Menschen weltweit, die von T1D betroffen sind und ihren Blutzucker- sowie Insulinspiegel sorgfältig kontrollieren müssen. Der erschreckende Vorfall hatte die Familie Olsten damals veranlasst, auch Mikayla auf erste Anzeichen von Diabetes zu testen, die oftmals den Krankheitssymptomen vorausgehen. In der Familie gab es zwar keine Vorgeschichte von T1D, aber Geschwister von Betroffenen haben ein stark erhöhtes Krankheitsrisiko. Für vier der fünf T1D-Marker, nach denen Ärzte suchen, fielen die Tests positiv aus. Jeder von ihnen ist eine Art »Autoantikörper«, die das Immunsystem dazu veranlassen, die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse anzugreifen. Zusätzlich wich Mikaylas Zuckerstoffwechsel von der Norm ab, was bedeutete, dass der Krankheitsprozess bereits im Gang war. Ihre Chancen, die Oberstufe ohne eine Diabetesdiagnose zu überstehen, standen den Prognosen der Ärzte zufolge etwa eins zu drei.

Doch heute ist Mikayla 21 Jahre alt, studiert Sportphysiologie an der Brigham Young University – Idaho in den USA und führt ein Leben ohne Diabetes. Zu verdanken hat sie dies wahrscheinlich einer Behandlung mit dem Medikament Teplizumab, einer Art Antikörpertherapie. Der Wirkstoff hält bestimmte T-Zellen, die »Kampfhunde« des Immunsystems, davon ab, die Insulin produzierenden Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse zu zerstören.

Antikörpertherapie erweist sich in Studien als wirksam

Im Juli 2016 erhielt Mikayla im Rahmen einer klinischen Studie eine zweiwöchige Behandlung mit Teplizumab. Zwischen 2011 und 2018 nahmen daran insgesamt 76 Probanden teil. Die mit dem Medikament behandelten Personen entwickelten im Durchschnitt nach etwa fünf Jahren Diabetessymptome – drei Jahre später als diejenigen, die lediglich ein Placebo verabreicht bekommen hatten.

Mikayla Olsten | Die Studentin erhielt 2016 die Antikörpertherapie Teplizumab, weshalb sich bei ihr wahrscheinlich kein Typ-1-Diabetes entwickelt hat.

Mikayla ist jetzt schon sechseinhalb Jahre nach der Therapie diabetesfrei; andere Studienteilnehmer mussten ein Jahrzehnt oder länger keine Insulintherapie beginnen, die derzeit einzige wirksame Behandlung der Krankheit. Im November 2022 erteilten die Arzneimittelbehörden in den USA Teplizumab für Menschen ab acht Jahren, die bestimmte Risikokriterien erfüllen, die Zulassung. In Deutschland ist das Medikament hingegen noch nicht zugelassen.

»Dies ist ein großer, großer Fortschritt auf dem Gebiet«, sagt Aaron Kowalski, Präsident und Geschäftsführer der JDRF, einer gemeinnützigen Forschungsorganisation in New York, die sich auf T1D konzentriert. »Es ist die erste krankheitsmodifizierende Therapie bei Typ-1-Diabetes überhaupt.« Es ist auch das erste Medikament, das nachweislich den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung verzögern kann. Damit ist es wegweisend für die Entwicklung weiterer Arzneimittel, die andere Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und multiple Sklerose aufhalten oder verhindern könnten.

»Auch wenn die Fachwelt die Zulassung von Teplizumab feiert, bedeutet das nicht, dass wir schon am Ende sind«Jay Skyler, University of Miami in Florida

Die Frage, wer von solchen Therapien profitieren könnte, lässt sich jedoch nach wie vor schwer beantworten: Eindeutige Screeningstrategien müssen erst noch entwickelt werden, und die präsymptomatischen Anzeichen solcher Erkrankungen sind nicht immer genau definiert. Und da Teplizumab T1D nur vorübergehend lindert, suchen die Forschenden nach besseren Ansätzen: »Auch wenn die Fachwelt die Zulassung von Teplizumab feiert, bedeutet das nicht, dass wir schon am Ende sind«, sagt Jay Skyler, Endokrinologe an der Universität von Miami in Florida. Vielmehr stehe man erst ganz am Anfang.

