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News: Über fünf Prozent

98,5 Prozent unseres Genoms teilen wir mit den Schimpansen. Wirklich so viel? Ein amerikanischer Wissenschaftler hegt daran Zweifel.
Als Carl von Linné, der Vater der Systematik, Mensch und Schimpanse in ein und dieselbe Säugetierordnung namens Primates – oder zu deutsch Herrentiere – steckte, war das für seine Zeit ziemlich verwegen. Rüttelte er doch damit an der Sonderstellung des Menschen. Um den gebührenden Abstand zu wahren, ordnete er die beiden Arten jedoch unterschiedlichen Familien – Pongidae und Hominidae – zu.

Inzwischen zweifelt niemand mehr an der engen Verwandtschaft zwischen Homo sapiens und Pan troglodytes. Insbesondere der hohe Grad an Übereinstimmung im Genom von Mensch und Schimpanse spricht hier eine deutliche Sprache: Wissenschaftler schätzen, dass wir 98,5 Prozent unserer DNA mit der des Schimpansen teilen.

Doch woher kommt dieser Schätzwert? Das Erbgut des Menschen ist nahezu vollständig bekannt, das des Schimpansen allerdings noch nicht. Die Genetiker stützen sich hier auf den so genannten Schmelzpunkt der DNA: Wird eine DNA-Probe langsam erwärmt, dann trennen sich bei einer bestimmten Temperatur – der Schmelztemperatur Tm – die beiden komplementären Stränge, was am Photometer leicht verfolgt werden kann. Die Schmelztemperatur hängt wiederum von den Basenpaaren der jeweiligen DNA ab. Mit anderen Worten: Tm ist eine charakteristische Größe, mit welcher die Ähnlichkeit zweier DNA-Proben ermittelt werden kann.

Doch für Roy Britten vom California Institute of Technology ist diese Methode zu ungenau. Wenn auch das komplette Schimpansengenom noch nicht vorliegt, gibt es doch Gendatenbanken, die Teile des Erbguts auf so genannten künstlichen Bakterienchromosomen (bacterial artificial chromosome, BAC) enthalten. Mit fünf dieser BACs standen dem Wissenschaftler insgesamt 779 000 Basenpaare zum direkten Vergleich mit entsprechenden Sequenzen beim Menschen zur Verfügung.

Und der Vergleich ergab: Die Basen der Sequenzen waren zu großen Teilen deckungsgleich; in durchschnittlich 1,4 Prozent der Fälle war eine einzelne Base gegen eine andere ausgetauscht. Damit wäre ein hoher Übereinstimmungsgrad von 96,6 Prozent bestätigt.

Wäre – wenn sich die Unterschiede lediglich auf einzelne vertauschte Basen beschränkten. Doch in den DNA-Strängen können auch ganze Gruppen von Basen zusätzlich eingefügt sein oder fehlen. Diese Insertionen und Deletionen – im Laboralltag kurz als indels bezeichnet – treten zwar zehnmal seltener als der Austausch einzelner Basen auf, vergrößern jedoch zusammen genommen den Unterschied zwischen Menschen- und Schimpansen-DNA um weitere 3,9 Prozent. Der Gesamtunterschied übersteigt damit nach Britten die Fünfprozentmarke.

Britten schränkt allerdings ein, dass die untersuchten DNA-Abschnitte nur wenige Gene enthalten, sodass eine Verallgemeinerung auf das gesamte Erbgut nicht möglich ist. Doch auch wenn wir "nur" 95 Prozent unseres Genoms mit dem des Schimpansen teilen – die nahe Verwandtschaft bleibt unbestritten.

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