Von der Behandlung zur Prävention

Die Ursprünge von Teplizumab gehen auf das Pharmaunternehmen Ortho Pharmaceutical in New Jersey, USA, zurück. Dort entwickelten Wissenschaftler eine erste Version des Antikörpers mit der Bezeichnung OKT3. Das ursprünglich von Mäusen stammende Molekül ist in der Lage, sich an die Oberfläche von T-Zellen zu heften und dadurch deren zelltötendes Potenzial abzuschwächen. Im Jahr 1986 wurde das Mittel zugelassen, um die Abstoßung von Organen nach Nierentransplantationen zu verhindern. Damit war OKT3 der erste zugelassene therapeutische Antikörper.

Doch OKT3 machte Probleme: In hohen Dosen löste er eine lebensbedrohliche Komplikation aus, die als Zytokin-Freisetzungssyndrom bekannt ist, kurz CRS (nach englisch: cytokine release syndrome). Und weil der Antikörper ursprünglich von Mäusen stammt, wird er vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt und bekämpft. Deshalb lässt die Wirksamkeit des Medikaments mit der Zeit nach. Um diese Probleme zu vermeiden, verfeinerten Forschergruppen außerhalb des Unternehmens die Formel des Antikörpers – Teplizumab war geboren.

Im Jahr 1999 wurde der Antikörper erstmals in klinischen Studien als Behandlung für Menschen getestet, bei denen T1D neu diagnostiziert worden war. Eine kleine Studie unter der Leitung von Kevan Herold, einem Immunologen, der heute an der Yale School of Medicine in New Haven in Connecticut forscht, zeigte: Eine einzige Behandlung kann den Betroffenen helfen, ihre Insulinaktivität über Jahre hinweg aufrechtzuerhalten oder sogar zu steigern.

Eine größere Folgestudie endete jedoch mit Ernüchterung: Bei der Reduzierung des Insulinverbrauchs und der Regulierung des Blutzuckerspiegels erwies sich Teplizumab als nicht wirksamer als ein Placebo. Ein ähnliches Medikament namens Otelixizumab schnitt gleichermaßen schlecht ab. Beide Therapien wurden daher fallen gelassen.

Das war eine Enttäuschung für die gesamte Diabetesforschung, doch Aufgeben war für Herold keine Option. Er und seine Kollegen führten weitere Experimente mit dem Medikament durch. Sie fanden heraus, dass Teplizumab die gegen die Inselzellen gerichteten T-Zellen abbaut und sie in einen Zustand der teilweisen Erschöpfung versetzt. Das schützt die Bauchspeicheldrüse vor weiteren Angriffen. Darüber hinaus schienen vor allem jüngere Patienten und solche mit einer wenig fortgeschrittenen Erkrankung von der Therapie zu profitieren.

Wenn das Medikament also bei diesen Patienten wirkt, so Herolds Überlegung, dann könnte es seine volle Wirkung entfalten, wenn es verabreicht wird, bevor Symptome auftreten. Daher startete Herold 2011 die Teplizumab-Präventionsstudie, in deren Rahmen auch Mikayla und weitere Risikopatienten behandelt wurden.

Die Studienergebnisse legten das Fundament für die Entscheidung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA im Jahr 2022, Teplizumab für Menschen mit einer Erkrankung im Stadium 2 zuzulassen – also für diejenigen, die noch keine T1D-Diagnose haben, aber zwei oder mehr Autoantikörper gegen Inselzellen und Anzeichen eines veränderten Zuckerstoffwechsels aufweisen.

Nur eine vorübergehende Gnadenfrist

Seit die 16-jährige Claire Wirt aus Rochester, New York, Teplizumab im Rahmen der klinischen Studie verabreicht bekommen hat, lebt sie frei von T1D. Das sind mittlerweile sieben Jahre – und es könnten mehr werden. »Man kann eine unbeschwerte Kindheit haben, ohne sich rund um die Uhr mit Diabetes zu beschäftigen«, sagt sie. Und auch biologisch gesehen gibt es Vorteile: Das verzögerte Auftreten der Erkrankung reduziert den Stress, den hohe Blutzuckerwerte auf Blutgefäße, Nerven und andere Organsysteme ausüben – eine Belastung, die sich mit der Zeit aufsummiert.

Doch der Aufschub ist nicht billig: Eine einmalige Behandlung kostet etwa 194 000 US-Dollar – und darin sind die Kosten für die Infusionen und das anfängliche Screening noch nicht enthalten, mit dem zunächst ermittelt werden muss, ob man von der Therapie profitieren kann oder nicht. Während manche die hohen Kosten kritisieren, verteidigt Ashleigh Palmer, Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Arzneimittelherstellers Provention Bio in Red Bank, New Jersey, der 2018 die Rechte an Teplizumab erworben hat, die Preisentscheidung. »Was wir hier mit unserem Therapeutikum machen, ist bahnbrechend«, sagt Palmer. »Und ich sehe keinen Grund, warum wir das Produkt nicht angemessen bepreisen sollten.«

Analysten gehen davon aus, dass der weltweite Jahresumsatz von Teplizumab als präventive Therapie mehr als 250 Millionen Dollar betragen könnte. Und möglicherweise könnten etwa 1,5 Milliarden Dollar hinzukommen, wenn das Medikament für Patienten mit einer Erkrankung im Stadium 3 zugelassen wird. Diesbezüglich führt das Unternehmen bereits eine Studie an 300 Personen durch, um die Wirksamkeit des Medikaments bei Kindern und Jugendlichen zu testen, die die T1D-Diagnose kürzlich erhalten haben.

In der pharmazeutischen Industrie sind nun alle Augen auf den Absatz in den USA gerichtet. Wenn Provention Bio und sein Vermarktungspartner, der französische Arzneimittelriese Sanofi, ausreichend hohe Gewinne machen, könnten viele weitere Unternehmen anfangen, ähnliche prophylaktische Therapieansätze zu erforschen. Doch Studien zur Autoimmunität seien nach wie vor riskant, zeitaufwändig und kostspielig, sagt Jessica Dunne, eine T1D-Wissenschaftlerin, die zuvor die Screening- und Präventionsforschung bei JDRF and Janssen in New Jersey, USA, leitete.

»Was mit Teplizumab passiert, wird also eine Art Gradmesser für zukünftige Entwicklungen sein«, sagt sie. Janssen, das 2015 eine ehrgeizige »Disease Interception«-Einheit ins Leben gerufen hatte, schloss allerdings Ende 2022 seine gesamte T1D-Abteilung und begründete dies mit einer »Änderung der wissenschaftlichen Strategie«, so Janssen-Sprecher Brian Kenney. Andere namhafte Arzneimittelhersteller planen jedoch, ihre experimentellen Diabeteswirkstoffe als präventive Medikamente zu testen – und sie schreiben Teplizumab den Standard für regulatorischen und klinischen Erfolg zu.

»Teplizumab hat den Arzneimittelentwicklern gezeigt, dass es möglich ist, die Krankheit für einen ausreichend langen Zeitraum einzudämmen«, sagt Johanna Wesley, Leiterin der Forschung zu T1D und chronischen Nierenerkrankungen bei Novo Nordisk mit Hauptsitz in Bagsværd, Dänemark. Das wichtigste Produkt des Unternehmens zur Prävention von T1D ist ein DNA-codiertes Therapeutikum, das das Immunsystem daran hindern soll, die Zellen der Bauchspeicheldrüse anzugreifen. Im Vergleich zu Teplizumab, das auf alle T-Zellen unabhängig von ihrer Funktion abzielt, ist das Medikament von Novo Nordisk präziser auf diejenigen T-Zellen zugeschnitten, die die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse angreifen. Laut Wesley könnte dies Vorteile hinsichtlich der Sicherheit und Wirksamkeit bieten. Sobald das Unternehmen eine angemessene Dosierung für Menschen mit T1D ermittelt hat, könnte die nächste Entwicklungsstufe eine Präventionsstudie für Menschen mit einer Erkrankung im Stadium 2 umfassen, so Wesley.

Auch akademische Forschergruppen untersuchen in diesem Zusammenhang mehrere weitere Medikamente. Dazu gehören andere auf T-Zellen abzielende Mittel – wie Anti-Thymozyten-Globulin, das eingesetzt wird, um die Abstoßung von Organen zu verhindern – sowie Medikamente, die die korrekte Funktion der Bauchspeicheldrüse unterstützen und bewahren.

»Je früher man eingreift, desto wahrscheinlicher ist es, dass man den Krankheitsverlauf aufhalten kann«Richard Insel, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter der JDRF

Eine Intervention im Stadium 2 könnte jedoch zu spät sein und das Unvermeidliche nur hinauszögern. Richard Insel, ehemaliger wissenschaftlicher Leiter der JDRF, weist darauf hin: »Je früher man eingreift, desto wahrscheinlicher ist es, dass man den Krankheitsverlauf stoppen kann.« In einigen Studien werden Medikamente an Menschen getestet, die im Stadium 1 sind, also wenn die mit Diabetes verbundenen Autoantikörper vorhanden sind, der Blutzuckerstoffwechsel aber noch normal ist.

Andere Studien befassen sich mit einem noch früheren Stadium der Krankheit, nämlich mit Kindern, die bereits im Säuglingsalter ein erhöhtes T1D-Risiko aufweisen. In diesem Kontext haben Forschende Ernährungsumstellungen, probiotische Bakterien und Impfungen gegen Viren wie das Coxsackievirus B untersucht, die T1D-Symptome auszulösen scheinen. Besonders die Verabreichung von Insulin in Pulverform, das das Immunsystem der Kinder darauf trainiert, die eigenen Insulin produzierenden Zellen nicht anzugreifen, hat sich hier als viel versprechend erwiesen.

In ersten Tests entwickelten Kinder, die täglich orales Insulin erhielten, eine spezielle Art von Immunzellen, die als regulatorische T-Zellen bezeichnet werden und einen Schutz gegen künftige Autoimmunangriffe bieten. Eine größere Folgestudie ist derzeit im Gang.

Typ-1-Diabetes als Modell für andere Autoimmunerkrankungen

In ihrem Bestreben, die krank machende Autoimmunität zu verhindern, ist die T1D-Forschergemeinschaft nicht allein. Auch Wissenschaftler, die sich mit Autoimmunkrankheiten wie rheumatoider Arthritis (RA) und multipler Sklerose (MS) beschäftigen, orientieren sich bei ihrer Suche nach krankheitshemmenden Wirkstoffen schon lange an der T1D-Präventionsstrategie.

»Typ-1-Diabetes war unser Modell«, sagt Paul Emery, Rheumatologe an der University of Leeds, Großbritannien. Das Kernziel der Strategie für RA und MS besteht darin, klarere Definitionen für das Vorstadium der Erkrankung sowie die einzelnen Krankheitsstadien und zugehörigen Diagnosekriterien zu bestimmen. Nur so lassen sich überhaupt strenge Präventionsstudien durchführen.

Erfolge bei der Krankheitsvorbeugung haben Rheumatologen bereits mit dem T-Zell-Blocker Abatacept erzielt. Eine vorläufige Studie zeigte, dass das Medikament die Gelenkentzündung reduziert und die Entwicklung von RA bei Risikopersonen verzögert. Und für MS haben Kliniker ein Medikament identifiziert, das in ersten Tests neurologischen Symptomen bei Menschen mit frühen Anzeichen von Nervenschäden im Gehirn vorbeugt.

Ende 2022 berichtete ein Team unter der Leitung von Darin Okuda, einem Neurologen am University of Texas South Western Medical Center in Dallas, über die Ergebnisse eines entzündungshemmenden Medikaments namens Dimethylfumarat. Bei Menschen, die eine bestimmte Art von anomalen Gehirnscans aufwiesen, half das Medikament, das MS-Risiko im Vergleich zu einem Placebo um mehr als 80 Prozent zu senken. Im Lauf von 22 Monaten entwickelte sich bei 3 von 44 Personen, die das Medikament erhielten, die MS weiter, verglichen mit 14 von 43 mit Placebo behandelten Personen. »Die Ergebnisse waren das Beste, was ich mir hätte wünschen können«, sagt Okuda.

Die klinischen Studien sind langwierig

Eine der Herausforderungen bei der Entwicklung solcher Medikamente ist die Komplexität der klinischen Studien. Zunächst müssen die Forscher geeignete Studienteilnehmer finden, indem sie entweder auf Frühindikatoren der Krankheit oder auf genetische Risikofaktoren testen. Dann müssen sie nach der Behandlung jahrelang warten, um zu sehen, wer Fortschritte macht.

»Diese Studien dauern so verdammt lange«, sagt Michael Haller, ein pädiatrischer Endokrinologe an der University of Florida in Gainesville. Aber der Erfolg bei T1D könnte diese Situation verbessern. Haller denkt, dass sich wegen Teplizumab viel mehr Menschen untersuchen lassen werden und man daher künftig viel mehr Interessenten haben werde.

Das Screening auf diabetesbedingte Autoantikörper und andere Risikofaktoren ist in den meisten Gesundheitssystemen nicht üblich. Viele der Aufklärungs- und Screeningbemühungen konzentrieren sich daher auf die Familienmitglieder von T1D-Betroffenen. Auch Mikayla Olsten und Claire Wirt haben aus diesem Grund ihr Blut testen lassen. Genau auf diese Gruppe von Menschen zielen Provention Bio und Sanofi mit ihrer Vermarktung von Teplizumab nun ab. Allerdings haben nur etwa 15 Prozent aller Menschen, bei denen T1D diagnostiziert wird, eine familiäre Vorbelastung mit der Krankheit. Die Forschenden suchen daher nach Möglichkeiten, die Reichweite des Screenings zu vergrößern.

Dem Problem einen Schritt voraus

Manche Fachleute plädieren dafür, alle Menschen auf diabetesbedingte Autoantikörper zu testen. Dies könnte zu zwei Zeitpunkten in der frühen Kindheit erfolgen – etwa im Alter von zwei und sechs Jahren, wenn die Immunmarker am wahrscheinlichsten auftreten. Kliniker in Israel haben bereits damit begonnen, Tausende von Kleinkindern pauschal zu testen.

Teplizumab ist in Israel noch nicht erhältlich, so dass sich die Bemühungen auf den Schutz vor schweren Komplikationen konzentrieren, erklärt Moshe Phillip, ein Endokrinologe am Schneider Children's Medical Center of Israel in Petach Tikvah, der die Präventionsbemühungen leitet. Studien zeigen, dass bei Kindern, die untersucht und überwacht werden, das Risiko einer Ketoazidose nach Beginn von T1D um etwa ein Zehntel geringer ist. »Das allein ist ein guter Grund für ein Screening«, sagt Phillip.

Andere sind der Meinung, dass DNA-Tests von Blutproben, die bei der Geburt entnommen wurden, der bessere Weg sein könnten. »Mit der Genetik ist man den Autoantikörpern einen Schritt voraus«, sagt Kristina Casteels, pädiatrische Endokrinologin am Universitätskrankenhaus Löwen in Belgien.

In ganz Europa haben Casteels und ihre Kollegen mehr als 100 000 Neugeborene auf diese Weise genetisch untersucht und nach Genvarianten gesucht, die das Risiko für T1D erhöhen. Den Eltern der Babys mit dem höchsten Risiko wurde dann angeboten, ihr Kind an Studien zur Frühprävention teilnehmen zu lassen – mit Probiotika oder oralem Insulin. In anderen Ländern werden Neugeborene mit Hochrisikogenen durch regelmäßige Autoantikörpertests überwacht.

Diese Ansätze haben Stärken und Schwächen: Autoantikörpertests sind nicht standardisiert und können daher in ihrer Genauigkeit variieren, sagt Kimber Simmons, pädiatrische Endokrinologin am Barbara Davis Center for Diabetes der University of Colorado in Aurora, USA. Und da nur wenige Ressourcen zur Verfügung stehen, um Menschen, einschließlich Ärzten, darüber aufzuklären, was es bedeutet, ein erhöhtes T1D-Risiko zu haben, könnten solche Massenscreening-Bestrebungen zumindest kurzfristig zu unangemessenem Stress und klinischer Fehlbehandlung führen, sagt Carla Greenbaum, Diabetesforscherin am Benaroya Research Institute in Seattle, Washington.

Hinzu kommen die Kosten für das Screening und die medikamentösen Therapien selbst. Zudem ist unklar, ob die Gesundheitssysteme auf eine breit angelegte T1D-Prävention vorbereitet sind. Mikayla macht sich darüber keine Gedanken. »Im Moment bin ich einfach nur dankbar, dass ich noch keinen Diabetes habe«, sagt sie. »Ich weiß, dass ich ihn irgendwann bekommen werde, ich bin darauf vorbereitet. Aber im Moment genieße ich einfach mein Leben.«

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